Mannheim, 02. Juli 2015. (red) Aktualisiert. Der Mannheimer Morgen tut es. Der Bundestagsabgeordnete Stefan Rebmann (SPD) und andere tun es. Sie laden auf Facebook und anderen Social Media-Plattformen den Flyer einer anonymen Person hoch, die Geld für Schulen bei einer höheren Wahlbeteiligung in der Neckarstadt-West verspricht. Bis zu 12.000 Euro will die anonyme Person spenden, sollte die Wahlbeteiligung auf über 30 Prozent liegen. Möglicherweise liegt hier ein Straftatbestand vor, der die Oberbürgermeister-Wahl im ungünstigten Fall auch anfechtbar machen könnte und bei der sich auch die „Verteiler“ strafbar machen.
Von Hardy Prothmann
In § 108b Strafgesetzbuch ist geregelt:
Versuchte Wählerbestechung?
Damit ist Wählerbestechung gemeint – eine strafbare Beeinflussung von Wahlen. Und zwar sowohl durch den oder die Personen, die Vorteile versprechen, wie die, die diese annehmen und eventuell für die, die solche Vorteilnahmen verbreiten.
Aktualisiert, 03. Juli 14:44 Uhr, mittlerweile hat Herr Rebmann das Posting mit dem Foto gelöscht.
Der SPD-Abgeordnete Stefan Rebmann hat den Flyer über eine Facebook-Seite geteilt, das ergibt eine Diskussion, schließlich kommentiert Herr Rebmann:
Leute jetzt wirklich mal nicht gleich das HB-Männchen machen. Ich habe das auch gesehen und kann es nicht so ganz glauben was da steht. Gleichzeitig kann ich aber auch nicht erkennen das über ein Appell an die Wahlbürger sich an der Wahl zu beteiligen hinaus irgend eine Wahlwerbung oder gar Empfehlung für den einen oder anderen Kandidaten gemacht wird. Es wird appelliert zur Wahl zu gehen und wenn dies genügend täten stellt der Urheber oder Urheberin des Blattes eine Spende für die Schulen der Neckarstadt in den Raum und als Messgröße wird lediglich die Wahlbeteiligung angegeben, also nicht wer gewählt wird. Ob mit einer solchen Aktion der Politikverdrossenheit und der Wahlverweigerung entgegen gewirkt werden kann bezweifle ich.
Zweifel darf man an der Rechtsauffassung von Herrn Rebmann haben. Das Strafgesetzbauch definiert „daß er nicht oder in einem bestimmten Sinne wähle“. Was ist ein „bestimmter Sinn“? Muss damit eine konkrete Person oder eine Partei gemeint sein oder reicht nicht einfach die „Bestimmung“, überhaupt zu wählen? Denn auch die Entscheidung nicht zu wählen, muss frei entschieden werden können.
Ärger für die CDU in Karlsruhe
In Karlsruhe hat eine solche Aktion im vergangenen Jahr bei der Kommunalwahl für massiven Ärger gesorgt, wie das Internetportal KA-News berichtete:
Umstrittener Wahlkampf: Der CDU-Ortsverein Stupferich wollte für jede abgegebene Stimme 20 Cent an Vereine spenden. Doch die Aktion hat ein Geschmäckle. Ist das schon Wählerbestechung? Oberbürgermeister Frank Mentrup hat den CDU-Ortsverein nun aufgefordert, die umstrittenen Plakate „unverzüglich zu entfernen“. Eine mögliche Anfechtung der Kommunalwahl soll so vermieden werden. Der CDU-Ortsverein betont, man habe es nur gut gemeint.
„Nur gut gemeint“, kann nach hinten losgehen. Offenbar hat der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) eine vollkommen andere Auffassung als sein Parteikollege Stefan Rebmann. Die Unterschiede: Gegenüber der „anonymen Spendenankündigung“ von einem Euro, gab es in Karlsruhe einen klaren Absender, die CDU, die aber nur magere 20 Cent anbot. Doch auch dieser angebotene „Vorteil“ reichte, um den Karlsruher OB zu alarmieren.
