Mannheim, 02. Februar 2015. (red) Aktualisiert. Journalisten in Deutschland genießen ein hohes Privileg – den Quellenschutz. Sie müssen noch nicht mal einem Gericht verraten, woher sie Informationen erhalten haben. Verantwortliche Journalisten schützen ihre Quellen (auch vor sich selbst), damit diese durch das Weitergeben von Informationen nicht in Schwierigkeiten geraten. Doch genau das könnte jetzt der Fall sein. Quellenschutz ist für den MM aber nur nebensächlich – es geht um was Anderes.
Von Hardy Prothmann
Am 24. Januar berichtet der Mannheimer Morgen über die “Winterlichter” im Luisenpark. In einem Kommentar schreibt Lokalredakteur Peter W. Ragge:
Dennoch verstieg sich Umweltbürgermeisterin Felicitas Kubala, immerhin Aufsichtsratsvorsitzende der Stadtparks, in ihrem Grußwort zu der Behauptung, die beiden Parks seien 40 Jahre nach der Bundesgartenschau „nicht in die Jahre gekommen“. Das ist entweder schlimme Unwissenheit oder völlige Ignoranz. Der Investitionsstau ist deutlich sichtbar, auch nachts.
Bürgermeisterin Kubala hatte am 22. Januar das Grußwort zur Eröffnung der Winterlichter gesprochen. Diese Einschätzung von Herrn Ragge über “schlimme Unwissenheit oder völlige Ignoranz” wird im weiteren Verlauf des Artikels interessant.
Antrag mit Bezug auf Presse-Berichte in der Zukunft
Die Mannheimer Liste weiß also schon am 23. Januar, was der MM angeblich am 24. Januar berichtet haben soll, doch tatsächlich erst am 31. Januar berichtet haben wird. Klinkt seltsam? Ist aber so. Und am 02. Februar wird der ML-Stadtrat Christopher Probst zitiert:
Die öffentlichen Äußerungen der Dezernentin zeugen entweder von Kenntnislosigkeit oder Desinteresse an der grünen Seele Mannheims.
Inhaltlich entspricht das dem Kommentar von Herrn Ragge am 24. Januar: “Schlimme Unwissenheit oder völlige Ignoranz”.
Wer ist das Leck?
Am 31. Januar zitiert Herr Ragge viele Details aus “internen Geschäftspapieren” und erwähnt immer wieder den Aufsichtsrat der gemeinnützigen Stadtpark GmbH. Den leitet Bürgermeisterin Kubala – insgesamt gibt es sieben Mitglieder, je zwei von CDU, SPD, einen Vertreter der Grünen, der AfD und ML-Stadtrat Christopher Probst. Der Aufsichtsrat tagte zuletzt im Dezember 2014.
Aufsichtsrat also. Zählt man Geschäftsführer Joachim Költzsch hinzu, gibt es 9 Personen, die die Unterlagen haben, die der Zeitung zugesteckt wurden. Eine dieser 9 Personen muss es gewesen sein – oder doch jemand anderes?
Anti-Buga-Kampagne
Der finale Angriff findet am 02. Februar statt – indem die Stadtparks als Verlierer der geplanten Bundesgartenschau im Jahr 2023 hingestellt werden. Wer hat sich in der Vergangenheit gegen die Buga ausgesprochen? ML-Stadtrat Christopher Probst. Allerdings hat auch die CDU immer wieder die Stadtparks ins Spiel gebracht und die aktuelle “Stimmung” zur Buga ist “unklar” – als “Whistleblower” kommen also auch Marianne Seitz oder Dr. Adelheid Weiss in Frage.
Selbst wenn es keine dieser Personen war – so geht man nicht mit Quellen um. Das ist eine journalistische Totsünde. Und schon gar nicht berichtet man derart, dass unter Umständen ein falscher Eindruck über andere Personen entsteht.
Faktencheck
Herr Probst erklärt auf Anfrage, dass er beim Start der “Winterlichter”-Aktion anwesend war und sich gegenüber Herrn Ragge zum Grußwort von Frau Kubala geäußert habe. Offensichtlich hat Herr Ragge sich dessen Haltung in seinem Kommentar am 24. Januar zu eigen gemacht, ohne korrekt auf den Urheber hinzuweisen. Oder haben beide zufällig dasselbe gedacht?
Herr Probst bestätigt auch, dass er die Brücke gesehen und das “Bild” beklagt habe – auch das hat sich Herr Ragge flugs gegriffen und stellt es so dar, als sei dies ein bislang unbekanntes Problem:
Ein auffälliges wie peinliches Beispiel stellt die Brücke hinter der Weinstube dar, die ganz kurzfristig abgestützt und verengt werden musste.
“Ganz kurzfristig…musste”? Diese “peinliche Überraschung” ist erstaunlich, schrieb doch Herr Ragge bereits am 23. Mai 2013 unter der Überschrift “Brücke, Bühne und Becken sind baufällig”:
Rund 100.000 Euro benötige man wohl für die Brücke, die hinter der Weinstube zur Freizeitwiese führt. “Vermutlich kann man sie nicht sanieren, sondern muss sie neu bauen”, so Költzsch.
