Mannheim/Rhein-Neckar, 02. Juni 2014. Am vergangenen Mittwoch mobilisierte Mannheim gegen Rechts rund 1.000 Menschen, die gegen die Wahl des NPD-Kandidaten Christian Hehl auf die Straße gingen. Der Demonstrationszug führte auch zum Haus des neu gewählten Stadtrats – die Stadt hatte die Route genehmigt, weil es keine Anhaltspunkte gab, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigt werden. Aus ordnungsrechtlicher Sicht mag das stimmen – aus politischer nicht.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wer sich gegen etwas “Schlechtes” einsetzt, tut nicht automatisch etwas “Gutes”, wenn die Wahl der Mittel zumindest politisch falsch ist.
Klar, nach der Kommunalwahl ist die Empörung groß. Plötzlich ist mit Christian Hehl ein Stadtrat gewählt, der der rechtsextremden NPD angehört. Doch keine Demonstration ändert etwas an der Wahl. Die wurde demokratisch durchgeführt und ist gültig. Herr Hehl ist einer von 48 ehrenamtlichen Stadt/rätinnen. Und Politik sowie Stadtgesellschaft stehen nun fünf Jahre lang vor der Herausforderung, wie man damit umgeht.
Noch weiß keiner, mit was man umzugehen hat. Wie wird Christian Hehl auftreten? Welche Anträge wird er zu welchen Themen stellen, wie sich zu aktuellen Tagesordnungspunkten äußern? Ankündigungen, die demokratischen Stadträte sollten immer, wenn er das Wort ergreift, den Saal verlassen – wer will sich das vorstellen? Was wäre das für ein Chaos? Gibt man dem Mann damit nicht eine noch größer Bühne und Bedeutung?
Und was sollte die Idee bringen, am Mittwochabend direkt vor das Haus in den S-Quadraten zu ziehen, wo Herr Hehl wohnt? Man stelle sich mal umgekehrt vor, die NPD würde mit 1.000 Menschen vor das Haus eines anderen Stadtrats ziehen? Fänden aufrechte Demokraten das in Ordnung? Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und so?
Ein Zug von 1.000 Menschen vor das Haus eines demokratisch gewählten Stadtrats, das kann auch als eine Art “Mobbing” aufgefasst werden. Das mobilisiert Widerstand – nicht gegen rechts, sondern von rechts.
Die NPD hat die Aktion zum Anlass genommen und wertet den Aufzug als “Pogrom”-Stimmung und verbreitet, die “Undemokraten” würden ihr wahres Gesicht zeigen. Das ist natürlich mehrfach Quatsch – erstens, weil es keine gewaltsame Ausschreitung gegen jemanden gab, zweitens, weil die NPD ihren Stadtrat damit zu einer Art “Jude” macht und drittens, weil die NPD immer noch nicht verstanden hat, was Meinungsfreiheit bedeutet – die schließt die Freiheit ein, für und gegen Meinungen zu sein.
Die NPD könnte gemäß des Versammlungsrechts demnächst auch zu den Häusern von anderen Stadträten ziehen – nur würde das vermutlich nicht von der Versammlungsbehörde bestätigt – eine Genehmigung ist nicht erforderlich -, weil durch Gegendemos Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben wären. Und was, wenn die NPD dagegen klagt? Mit Hinweis auf diesen Zug gegen Hehl? Dann hat die Ordnungsbehörde durchzusetzen, dass die NPD marschieren darf. Und da die NPD gleiches Recht für alle einfordern kann, stehen die Chancen gar nicht schlecht für die NPD.
Aus Sicht der “Gegen Rechts”-Demontranten hat man es der NPD “gezeigt” – ob das allerdings klug war, das wird erst die Zukunft zeigen. Und wenn man so will, ist die NPD auch eine Minderheit – und Aufmärsche vor Häusern von Minderheiten sollten insbesondere von aufrechten Demokraten sehr kritisch betrachtet werden. Zweierlei Maß anzuwenden ist dabei immer gefährlich.
Nachtrag: Die CDU-Stadträtin Rebekka Schmitt-Illert kommentierte unseren Artikel auf Facebook, dass sie eine ähnliche Auffassung vertritt und wegen der Route vor das Haus des NPD-Stadtrats die Demo vorzeitig verlassen habe.