Auch der Mannheimer Morgen teilte aktuell den Flyer, hier der Screenshot:
Unverantwortliche Weiterverteilung
Die Zeitung handelt unverantwortlich, weil der „Flyer“ auf deren Facebook-Seite ohne jede kritische Einordnung veröffentlicht wird – und die Zeitung hat hier 35.000 „Fans“, worauf sie stolz ist. Die Zeitung kündigt an, man wolle gerne „berichten“ – mit ein wenig Recherche hätte sie zu demselben Ergebnis kommen müssen wie unsere Redaktion: Vor dieser Aktion und vor allem vor der Weiterverteilung muss dringend gewarnt werden.
Wir hatten bereits gestern einen Hinweis erhalten und hatten nach ersten Recherchen zunächst in Zweifel gezogen, ob es sicher hierbei tatsächlich um einen verteilten „Flyer“ handelt, da nur „Grafiken“ in Facebook zu sehen waren. Zudem hatten wir redaktionell entschieden, dass man nicht jeden Blödsinn im Wahlkampf thematisieren muss.
Nachdem nun die lokale Tageszeitung und selbst ein Bundestagsabgeordneter die „frohe Botschaft“ ohne kritische Einordnung verbreiten, haben wir uns anders entschieden.
In unserer Wahl-Analyse hatten wir geschrieben:
Hier gibt der Blick auf die “innerstädtischen” Bezirke Aufschluss: Dr. Kurz gewinnt die Neckarstadt-West mit 60,45 Prozent. Ein “Super-Ergebnis”? Beileibe nicht. Obwohl es mit 12.996 Wählern rund 26 Prozent mehr Wähler als 2007 gibt, verliert er 61 Wähler gegenüber 2007 und gewinnt doch knapp 6 Prozentpunkte hinzu. Die Wahlbeteiligung sinkt hier von katastrophalen 21,58 Prozent auf desaströse 14,6 Prozent. Trotz vermeintlichem “Gewinn” ist das real und im Verhältnis ein absoluter Verlust.
Die vermutlich illegale Spendenaktion wird dementsprechend von einem Facebook-Nutzer auf der Seite des Mannheimer Morgen kommentiert – die Zeitung kann also nicht behaupten, dass sie keine Hinweise auf mögliche „Probleme“ erhalten habe:
Ich kennen mich da natürlich nicht wirklich aus, hatte aber einen ähnlichen Gedanken. Es wird den Leuten ja kein Geld persönlich versprochen für die Stimmabgabe, aber wenn man weiss, dass die Stimmen der Neckarstadt-West mit Sicherheit größtenteils derSPD, bzw. Dr. Kurz zufliessen würden, dann geht dieses Flugblatt schon etwas in diese Richtung. Eigentlich ein Skandal, finde ich. Sowas kennt man bisher nur aus irgendwelchen Bananenrepubliken.
Auch ohne Nachfrage gehen wir davon aus, dass der Amtsinhaber keine Unterstützung dieser Art gut heißen würde.
Herr Rebmann und andere mögen einwerfen, es werde ja keine „bestimmte“ Wahlempfehlung gegeben – nur was, wenn im Einzugsbereich der genannten Schulen plötzlich die Wahlbeteiligung in die Höhe schießen würde? Dann wäre der „Vorteil“ klar erkennbar und die Wählerbestechung ableitbar.
Die Nervosität steigt und hinter den Kulissen passieren viele Dinge, die mitunter „unappetitlich“ sind. Unsere Leser/innen können versichert sein, dass wir trotzdem einen kühlen Kopf bewahren und das tun, was man von uns erwartet: Ordentliche Recherche, Faktencheck und eine analytische Einordnung.
Am kommenden Sonntag ist Oberbürgermeisterwahl in Mannheim. Beim ersten Wahlgang konnte keiner der vier Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen. Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz (SPD) erreichte 46,78 Prozent, Peter Rosenberger (CDU) erreichte 33,83 Prozent, Christopher Probst (ML) erreichte 15,94 Prozent und Christian Sommer (Die Partei) erreichte 3,3 Prozent. Am Sonntag stehen die Herrn Dr. Kurz, Rosenberger, Sommer erneut zu Wahl. Die Wahlbeteiligung insgesamt lag bei 30,7 Prozent.
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Anm. d. Red.: Von Kommentaren nach der Art „Sie verteilen den Flyer doch selbst“ bitten wir abzusehen. Wir „verteilen“ nicht, sondern weisen eindeutig auf einen möglichen Straftatbestand hin, wenn dieser Flyer ohne entsprechende Einordnung in Umlauf gebracht wird.