Weinheim/Rhein-Neckar, 02. März 2016. (red/me) Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat in erster Instanz entschieden, dass der AfD Rhein-Neckar eine parteipolitische Nutzung des Rolf-Engelbrecht-Hauses in Weinheim nicht untersagt werden darf. Trotz der erfolgreichen Klage will die Partei ihren Petry-Auftritt nun doch woanders stattfinden lassen.
Von Mathias Meder
Man stelle sich vor, man schließt für seine private Geburtstagsfeier einen Mietvertrag für einen kleinen Saal und kurz darauf möchte der Vermieter wieder vom Vertrag zurücktreten. Das wird vermutlich zu ziemlichem Ärger beim Jubilar führen. Vor Gericht hätte der Vermieter ganz schlechte Aussichten auf Erfolg, da Verträge, nachdem sie einmal geschlossen sind, nur schwer wieder zurückgenommen werden können.
Ähnlich verhält es sich auch, wenn der Vermieter die Stadt Weinheim und der Anlass für den Mietvertrag kein Geburtstag, sondern eine Wahlkampfveranstaltung einer Partei ist. Soweit müsste das eigentlich auch in einer Stadtverwaltung bekannt sein. Die Stadt Weinheim hat es trotzdem versucht und sich vor Gericht eine Schlappe eingehandelt.
Die Kündigung kam nach drei Monaten
Die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) hatte im November 2015 einen Mietvertrag für die Nutzung des Rolf-Engelbrecht-Hauses in Weinheim erhalten. Am 09. Dezember hingegen beschloss der Weinheimer Gemeinderat, dass das Haus nur noch für Parteien zur Verfügung gestellt werde, wenn die Veranstaltung einen konkreten orts- oder kreispolitischen Bezug habe.
Mitte Februar 2016 schickte die Stadt Weinheim einen Brief an die AfD, in dem der Erste Bürgermeister Dr. Torsten Fetzner den Rücktritt vom Vertrag erklärte und auf die geänderte Benutzungsordnung verwies. Begründung: Eine Veranstaltung im Rahmen des Landtagswahlkampfes mit der Bundesvorsitzenden Dr. Frauke Petry habe nicht den notwendigen Orts- oder Kreisbezug. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe sah dies jedoch anders. Mit seinem Urteil vom 02. März stellte es fest:
Es handelt sich um eine Veranstaltung mit „konkretem orts- oder kreispolitischen Bezug“. Dieser Bezug folgt schon daraus, dass nicht die Bundespartei, sondern der Kreisverband der AfD als Veranstalter auftrete.
Und weiter urteilte das Verwaltungsgericht:
Eine thematische Eingrenzung auf ausschließlich kommunale Themen oder Kreisthemen dürfte in der Praxis kaum funktionieren, weil bundespolitische beziehungsweise landespolitische Themen – zumal im nahmen Vorfeld einer Landtagswahl – immer auch einen regionalen beziehungsweise örtlichen Bezug zu den Wahlkreiskandidaten hätten. Eine solche thematische Eingrenzung komme in den Nutzungsbedingungen auch nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Klarheit zum Ausdruck.
Deutlicher kann ein Gericht kaum formulieren, dass die Stadt Weinheim bei der Begründung für den Vertragsrücktritt unsauber gearbeitet hat. Es macht klar, dass die Stadt zivilrechtlich nicht zum Vertragsrücktritt berechtigt war. Und das Verwaltungsgericht Karlsruhe gibt der AfD auf ganzer Linie recht. Die AfD ist das Opfer unsauberen Verwaltungshandelns geworden.
Die Stadt hingegen verschickt an die Presse folgende Stellungnahme:
Wir sind natürlich erleichtert über die Entscheidung der AfD, gleichzeitig fühlen wir uns aber auch in unserem Vorgehen bestätigt, juristisch gegen die Nutzung des Rolf-Engelbrecht-Hauses durch die AfD vorgegangen zu sein. Damit konnten wir klar dokumentieren, dass sich die Stadt Weinheim bindend an die Beschlüsse des Gemeinderates hält und sie mit den möglichen juristischen Mitteln umsetzt.
Somit ist es auch gelungen, Gerechtigkeit für alle Parteien herzustellen, insbesondere für jene im Gemeinderat vertretenen, die unter Zurückstellung eigener Interessen am Gemeinderatsbeschluss beteiligt waren.
Sicher war es auch ein starkes Argument, die AfD auch moralisch an ihren eigenen Aussagen zum Demokratieverständnis zu messen. Das dürfte die Überzeugungsarbeit erleichtert haben.
Doch war das vielleicht gar die Strategie, die aufging?
Fest steht, dass die AfD trotz der erfolgreichen Klage ihre Wahlkampfveranstaltung nicht im Rolf-Engelbrecht-Haus (REH) durchführen wird – ganz sicher nicht aus „Überzeugung“, sondern aus praktischen Gründen. Das hat die Partei in einer Pressemitteilung am Dienstagabend erklärt. Fest steht aber auch, dass die Bundesvorsitzende Dr. Frauke Petry stattdessen an einem anderen Veranstaltungsort in der Umgebung reden wird. Nach unseren Informationen in Mannheim. Die Stadt Weinheim hat damit erreicht, was sie wollte: Den Auftritt von Frau Dr. Petry zu verhindern.
Der Vertragsrücktritt durch die Stadt Weinheim kam schließlich nur rund drei Wochen vor der eigentlichen Veranstaltung. Das Urteil zwei Tage vor der geplanten Veranstaltung kam somit zu spät, um die Veranstaltung noch wie ursprünglich geplant durchzuführen. Es erscheint also logisch, wenn sich die AfD längst nach einem Ersatzveranstaltungsort umgeschaut hat und offenbar auch fündig wurde.
Verzicht aus Sorge vor Gewalt
Gleichermaßen skurril mutet es jedoch an, wenn nun die AfD erklärt, dass man den Veranstaltungsort auch im Interesse des Vermieters geheim halten möchte. Gegendemonstranten möchte man von Seiten der AfD weder vor dem Rolf-Engelbrecht-Haus noch anderswo sehen, denn man möchte die Bürgerinnen und Bürger vor möglichen Ausschreitungen schützen. Denn Protestaktionen waren angeblich bereits angekündigt.
Vielleicht will man auch vermeiden, dass wenige Tage vor der Landtagswahl erneut Bilder entstehen, die die AfD in eine zu große Nähe zur NPD rücken. Denn schließlich war es ja die Reaktion des Weinheimer Gemeinderates auf den NPD-Bundesparteitag in der Stadthalle, weswegen man mit einer neuen Benutzerordnung für Stadthalle Auftritte einer rechtsextremen Partei verhindern wollte.
Hat die Stadtverwaltung Weinheim ihr Ziel also erreicht?
Vordergründig ja: Die AfD wird nicht in Weinheim auftreten. Aber zu welchem Preis? Erneut kassiert die Stadtverwaltung Weinheim eine Schlappe vor Gericht – die Kosten trägt der Steuerzahler. Und wieder kann „der Gegner“ die juristische Niederlage der Stadt zur Eigenwerbung nutzen. Die AfD kann das Urteil als Beweis dafür verwenden, ihre Vorwürfe gegenüber den den von ihr so genannten „Altparteien“ zu erneuern.
Die entscheidende Frage ist: Muss das sein oder wäre es nicht besser, mit einwandfreien demokratischen Mitteln die AfD zu entzaubern?