Mannheim, 02. Februar 2016. (nh) In jeder Stadt und in jedem Dorf gibt es ein Rathaus. Warum das so ist? Das Rathaus gehört seit je her zu den wichtigsten Orten einer Stadt. Es repräsentiert die Politik ebenso wie die Gemeinde, es schafft Identität und ist unentbehrliche Anlaufstelle für die Bürger. Wir begeben uns auf Spurensuche und nehmen die Rathäuser der Rhein-Neckar-Region in einer Serie unter die Lupe. Das Rathaus in Mannheim – im Zuge des stetigen Bedeutungszuwachs als Handels- und Industriestadt und der damit wachsenden Verwaltungsaufgaben musste das Rathaus im Laufe der Geschichte mehrmals umziehen.
Von Naemi Hencke
Rathäuser sind als Institution seit dem zwölften Jahrhundert nicht mehr aus Städten und Dörfern wegzudenken. Hier werden seitdem überwiegend alle wichtigen wirtschaftlichen Belange einer Gemeinde geregelt. Es ist Sinnbild für das politisches Geschehen und bedeutend als Identitätsstifter der bürgerliche Gemeinde. Es ist die zentrale Anlaufstelle einer Stadt.
Anfangs wurden Zweckbauten wie Tuchhallen, Markthallen und Wohnhäuser zu Rathäusern umfunktioniert; oft am Marktplatz und in der Nähe der Kirche gelegen.
Im Laufe der Zeit wuchsen die Gemeinden beständig und damit auch die Aufgaben des Rates: Viele Städte entschieden sich gegen einen Neubau – wahrscheinlich auch wegen der Kosten – und bauten nach und nach an und um.
Erstes Rathaus in F1
Mehrere Rathäuser prägen die Geschichte der Stadt Mannheim. Im Jahre 1700 wurde mit dem Bau eines neuen Rathauses in F1 begonnen, in dem ab 1705 Ratssitzungen stattfanden. Die Stadt wuchs beständig und mit ihr die kommunalen Aufgaben – das Rathaus in F1 wurde zu klein und die Stadtregierung begab sich auf die Suche nach einem neuen Rathaus.
Kaufhaus wird Rathaus
Das Quadrat N1 bewegte seit Beginn des 18. Jahrhunderts die Gemüter der Mannheimer Bürger: Kurfürst Karl Phillipp ließ 1724 das Kauf- und Lagerhaus auf den ehemaligen Wallanlagem der Zitadelle Friedrichsburg erbauen. Mit dem Bau eines“ staatlich verordneten“ Kaufhauses sollte der Handel gefördert werden.
1725 nach Plänen von Alessandro Galli da Bibiena und Johan Georg Baumgratz entworfen, wurde es 1747 fertig gestellt. Ursprünglich als Kaufhaus geplant, wurden die Räumlichkeiten dennoch vorwiegend von staatlichen Behörden genutzt. Die herrschaftlichen Ämter, zudem ein Restaurant, die Polizeikommission, das Oberappelationsgericht und die kurfürstliche Regierung wurde hier untergebracht.
Doch die Bürger wehrten sich gegen das aufgezwungene Kaufhaus. Als Ende des 19. Jahrhunderts die großherzoglichen Ämter wegzogen, konnten sich die Bürger Mannheims allmählich mit dem barocken Sandsteinbau „versöhnen“. Das repräsentative Gebäude verwaiste zunehmend.
Die Stadt Mannheim erwarb das „ungeliebte“ Kaufhaus 1899 und investierte in dessen Umgestaltung. Richard Perrey vom städtischen Hochbauamt wurde beauftragt einen funktionalen Entwurf auszuarbeiten. Im Jahre 1910 konnten die Stadträte dann auch endlich einziehen.
Doch während des schwersten Luftangriffs in der Geschichte der Stadt Mannheim wurde das Kaufhaus in der Nacht des 5./6. Septembers 1943 nahezu komplett zerstört und nach dem zweiten Weltkrieg letztendlich abgerissen. Nach Kriegsende wurde lange Jahre um eine Neukonzeption des Quadrats gerungen. Doch das ist eine andere Geschichte.
Neubau eines Rathauses in E5
Schon im Jahre 1936 plante die Stadt den Neubau eines Technischen Rathauses. Es soll am westlichen Ende der Planken – im Quadrat E5 – entstehen.
Das östliche und das westliche Ende der Planken haben städtebaulich eins gemeinsam: Hier verengt sich die Hauptachse der Mannheimer Innenstadt, indem die Baublöcke nach vorn versetzt wurden. Während des westlichen Plankendurchbruchs im Jahre 1936 wurde das Quadrat E5 bis auf die Grundmauern abgerissen.
Die Stadt entschied, beim Neubau des Technischen Rathauses auf die traditionelle Blockrandbebauung zu verzichten. Stattdessen entstand ein H-förmiger Grundriss – es ist nicht belegt, ob dies auf den Namen „Hitler“ zurückzuführen ist. Die Planungen übernahmen der Leiter des städtischen Hochbauamtes Josef Zizler und der Architekt, Städteplaner und Professor an der TU München Adolf Abel.
Es entstand ein monumentales neues Rathausgebäude im Stil der Repräsentationsarchitektur des NS-Regimes. 1939 war der Rohbau beendet und im Jahre 1941 mussten die Bauarbeiten kriegsbedingt eingestellt werden. Wie das Kaufhaus in N1 wurde auch das neue Technische Rathaus während des zweiten Weltkrieges schwer beschädigt.
Die Bauarbeiten am noch nicht fertigstellte Rathaus wurden 1949 wieder aufgenommen – der Haupteingang wurde vom östlichen Seitenhof an die Plankenfront verlegt und auf einen Glockenturm verzichtet.
Seit der Fertigstellung 1951 ist das Rathaus in E5 nun der Sitz des Oberbürgermeisters und der städtischen Hauptverwaltung. Es gibt Stimmen, die den damaligen Wiederaufbau kritisch betrachten. Das Rathaus sei „ohne kritische Distanz zum ideologischen Gehalt der Architektur“ wiederaufgebaut worden.
Nutzungsmöglichkeiten
Die Räume des Rathauses dienen als Büros, Sitzungsräume, Poststelle, Druckerei, Kantine, Parteienbüros, Empfänge. Es finden Veranstaltungen und Ausstellungen in den Fluren statt.
Erreichbarkeit
Das Rathaus ist mit den Straßenbahnen des RNV (1, 2, 6) gut erreichbar. In unmittelbarer Nähe befindet sich eine Tiefgerage in D5.
Zugänglichkeit
Das Rathaus in E5 ist barrierefrei.
Quellen: Mannheim und seine Bauten 1907 – 2007 – Ämter und Behörden von Andreas Schenk; Mannheim und seine Bauten 1907 – 2007 – Ämter und Behörden von Andreas Schenk; Stadtpunkte – Mannheimer Geschichte vor Ort
Jedes Bauwerk erzählt seine eigene Geschichte, voller bemerkenswerter Wendungen und spannender Details. Darum portraitieren wir in lockerer Folge die Rathäuser der Region, die für jeden Ort identitätsstiftend sind.
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