Mannheim/Rhein-Neckar, 02. Oktober 2014. (red/pro) Journalismus, der Fakten verdreht, Informationen auslässt und Dinge erfindet, verdient die Bezeichnung nicht und handelt verantwortungslos. Leider werden die verbliebenen 67.000 Abonnenten des Mannheimer Morgens kontinuierlich falsch informiert – bis hin zur Schmähung des Oberbürgermeisters auf Basis eines offenen Briefs zweier Personen. Beim Projekt Grünzug Nord-Ost braucht es Weitblick und keinen Kleingeist.
Von Hardy Prothmann
Manchchmal hat man das Gefühl, auf verschiedenen Veranstaltungen gewesen zu sein. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) stellte am Dienstag zusammen mit Baubürgermeister Lothar Quast (SPD) und Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala (Grüne) der Presse zwei Planungsvarianten vor, wie die Straße Am Aubuckel verlegt werden kann. Der Verkehrsgutachter Professor Jörg von Moerner (Darmstadt) erläuterte sehr detailliert Vor- und Nachteile. Unterm Strich scheint die „Riedbahnparallele“ mit 16 Millionen Euro deutlich kostengünstiger und weniger massiv zu sein als die Variante Dudenstraße für geschätzte 24 Millionen Euro und mit voraussichtlich schwierigen Verhandlungen mit der Deutschen Bahn.
Soweit stimmt die Wahrnehmung des Mannheimer Morgens und unsere überein.
Alarmierende Interpretationen
Im Mannheimer Morgen ist zu lesen, bei der IHK „schrillen die Alarmglocken“. Pressesprecherin Andrea Kiefer sagt auf Anfrage: „Das ist die Interpretation des Mannheimer Morgens.“ Klar, die IHK mahnt und fordert eine sorgfältige Prüfung – aber von „schrillenden Alarmglocken“ ist keine Rede.
„Die Verlegung der Straße wäre nicht gerechtfertigt, wenn es dabei im Wesentlichen um die Bundesgartenschau 2023 ginge“, warb Kurz für das Projekt: „Es geht um die Chance, Verkehrsplanung der vergangenen Jahrzehnte zu korrigieren und für die Zukunft einen neuen, großzügigen Freiraum für Menschen, Tier und Pflanzen zu schaffen.“
Soweit richtig – das Atmosphärische hingegen wird nicht berichtet. Der OB äußerte ebenfalls sein Verständnis für die emotionale Situation der Menschen, die ihren Garten verlieren werden:
Man sieht das, was ist. Das, was sein wird, ist für manche nur schwer vorstellbar.
Man spürt, wie viel Arbeit sich die Verwaltung gemacht hat, um eine „win-win-„Situation zu erreichen, wie der Verkehrsgutachter die Riedbahnvariante nennt. Es laufen Gespräche mit den Kleingärtnern und den Schützen – es wird Entschädigungen geben oder „Umsetzungen“ innerhalb der Anlage. Die Stadt geht auf die „kleinen Leute“ zu – der MM bläst den Sturm von einzelnen zu einer breiten Ablehnung gegen die Stadtverwaltung auf.
Entscheiden wird der Souverän
Die Verwaltung gibt natürlich eine Empfehlung für die nicht nur nach Kosten günstigere Variante entlang der Bahn ab. Natürlich ist das keine Überraschung – überraschend wäre, wenn man sich für die teure Variante aussprechen würde. Entscheiden wird aber der Souverän und das ist immer noch der Gemeinderat. Hier sieht der Mannheimer Morgen noch keine Mehrheit.
Klar ist, dass die Grünen, die sich an einen Mitgliederentscheid halten wollen, gegen eine Straßenverlegung stimmen werden. Richtig ist, dass die CDU sich noch nicht festgelegt hat. Nachdem der MM erst von einem CDU-Mitgliederentscheid fantasiert hatte, nennt die Zeitung das aktuell „Beteiligungsprozess“. Konkret wird es am 15. Oktober eine Information und Diskussion mit den Mitgliedern geben. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Matthias Sandel sagte auf Anfrage:
Die Position der CDU ist klar: Wir wollen keine Blümchenschau machen, sondern die BUGA für eine städtebauliche Entwicklung nutzen, die den Mannheimer Norden ganz besonders aufwertet. Und wir machen sicher keine Mitgliederbefragung, wie das falsch berichtet worden ist, sondern beteiligen unsere Mitglieder in der Debatte und Abwägung. Am Ende entscheiden die CDU-Stadträte selbstverantwortlich, wie sie abstimmen.
Eigentlich müsste die Zeitung, die durchaus auch durch Redaktionsmitglieder sehr enge Kontakte zur CDU pflegt, wissen, dass die Mehrzahl der CDU-Stadträte sich der Position anschließt, dass die BUGA ein Transmissionsriemen für die Stadtentwicklung sein soll. Daran gibt es eigentlich kaum mehr einen Zweifel – auch wenn viele Details noch offen sind. So will man historische Gebäude erhalten und aufwerten und damit Wohnraum schaffen, der insbesondere Entscheider und Führungskräfte in die Stadt holt:
Man kommt zur Ausbildung oder Studium in die Stadt und wenn es zur Familiengründung kommt, verlässt man sie ins Umland – da müssen wir gegensteuern, mit attraktiven Angeboten wie es der Nordostgrünzug sein kann. Feudenheim, Käfertal und die Vogelstang profitieren von dieser Aufwertung.
