Mannheim, 02. September 2014. (red/ld/Fotos: Carolin Beez) Mit der Stadtentwässerung ging es am Montag in die Mannheimer Unterwelt. Am Fremdeinstieg in F1 trafen sich zwischen 10:00 und 14:00 Uhr zahlreiche Besucher zur seltenen Gelegenheit, die Kanalisation der Stadt zu besichtigen.

Andreas H. erklärt den Besuchern, wie der Abwasserkanal
funktioniert.
Von Lydia Dartsch
Man könnte glauben, das Loch vor der Apotheke in F1 war gestern noch nicht da. Doch tatsächlich existiert es seit 1890 – dem Jahr, als die Stadt ihre Kanalisation bekam. Man erkennt es nur an dem metallenen Sechseck auf dem Boden der Breiten Straße. Zweimal im Jahr öffnet die Stadtentwässerung diesen Fremdeinstieg, um den Bürger/innen einen Einblick zu geben, wie es unter ihnen aussieht und wo der Weg der Klospülung endet.
„Der Fremdeinstieg wurde gebaut, um den Bürger/innen zu zeigen, wozu man die Kanalisation braucht“, sagt Andreas H. von der Stadtentwässerung, der die Gruppe in die Unterwelt führt. Die Menschen damals seien sehr skeptisch darüber gewesen, wozu man einen Abwasserkanal braucht. „Der Bau hat damals ein riesen Loch in den Haushalt gerissen“, sagt Herr H.. Zu dieser Zeit seien Exkremente und Abwässer in Sickergruben gesammelt und mit Pferdekarren weggebracht worden, sagt er. Nicht gerade hygienisch.
Modriger Geruch, aber auszuhalten

Mit der Stadtentwässerung geht es in F1 in die Tiefe.
Mit Herrn H. geht es eine enge Wendeltreppe hinab. Zwei Meter in die Tiefe. Die Wände sind gemauert und mit jedem Schritt erwartet man den beißenden Geruch, den man sich bei Abwasser vorstellt – und wird enttäuscht. Gerade angenehm riecht es zwar nicht: Es modert. Aber es ist auszuhalten. Die Luft ist sehr feucht. Den Brillenträgern beschlagen die Gläser.
Der Kanal liegt kurz hinter dem Einstieg, noch einmal zwei Meter tiefer. Er ist nicht gerade voll, fließt gemächlich vor sich hin. Bei gutem Wetter fließen hier 20 Liter Abwasser in der Sekunde in Richtung Neckar, wo es in vier Rohren unter dem Fluss in Richtung Neckarstadt und schließlich ins Klärwerk nach Sandhofen geleitet wird. Bei Regenwetter könnte man an dem Sichtpunkt nicht mehr stehen. Das Wasser kommt zu drei Vierteln aus den Abflüssen und Kloschüsseln der Mannheimer Innenstadt, sagt Herr H..
Drei Viertel der Innenstadtabflüsse endet hier

Gerade pumpt irgendwo eine Waschmaschine Lauge ab. Schaum schwimmt auf dem Abwasser.
Immer wieder hört man es über sich ein Grollen, wenn die Straßenbahn über den Kanal hinwegdonnert. Derweil hört man es gleichmäßig plätschern. Während Herr H. erzählt, wie die Stadtentwässerung arbeitet, wird das Plätschern stärker und Schaum schwimmt auf dem Kanal: Eine Waschmaschine pumpt gerade die Lauge ab. Kurz darauf wird es beißend – wohl eine Klospülung. Doch das verfliegt.
Insgesamt 881 Kilometer Kanalisation liegen unter der Stadt Mannheim, sagt Herr H.. Die müsse ständig gereinigt und ausgebessert werden: „Ein großer Bestandteil des Abwassers sind Sedimente. Die werden mit Druckwasser aufgewirbelt und die Kanäle gereinigt“, sagt er. Gleichzeitig würden mit einer Videokamera Aufzeichnungen der Kanalwände gemacht, um etwaige Risse und Schäden zu finden.
Kanalreinigung früher und heute

Kanalreinigung: Heute erledigt das ein unbemannter Reinigungsschlitten.
„Ich bin damals noch selbst durch die Kanäle gekrochen“, meldet sich Adolf Störtz zu Wort. Der 79-Jährige hat rund 20 Jahre lang bei der Stadtentwässerung gearbeitet, bis er im Jahr 1994 in Rente ging. „Ich hab die Arbeit gerne gemacht“, sagt er und berichtet davon, wie er und seine Kollegen in den 1970’er Jahren die Kanäle per Hand mit Bürsten gereinigt und überwacht hatten: „Ich habe einige Schäden und Risse entdeckt“, sagt er stolz.
Eine gefährliche Aufgabe sei das gewesen, sagt Herr H. und zeigt sein Gasometer. Wenn Ablagerungen längere Zeit stehen, fange es an zu gären, sagt er. Dabei entstehen Methangas und Schwefelwasserstoff: „Wenn es stinkt, ist es noch gut. Dann nichts wie raus.“ Dann schlägt das Gasmessgerät an, das die Stadtentwässerer dabei haben, wenn sie doch mal in einen Kanal müssen.
„Nichts wie raus!“
„Nichts wie raus“, heißt es für einige Besucher nach knapp einer halben Stunde. Sie halten den Geruch und die feuchte Luft nicht mehr aus. Eine Frau hält sich ein Taschentuch vor die Nase. Der Geruch sei nicht so schlimm, sagt Andreas H. beim Ausstieg: „Kommt immer drauf an, was gerade durchläuft.“
Etwa zweimal im Jahr öffnet die Stadtentwässerung den Fremdeinstieg in F1. Die nächste Gelegenheit wird es zum Tag des Denkmals am 14. September geben.

Noch eine Reinigungsmethode: Mit der Kurbel wurde früher eine Klappe geschlossen, um Abwasser anzustauen. Beim Öffnen der Klappe riss der Wasserstrom Ablagerungen mit sich.

Auf der anderen Straßenseite ist der Gulli geöffnet, um Licht und Luft nach unten zu lassen.

Keine Zuflüsse in den Kanal, sondern Lichtschächte. „Als der Einstieg 1890 gebaut wurde, gab es noch keinen Strom“, sagt Andreas H..

Ein schmaler Gang führt vom Kanal zurück zum Ausstieg.

Bei der Stadtentwässerung herrschte am Montag ein reger Andrang.