Mannheim, 01. August 2017. (cr/red) Schnelle Signale für die Neckarstadt-West durch viele kleine und mittlere kurzfristige Maßnahmen – das ist die Idee hinter einer neuen Steuerungsgruppe der Stadt. Von der Nutzung der Neckarwiese über die Umgestaltung des Neumarkts bis hin zu Videoüberwachung am Alten Messplatz werden viele Räume und Themen abgedeckt. Manche Maßnahmen laufen bereits, andere sind noch nicht in der konkreten Planung. Verbessern sollen die Projekte vor allem das subjektive Lebensgefühl der Menschen in diesem Quartier.
Von Christin Rudolph
In der Neckarstadt-West leben die unterschiedlichsten Menschen – Migrantinnen und Migranten von der ersten Generation an, Studierende, Alteingesessene und Menschen aus Osteuropa.
Hinter den alten Jugendstil-Fassaden findet sich ein Mischung von Wohnen, Arbeiten, Kultur, Gewerbe und Freizeit.
Die Neckarstadt-West ist dicht bebaut. Es gibt kaum öffentliche Grünflächen und Parkplätze. Es ist laut und das Klima ist schlecht. Sauberkeit im öffentlichen raum oder anders herum „Vermüllung“ ist ein Dauerthema.
Schwieriges Quartier
Bei allem Planungen für das Neckarufer muss das Hochwasserrisiko einberechnet werden. All das ist nicht neu. Anfang des Jahres war die Neckarstadt-West in einer Talkshow als No-Go-Area dargestellt worden.
Doch im Rahmen der sogenannten Sicherheitsinitiative 2017 hat Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz den Prozess „Lokale Stadterneuerung“, kurz LOS, angestoßen.
Dazu gehören ein Gutachten, Mittel für beispielhafte Maßnahmen und eine Steuerungsgruppe. Eine erste Bilanz wurde am vergangenen Montag bei einem Pressegespräch auf dem Neumarkt gezogen.
Öffentliche Einrichtungen stärken
Das Gutachten wurde durch den ehemaligen Konversionsbeauftragten Dr. Hummel erstellt, der nunmehr als Berater fungiert. Als Probleme wurden hier unter anderem fehlende Ganztagesstrukturen für Kinder und Armut der osteuropäischen Zuwanderer und Zuwandererinnen genannt.
Dr. Hummel sagte, er habe versucht, „die Menschen mitzudenken“ und mit Akteuren des Stadtteils ins Gespräch zu kommen. Da die Bevölkerung der Neckarstadt-West eine „extreme Mischung“ sei, gelte es hier ganz besonders öffentliche Einrichtungen aufzuwerten. Denn die würden Toleranz fördern.
Ein weiteres Thema seien Sportvereine. Denn die seien alle bislang „Notlösungen“. Hier müssten langfristige Lösungen her, sowohl strukturell als auch baulich. Außerdem sollten Neumarkt und Neckarwiesen besser genutzt werden.
Neue Steuerungsgruppe
Mit den Ergebnissen des Gutachtens arbeitet seit März eine Steuerungsgruppe, bestehend aus Verwaltung, der mg:gmbh, dem Quartiermanager Gabriel Höfle und GBG-Geschäftsführer Karl-Heinz Frings.
Jeden Monat beraten sie unter der Leitung von Petar Drakul, dem persönlichen Referenten des Oberbürgermeisters, und Achim Judt, dem Geschäftsführer der MWSP. Externer Berater ist Dr. Hummel.
Erklärte Ziele sind die Verbesserung der Sauberkeits- und der Bildungssituation sowie „erhebliche Raum- Verkehrs- und Liegenschaftsplanungen“.
Das Gefühl entscheidet
Im Gespräch machte Herr Judt den Zusammenhang der Ziele klar: Man wolle beim subjektiven Empfinden ansetzen und dafür sorgen, dass sich Menschen im öffentlichen Raum wieder wohler fühlen.
So sei beispielsweise die Kriminalitätsrate in der Neckarstadt nicht höher als in den anderen Stadtteilen Mannheims. Das spiegele sich aber im Empfinden der Menschen nicht wider.
Zentrale Projekte wie etwa Beleuchtung im Neckarvorland oder Maßnahmen in der Mittelstraße könnten hier helfen.
Verschiedene Projektstadien
Aktuell wird an einem barrierefreien Abgang zwischen der Alphornstraße und der Diesterwegstraße gearbeitet. Zusätzliche Mittel für Beleuchtung wurden vom Gemeinderat im Juli genehmigt.
In der Dammstraße soll die Parkierung neu geregelt werden. Die GBG will das Sparkassen-Gebäude in der Mittelstraße kaufen, um dort möglicherweise Bürgerdienste und Stadtbibliothek gemeinsam unterzubringen.