Deutlicher kann man eine Position inhaltlich nicht vertreten. Wem das noch nicht reicht, Matthias Sandel sagt weiter:
Man kann auch wie die Grünen das wollen, nichts verändern und Am Aubuckel für mindestens acht Monate sperren. Das wäre eine vorsätzliche und massive Schädigung unserer Wirtschaftsunternehmen, die diese Verkehrsachse brauchen. Und von der Wirtschaft lebt die Stadt. Also ist das unvorstellbar für uns.
Das ist eine klare Absage an Variante 3 – man lässt alles, wie es ist.
Frei erfundene „Täuschung der Wähler“
Die Zeitung kommt auch nicht ohne Angriff auf einen Oberbürgermeister aus, der von allen Seiten für seine Bürgerbeteiligung gelobt wird – naja, bis auf ein paar Leute, denen es man nie recht machen kann. Zwei davon zitiert die Zeitung aus einem offenen Brief, in dem diese beiden Herren dem OB den „Vorwurf der Täuschung der Wähler“ machen.
Geht so verantwortlicher Journalismus? Indem man sich hinter der Meinung von zwei Personen versteckt und im Zweifel behauptet, man habe das nicht selbst behauptet, sondern ein „Meinungsbild“ wiedergegeben? Wenn man keinerlei Anstrengung unternimmt, herauszufinden, auf welcher Basis dieser Vorwurf erhoben wird, ob er auch nur ansatzweise statthaft ist? Es gibt keinen Hinweis in dem Artikel auf ein angebliches Versprechen, keine Quellenangabe mit einem Beleg, der einen so ungeheuerlichen Vorwurf rechtfertigen könnte. Nein, man schreibt das einfach mal so auf – um was zu erreichen? Im Zweifel das Schüren des Volkszorns gegen eine bürgerverachtende Verwaltung. Ebenso wird die Polizei durch eine unverhältnismäßige Berichterstattung beschädigt. Was ist das Ziel? Die restlose Zerstörung des Vertrauens der Bevölkerung in unsere Organe? Das nimmt schon extremistische Züge an.
Zudem ist es inhaltlich dumm, weil einfachste Prozesse nicht verstanden werden. Die Verwaltung wird nicht gewählt und gibt keine Wahlversprechen ab und kann diese somit auch nicht brechen. Haben alle Fraktionen versprochen, dass die Riedbahntrasse nicht kommen würde? Ist das so? Wo steht das? Wer hat wem genau was versprochen? Solche Fragen werden nicht geklärt – es reicht der Vorwurf, um Stimmung zu machen.
Wichtige Fragen statt Scheingefechte
Die eigene Leserschaft täuscht man mit solchen verdrehten und kolportierten Behauptungen, die sich nicht belegen lassen. Von Seiten der Stadt wurde gesagt, dass keine Wohnbebauung im Kleingartengebiet geplant sei – daran hat sich nichts geändert.
Dabei gibt es wichtigere Fragen: Wie schafft man neuen Wohnraum, der lebenswert für Geringverdiener wie Gutverdiener ist? Wie schafft man die Ansiedlung von zukunftsfähigen Unternehmen? Wie schafft man Synergien, die diesen straßenbaulichen Fehler Am Aubuckel beseitigen und schafft gleichzeitig eine notwendige, zukunftsfähige Verkehrstrasse? Was kann man im Zug der Umgestaltung noch mit gestalten – beispielsweise eine Aufwertung des Luisenparks? Solche richtigen Fragen muss man an die Unterstützer des Grünzugs im Norden stellen. Hier ist noch viel Arbeit zu leisten. Hier sind Phantasie und auch mal kühne Gedanken gefragt.
Das große Ganze vs. 30 Gärten
Und die Grünen muss man fragen, ob sie sich tatsächlich verweigern, einen durchgehenden Grünzug zu schaffen und die Belastung durch die bestehende Verkehrsachse aufrechterhalten wollen. Das ist wirklich neu: Die Mannheimer Grünen wollen den Rückbau der Straße Am Aubuckel – was nicht kommen wird, wenn es keinen Ersatz gibt. Also kämpfen sie indirekt für den Erhalt einer Verkehrsachse, die Feudenheim belastet und eine Neuordnung ohne Belastung behindert. Sauber. Das wäre aus Sicht des Mannheimer Morgens sicher eine berichtenswerte Perspektive – leider passt sie nicht, weil man dann eher pro BUGA sein müsste. Und das scheint auf alle Zeiten für die Zeitung nicht denkbar.
Den Stadträt/innen kann man nur anraten, ihren Verstand gut zu nutzen und sich politisch vernünftig zu verhalten. Statt streitsüchtigen Argwohn zu schüren ist Weitblick gefragt. Die Konversionsflächen und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten bieten die größten städtebaulichen Chancen aller Zeiten – natürlich auch Herausforderungen. Das ist historisch einmalig. Man kann sich entscheiden, ob man als Dauerwiderständler oder als Gestalter in die Geschichtsbücher eingeht.
Von Seiten der CDU kann man nochmals eine Prüfung fordern, ob man nicht doch über das Bombardiergelände planen kann – was wäre erreicht? Noch mehr Zeitverlust, noch mehr Prüfungskosten, statt endlich eine möglichst große Mehrheit mit einem klaren Ziel: Grünzug für den Nordosten mit hohem Lebens- und Wohnkomfort plus einer funktionierenden Verkehrsachse. Dafür bleiben 30 Kleingärten auf der Strecke. Die paar Späne sollten den Gemeinderat nicht davon abhalten, das große Ganze mit aller historischer Verantwortlichkeit zu hobeln.