Schriesheim/Rhein-Neckar, 02. August 2013. (red/Fotos:local4u) Hunderte Bürger/innen wollten selbst Zeugen werden, dass der Branich tatsächlich durchstochen wird und der „Rohbau-Tunnel“ somit Wirklichkeit geworden ist. An der östlichen Einfahrt zum künftigen Tunnel der L536 künftig nicht mehr durch Schriesheim, sondern unterm „Branich“ durch, versammelte sich eine große Menge, andere stellen sich seitlich der Einfahrt, um von oben einen guten Blick zu haben. Politiker und Baubeteiligte strahlten bei glühender Hitze um die Wette. Als ein Baggerfahrer den Tunnel kurz vor 15:00 Uhr durchsticht, brandet jubelnder Applaus auf.
Von Hardy Prothmann
Der 01. August 2013 geht in die Geschichte Schriesheims ein. Der Brannichtunnel durchbohrt nun auf 1.796 Metern den Branich oberhalb des Schriesheimer Ortskerns. Dieses zur Zeit größte und teuerste Straßenbauprojekt in Baden-Württemberg mit einem Volumen von 85 Millionen Euro wird Schriesheim nachhaltig verändern.
Bürgermeister Hansjörg Höfer sagte:
Der Tunnel ist ein Meilenstein für die Stadt. Die Belastung der Anwohner der Talstraße wird sich merklich verkleinern, die Atmosphäre wird sich positiv verändern. Das wird für Schriesheim ein neues Lebensgefühl bringen. Da bin ich mir sehr sicher.
Rund 15-20.000 Autos täglich quälen die Menschen entlang der Talstraße, die sich durch Schriesheim zieht, eng ist und einen enormen Verkehr verkraften muss, dem sie schon lang nicht mehr gewachsen ist. Vor gut 60 Jahren entstanden die ersten Überlegungen, die Gemeinde mit einer Umgehung zu entlasten.
2016 soll der Verkehr rollen
Am 01. Februar 2012 war es soweit. Der Tunnel wurde feierlich angestochen – am 01. August 2013, also genau eineinhalb Jahre später ist der bis zu 280 Hohe Branich nun durchstochen. Es ist der dritte Bauabschnitt. Und noch längst ist die Befahrbeitkeit des Tunnels nicht in Sicht.
Bis Ende 2015 werden sich die Arbeiten mindestens hinziehen, sagt Bürgermeister Höfer:
Ich hoffe sehr, dass dann Anfang 2016 die ersten Fahrzeuge den dann für den Verkehr freigegebenen Tunnel passieren können.
Es dauert also mindestens noch zweieinhalb Jahre, bis es soweit ist. Rund sechs Jahre werden die Bauarbeiten für die Umfahrung dann gedauert haben. Wenn die ersten Fahrzeuge durch den Branich fahren, werden die Schriesheimer dankbar sein. Die auf dem Branich, die die vielen Sprengungen ertragen mussten, die an der Talstraße, die bis zu 75 Prozent Verkehrsentlastung erwarten dürfen. Und nicht nur Schriesheimer, sondern alle Menschen aus dem Odenwald und die in der Ebene vor der Bergstraße, die sich bislang durch Schriesheim quälen mussten und nun eine freie Fahrt haben werden.
Bislang keine Unfälle – alles im Plan
Die beste Nachricht für die Bergleute und sonstigen Baubeteiligten betonte Dr. Gisela Splett (Bündnis90/Die Grünen), Staatssekretärin im Verkehrsministerium: Es gab keine nennenswerten Arbeitsunfälle. (Anders als beim Bau des Fluchtstollens im Saukopftunnel – dort musste der Tod eines Arbeits beklagt werden.)
Tunnelpatin Birgit Ibach-Höfer, die Frau des Bürgermeisters, lobte ihre „Paten“ als „psychisch gefestigte Menschen“, deren Arbeit unter Tage nur bei künstlichem Licht gemacht werde:
Ich habe viel gelernt und dieses Projekt sehr gerne begleitet.
Natürlich lassen sich Vertreter aus Politik und Verwaltung einen solchen Tag nicht entgegen, wenn sie nicht in Urlaub sind. Die Vizepräsidentin des Regierungspräsidiums Karlsruhe, Gabriele Mühlstädt-Grimm, trat als erste Rednerin auf, freute sich über die vielen Besucher, Frau Dr. Splett fasste ebenso wie Bürgermeister Höfer Aspekte des Tunnelbaus zusammen. Landrat Stefan Dallinger (CDU) war ebenso anwesend wie der Landtagsabgeordnete Georg Wacker (CDU) und der Bundestagsabgeordnete Dr. Karl A. Lamers (CDU) sowie einige Stadträt/innen verschiedener Fraktionen.
Politische Geschichte des Branichtunnels
Der Planfeststellungsbeschluss für den „Bau einer Umfahrung von Schriesheim im Zuge der L 536 mit Branichtunnel“ vom 04. Oktober 2004 ist seit dem 16.März 2006 bestandskräftig – der Spatenstich für das Gesamtprojekt erfolgte jedoch erst am 17. November 2008 durch den früheren Innenminister Heribert Rech (CDU). Hatte die alte CDU-Regierung immer 63 Millionen Euro Baukosten veranschlagt, war der Schock groß, als daraus plötzlich 85 Millionen Euro Gesamtkosten für den Tunnel (58 Millionen Euro) und die insgesamt 3,3 Kilometer lange Ortsumfahrung wurden – und das nach einem Kassensturz, der viele „schwarze Löcher“ der alten CDU-FDP-Regierung zu Tage förderte:
Wir haben seit Regierungsübernahme keinen Spatenstich im Land gemacht,
sagte Dr. Gisela Splett auf unsere Anfrage. Andere Projekte wie eine zweite Neckarbrücke oder die Ortsumfahrung Heddesheim liegen nicht auf Eis, können aber derzeit nicht finanziert werden.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Georg Wacker kreidete den Grünen immer an, die wollten den Tunnel nicht – wie bitter muss das für ihn sein, dass unter denen Regierung nun der symbolische Durchstich fällt. Und nicht nur das: Die leeren Kassen, die gestiegen Kosten – alles keine guten Erkenntnisse über die schwarze Regierungszeit. Der Vorwurf von Wacker an die Grünen, die hätten 20 Jahre nichts für den Tunnel getan ist angesichts einer „60-jährigen“ Entwicklungsgeschichte unter der CDU, lange bevor es die Grünen gab, irgendwie peinlich.
Doch, was soll’s. Am 01. August war kein Tag der Abrechung und des politischen Durchstechens, sondern der Freude und des Ausblicks auf eine gute Zeit:
Ich rechne damit, dass sich der Verkehr auf der Talstraße auf 5.000 Fahrzeuge täglich, also überwiegend die Anwohner, reduziert. Das schafft einen neuen Wohnwert,
sagte Bürgermeister Höfer auf Anfrage.
Natürlich gibt es parallel viel zu tun. Denn die Befürchtungen, dass man an Schriesheim vorbeifährt, werden ernst genommen. Es wird also Konzepte brauchen, wie der neue Wohnwert auch mit einer lebendigen Ortsmitte korrespondiert, wie man Menschen in die Stadt holt.
Service:
Informationen des Regierungspräsidiums
Information der Stadt Schriesheim
Eine Fotostrecke mit Impressionen des Durchstichs finden Sie auf dem Schriesheimblog.