Verhandlungen mit Eigentümern weiterer Gebäude laufen. Man wolle punktuell proaktiv aufwerten, so Oberbürgermeister Dr. Kurz.
Fortschritt bei Neckarwiese noch 2017
Das Thema Neckarwiese, bereits im Gutachten angesprochen, ist nicht neu.
Das Quartiersmanagement hat bereits mit Bürgerinnen und Bürgern Wünsche erarbeitet: Eine Kinderwelt in Verlängerung zum Spielplatz in der Dammstraße, Sport und Bewegung, Natur und Bildung sowie Erholung und Entspannung in einer Oase der Ruhe an der Flachwasserzone, ein gezielt ausgewiesener Bereich für Hundebesitzer, ein Strand, Grillmöglichkeiten, Street-Art und Musik.
Zudem soll die zum Alten Messplatz zugehörige Liegewiese inklusive der Gastronomie erhalten werden.
Noch in diesem Jahr sollen diese Ideen fachlich bewertet und eingeordnet werden, so die Mitteilung der Stadt. Außerdem sollen die Wiesen mit Sport-Trimmgeräten ausgestattet werden. Die Finanzierung dafür ist über Sponsoren geplant.
Neumarkt soll umgestaltet werden
Weniger konkret sind die Planungen für den Neumarkt. Immer wieder gab es Maßnahmen zur Aufwertung, wie etwa den Bücherschrank oder den Kulturkiosk , der seit Anfang Juli als dauerhaftes Projekt geöffnet ist. Nun soll die Verkehrssituation und auch Verkehrsberuhigungen überprüft werden.
Dabei werden teilweise alte Ideen wieder diskutiert, wie etwa die Frage einer Quartiersgarage. Es werde „eine Art kleinen kreativen Wettbewerb“ geben.
Die Steuerungsgruppe will über die MWSP eine Mehrfachbeauftragung für die Umgestaltung des Platzes in Abstimmung mit den Fachbereich Stadtplanung und Grünflächenamt durchführen.
Kontrollen in der Neckarstadt-West
Diese und weitere kleinere bauliche Maßnahmen werden ergänzt von Maßnahmen des Bereichs Sicherheit und Ordnung.
Seit Arbeitsbeginn der Steuerungsgruppe fanden Schwerpunktkontrollen in der Gastronomie und bei illegalen Wetteinrichtungen in der Neckarstadt-West statt.
Die KOD-Einsatzzeiten wurden verlängert. Geplant sind Kontrollen geparkter Fahrzeuge und ein Konzept zu Videoüberwachung auf dem alten Messplatz zur Vorlage im Gemeinderat.
Finanzen kaum Thema
Zu Beginn des Pressegesprächs hatte Oberbürgermeister Dr. Kurz betont, man brauche schnelle Signale für die Neckarstadt. Es helfe wenig, noch einen weiteren aufwendigen Planungsprozess anzustoßen und auf den nächste Haushalt warten zu müssen.
Gefragt seien kurzfristige Ideen oder Ergänzungen zu bestehenden Projekten wie die Beleuchtung des Neckarvorlands.
Bei den meisten Projekten finden sich diese Gedanken wieder – sie werden aus Mitteln des laufenden Haushalts finanziert. Hauptsächlich wird auf kleine und mittlere Projekte gesetzt, von denen man mehrere durchführen kann.
Wird Sanierungsgebiet beschlossen?
Bei diesem Konzept fällt ein Thema der Steuerungsgruppe aus dem Rahmen – die „städtischen Zugriffsrechte“.
Der Gemeinderat hat im Juli „Vorbereitenden Untersuchungen“ zugestimmt, um aus der Neckarstadt ein Sanierungsgebiet zu machen.
Ein Abschlussbericht wird für Herbst 2018 erwartet, eine abschließende politische Entscheidung Anfang 2019. Fällt die positiv aus, kann die Stadt ein Vorkaufsrecht erhalten und hat mehr Steuerungsmöglichkeiten.
Erste Bilanz macht gespannt auf zweite
Ein Signal ist der Gemeinderatsbeschluss zwar, aber nicht unbedingt schnell. Mit Akupunktur will Dr. Kurz die „Selbstheilungskräfte“ der Neckarstadt-West aktivieren.
Inwieweit das gelingt, wird sich vermutlich kurzfristig nur schwer beurteilen lassen.
Spannend bleiben vor allem die Themenfelder, zu denen die Steuerungsgruppe bisher noch wenig Konkretes vorgelegt hat, etwa Schulen und Ganztagesbetreuung.