Rhein-Neckar, 02. November 2015. (red) Die Gewalt gegen Polizeibeamte nimmt zu. Ein wirksamer Schutz könnte die sogenannte „Bodycam“ sein. Doch gibt es Widerstand gegen einen Testbetrieb der „Körperkamera“. Die Deutsche Polizeigewerkschaft Mannheim (DPolG) hat dafür, gelinde gesagt, überhaupt kein Verständnis.
Von Günter Troschka
Seit Jahren gefordert, etliche Berichte im Standpunkt und Anfang des Jahres endlich auf dem richtigen Gleis: Selbst die Presse berichtete schon vom Probebetrieb der Bodycam in Mannheim und Freiburg. Doch was nun? Die Grünen im baden-württembergischen Landtag hebeln den Einsatz der Kameras jetzt aus.
Über die Vorteile der Kamera wurde schon viel berichtet und bedarf deshalb nicht einer erneuten „gebetsmühlenähnlichen“ Aufzählung. Laut Zeitungsbericht vertritt auch Innenminister Gall (SPD) die Ansicht, dass die Bodycam Angriffe auf Beamte verhindern könnte. Gern hätte unter anderem das Polizeipräsidium Mannheim die Kameras getestet. Reviere die mit dieser Aufgabe betraut werden sollten, waren schon ausgewählt worden.
Grün dagegen
Jetzt macht jedoch der „Grüne Teil“ der Landesregierung einen Strich durch die Rechnung. Der Weinheimer Landtagsabgeordnete und Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl sieht erhebliche verfassungs- und datenschutzrechtliche Bedenken. Dies würde auch gegen eine versuchsweise Einführung sprechen, so Sckerl gegenüber der Presse.
Hier hat sich die SPD jedoch anders aufgestellt. SPD-Sicherheitspolitiker Nikolaos Sakellariou will die Bodycam auf jeden Fall.
Rot dafür
Jedes Jahr werden in Baden-Württemberg 3.000 Polizisten im Einsatz verletzt. Die Bodycams könnten Angriffe auf Polizisten dokumentieren. Dies wäre ein effektives Mittel zur Verhinderung von Gewalt gegen Beamte, glaubt Sakellariou.
In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass es erst vor kurzem zu einer Auseinandersetzung zwischen einer großen Personengruppe und Polizeibeamten kam, bei der 8 Polizeibeamte verletzt wurden. Abgesehen von Sachschäden an eingesetzten Streifenwagen. Dies geschah ausgerechnet in dem Revierbereich, der für den Probelauf der Bodycam ausgesucht wurde. Vielleicht wären den 8 Kollegen Verletzungen erspart geblieben, wenn die Kamera bereits im Einsatz gewesen wären.
Der Feldversuch mit den Kameras entzweit die grün-rote Koalition schon länger. Einigkeit herrscht bisher nur bei den rechtlichen Voraussetzungen. „Ohne eine Änderung des Polizeigesetzes geht es nicht“, sagt Galls Sprecher. Diese Einschätzung werde auch vom Justizministerium gestützt. Es sei nun Sache der Regierungsfraktionen, ob sie eine entsprechende Reform noch vor der Landtagswahl befürworten. „Die Zeit würde noch reichen“, sagt Sakellariou.
Positive Erfahrungen
Landesdatenschutzbeauftragter Jörg Klingbeil hatte ebenso eine gesetzliche Grundlage für den Feldversuch gefordert. Er betonte, dass auch bei einem Versuch echte Daten aufgenommen werden. Grundsätzliche rechtliche Hindernisse sieht Klingbeil nicht: „Die Verhinderung von Angriffen auf Leib und Leben reicht als Begründung aus.“
Irritiert bin ich schon, dass von den „Grünen“ verfassungs- und datenschutzrechtliche Gründe angeführt werden. Offensichtlich scheint in Hamburg (rot- grün) Rheinland-Pfalz (rot-grün) und Hessen (schwarz-grün) eine andere Rechtsauffassung zu bestehen. Selbst im Landesdatenschutz gibt es keine gravierenden Unterschiede.
In Frankfurt hat sich nach offiziellen Angaben die Zahl der jährlichen Fälle von Widerstand gegen Polizisten von 40 auf 25 fast halbiert, so dass man dort weitere 70 Kameras anschaffen und weitere Städte einbeziehen will. Und die rot-grüne Regierung in Rheinland-Pfalz erhofft sich von den Bodycams einen Rückgang der Attacken auf Polizisten.
„Die Kameras sind zwar keine Allheilmittel. Aber wir glauben schon, dass sie abschreckende Wirkung auf potenzielle Gewalttäter haben“, sagte SPD-Innenminister Roger Lewentz bei der Ankündigung von zwei Pilotprojekten mit 15 Kameras in Mainz und Koblenz.
Retourkutsche?
Lediglich im „Musterländle“ kracht es scheinbar im Gebälk. Sollte dies vielleicht daran liegen, dass die SPD sich gegen eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte bei Großeinsätzen ausspricht, obwohl der Koalitionsvertrag etwas anderes vorsieht? Retourkutsche ist, glaube ich, der allgemeine Begriff. Mir scheint hier zumindest von grüner Seite der Schutz des Bürgers gegenüber der Polizei vorrangig zu sein. Fragt sich nur: Wer schützt wen?
Man zerbricht sich den Kopf über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen. Im Gegenzug hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Göttingen entschieden, dass man nicht mit Repressalien rechnen muss und nicht mal seine Personalien angeben muss, wenn man einen Polizeibeamten bei der Arbeit filmt oder fotografiert.
Dabei hat Karlsruhe das Filmen der Polizei nicht nur aus konkretem Anlass für rechtmäßig erklärt, etwa wenn ein Polizist mutmaßlich illegal handelte, sondern generell. Es könnte ja sein, dass Bürger die Bilder später einmal als Beweis vor Gericht benötigen. (Az. 1BvR 2501/13 vom 24.07.2015) Da bleibt mir nur noch einen Dank auszusprechen, wie bemüht der „Grüne Teil der Landesregierung“ um das Wohlergehen seiner Polizeibeamten ist und wie viele Gedanken man sich über die Rechtmäßigkeit der Bodycam macht.
Info: Polizeihauptkommissar Günter Troschka ist Geschäftsführer der Deutschen Polizeigewerkschaft Baden-Württemberg Kreisverband Mannheim und Mitglied der „Standpunkt“-Redaktion. In der Ausgabe 17/15 ist aktuell sein Meinungsartikel erschienen.
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