Der Lokalredakteur schreibt weiter, nur die Mannheimer Liste habe auf den Bericht vom Samstag reagiert und daraufhin den Antrag geschickt:
Deren Fraktionsgeschäftsführer Roland Weiß schickte einen von der ML in den Gemeinderat eingebrachten Antrag, in dem sie von der Verwaltung eine Darstellung der Höhe der den Stadtparks zur Verfügung stehenden Mittel sowie den geschätzten Sanierungs- und Investitionsbedarf verlangt. Besucher und Fachleute schätzten „den Zustand zahlreicher Einrichtungen der Parks als dringend sanierungsbedürftig ein“, heißt es in der Begründung des Antrags, wo auch auf die provisorisch abgestützte Brücke an der Weinstube verwiesen wird.
Die Information, dass der Antrag auf einen Bericht verweist, der zum Zeitpunkt, als der Antrag geschrieben worden ist, noch gar nicht berichtet worden war, lässt der Lokalredakteur natürlich weg – es könnte ja so aussehen, als “arbeite” man hier zusammen.
Diese Berichterstattung über den “schlechten Zustand” des Parks wiederholt sich seit langem in der Zeitung und als Leser bekommt man den Eindruck, der MM wolle den Luisenpark “kaputt” schreiben oder der Luisenpark sei so eine Art “Schandfleck” – insbesondere, weil so getan wird, als sei den Verantwortlichen nicht bewusst, dass es einiger Investitionen bedarf, um den Park auf Vordermann zu bringen, der in diesem Jahr 40 Jahre alt wird.
“Volkes Stimme”
Und natürlich muss dann in der weiteren “Berichterstattung” die Verbindung zur Buga erfolgen. Dazu bedient sich der Redakteur “Leserzuschriften” – als wären das “objektive” Stimmen:
Ist das verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Politik?,
lässt die Zeitung den “Leser” Hans-Jürgen Hiemenz fragen. Dass Herr Hiemenz gerne Leserbriefe schreibt und Sprecher der Bürgerinitiative “Gestaltet Spinelli” ist, wird da schon mal als Information an die Leser “vergessen”. Und die Antwort auf die rhetorische Frage ist klar: Wer ist unverantwortlich und nicht-zukunftsorientiert? Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) – wer sonst? Dass ML-Stadtrat Christopher Probst sich als Kandidat für den Posten auch zur Wahl stellt – keine Information dazu im Mannheimer Morgen.
Die Kampagne geht weiter – koste es was es wolle. Den Schutz von “Quellen”, falsche Verdächtigungen, die “Verächtlichung” der Glaubwürdigkeit der Arbeit der Stadtverwaltung, eine ordentliche Darstellung der “Protagonisten” – alles egal.
Prinzipienlose Berichterstattung
Leider bleibt damit die Glaubwürdigkeit eines verantwortlichen und zukunftsorientierten Journalismus insgesamt auf der Strecke – insbesondere, wenn sich die größte Zeitung im Berichtsgebiet so geriert.
In der Abfolge der Berichte scheint es auf der Hand zu liegen, dass Herr Probst mit dem MM “zusammenarbeitet” und der Whistleblower ist, der als Aufsichtsrat seine Pflichten verletzt. Ist das so?
Oder wird er bewusst als OB-Kandidat beschädigt, weil ein mindestens CDU-naher Redakteur einen CDU-Kandidaten vorbereitet, der am 19. Februar bekannt gegeben werden soll?
Oder versteht der schreibende Redakteur eigentlich überhaupt nicht, wovon dieser Text handelt?
Ehrlicher Journalismus hat Prinzipien. Unehrlicher keine.
Aktualisierung:
Wir bitten unsere Leser/innen um Beachtung: Die Mannheimer Liste weist uns heute darauf hin, dass unsere “Verwunderung” über die Datumsabfolge auf einem Fehler beruht, den die Mannheimer Liste glaubwürdig darstellen kann. Insofern bitten wir um Beachtung, dass die Mannheimer Liste keine Kenntnis vom Inhalt der Berichterstattung im Mannheimer Morgen vor dem Verfassen eines Antrags zum Luisenpark hatte. An der weiteren Kritik an der Zeitung und der Frage zum Umgang mit Quellen ändert das nichts.
email an die Redaktion, 04. Februar 2015, 16:01 Uhr:
Sehr geehrter Herr Prothmann,
zu Ihrer Berichterstattung betreffend Pressebericht MM und Antragstellung FW-ML übersende ich Ihnen beiliegend meine E-Mail vom 25.01.2015, 19:08 Uhr, die an meine Stadtratskollegen, die stellv. Vorsitzende der Freie Wähler – Mannheimer Liste, Edith Hufnagel sowie an unsere Mitarbeiterin in der Fraktionsgeschäftsstelle, Christiane Hossner, verschickt wurde.
Es gehört zu unserem Geschäftsablauf, dass Anträge und Pressemeldungen durch mich als Fraktionsgeschäftsführer vorbereitet und zur Abstimmung an die Kolleginnen/Kollegen verschickt werden (es ist nicht ungewöhnlich, dass dies an einem Sonntag erfolgt).
Die Datums-Irritation ist zurecht durch meinen Fehler entstanden, die bereits benutzte Antrags-Vorlage weiterverwendet zu haben, ohne das Datum (23.01.2015) zu aktualisieren.
Unsere Anträge mit “Datum 23.01.2015” übersende ich Ihnen gerne mit dem Hintergedanken, Sie über die derzeit aktuellen politischen Themen zu informieren und stehe Ihnen gerne zur Erörterung dieser Themen zur Verfügung.
Der Vollständigkeit wegen darf ich Ihnen auch unsere Anträge vom 22.01.2015 übersenden.
Mit freundlichen Grüßen