Mannheim, 01. Februar 2017. Die krasse Bilanz: 70 Prozent der heute kontrollierten Kleinlastwagen wurden von der Polizei bemängelt. Die Verkehrskontrolle zeigt, wie notwendig die Überwachung insbesondere der „Zulieferbranche“ ist. Die Polizei kündigt weitere Kontrollen und definiert diese als „Schwerpunktarbeit“.
Von Moritz Bayer
Ich habe einfach versucht, alles irgendwie unter zu kriegen,
sagt der Fahrer des Kleintransporters eines bekannten Paketlieferdienstes der Polizei und zuckt mit den Schultern. Die Beamten gucken ernst:
Stellen Sie sich nur mal vor, wie instabil das ganze Konstrukt wird, wenn die nächsten zwei Pakete, die Sie ausliefern, von unten kommen,
sagt eine Verkehrspolizistin. Diese Szene wird sich heute mehrere Dutzend Mal wiederholen, denn über zwei Drittel aller Fahrzeuge werden am Ende der Kontrolle beanstandet sein.
Auf die Firmen warten womöglich Geldstrafen, beispielsweise wegen gravierender Verstöße gegen die Ladungssicherheit können auch Punkte im Verkehrsregister in Flensburg für die Fahrer zur Folge haben.
„Greifer“ im Einsatz

Per Waage wird gecheckt, ob ein Fahrzeug überladen ist – ist das der Fall, geht es zum TÜV, wo gerichtsfest gewogen wird.
Es geht geschäftig zu bei der Groß-Kontrolle der Verkehrspolizei Mannheim-Käfertal in Hochuferstraße. Von morgens um 06.30 Uhr bis etwa 11:00 Uhr holen „Greifer“ diesmal Kleintransporter in einem Umkreis von einigen Kilometern aus dem Verkehr und eskortieren sie zur Kontrolle. Heute sind drei „Greifer“ im Einsatz, zwei Männer, eine Frau – Motorradfahrer der Verkehrspolizei.
Dort warten die Kollegen: 23 Beamte von Verkehrspolizei, Autobahnpolizei, Wasserschutzpolizei, acht Zollbeamte sowie Mitarbeiter des Gewerbeaufsichtsamtes aus Heidelberg und Mannheim.
Schon bei den ersten, oberflächlichen Überprüfungen stellten die Beamten teils erhebliche Mängel fest. Von mangelhafter Ladungs- oder Gefahrgutsicherung, über technische Mängel am Fahrzeug selbst, bis hin zu Fahren ohne Fahrerlaubnis ist alles dabei. Der Zoll kontrolliert vor allem wegen möglicher Schwarzarbeit. Beispielsweise fährt in einem Fahrzeug angeblich ein Bekannter als Beifahrer mit, versichert der Fahrer den Beamten, die ihm kein Wort glauben.
Bei einer nächsten Kontrolle entdecken die Polizisten ein als gestohlen gemeldetes Arbeitsgerät.
Kleintransporter fallen hier leider sehr oft negativ auf. Da werden Kilometer um Kilometer geschrubbt, ohne das Fahrzeug zwischendrin auch nur einmal zu warten. Das machen die Fahrzeuge nicht länger als ein zwei Jahre mit,
erklärte der Polizeihauptkommissar Holger Kretz, Leiter der Gruppe Verkehrsüberwachung und heute auch Einsatzleiter.
Die Vielzahl der technischen Mängel macht der Polizei erhebliche Sorgen. Doch das ist nicht alles. Diese Kategorie von Nutzfahrzeugen (ohne Anhänger) können mit einem normalen Pkw-Führerschein Klasse B gefahren werden. Häufig werden eigentlich als Personenfahrzeuge genutzte private Wagen nach entsprechender Abnutzung billig an Sub-Unternehmer verkauft, die sich die „Sprinter“ dann notdürftig für den Einsatz als Kleintransporter umrüsten.

Holger Kretz (links) mit einem der „Greifer“.
Problem „Sub-Unternehmer“
Reparaturen werden – wenn überhaupt – notdürftig durchgeführt und kaschieren vorhandene Mängel eher, als diese zu beheben. Überladene Fahrzeuge belasten die Bremsen deutlich mehr als vorgesehen, zumal deren Qualität nicht an die eines Lkws heran reicht. So schauen die Beamten routinemäßig die Bremsbeläge und den Unterboden jedes Kleintransporters an und eskortierten Verdachtsfälle per Motorrad zum TÜV, wo eine gerichtlich verwertbare Prüfung stattfindet.

Ein Beamter checkt mit Taschenlampe den Unterboden.
Eine erste Kontrolle findet bei der Polizei statt – hier ist eine Wage in den Boden eingelassen. Besteht der Verdacht, dass ein Fahrzeug überladen ist, geht es ebenfalls zum TÜV.
Woran erkennen die „Greifer“ ihre „Beute“? Einer der Motorradpolizisten sagt:
Wenn man lange genug im „Außendienst“ ist, sagt einem die Erfahrung, wer möglicherweise kontrolliert werden sollte. Klar ist auch: Bei größeren Unternehmen ist die Trefferquote geringer, hier werden die Fahrzeuge meist ordentlich gewartet und auch der Lieferverkehr überwacht. Je kleiner das Unternehmen, umso eher haben wir einen Treffer.
Die Bilanz der heutigen Kontrolle ist erschreckend: Die Beanstandungsquote beträgt satte 70 Prozent. Das zeigt, wie wichtig diese Kontrollen sind.
Einsatzleiter Holger Kretz spricht von „einem Tropfen auf den heißen Stein“, was die Wirkung solcherlei Kontrollen angehe. Denn leider scheinen viele Delinquenten kaum Konsequenzen zu ziehen, sondern planten diese in ihren internen Berechnungen gegenüber der Ersparnis aus Zeit und weniger Sicherheitsvorkehrungen fast mit ein.
Polizeidirektor Dieter Schäfer sagt auf Anfrage:
Die Erfahrung der vergangenen zwei Jahre zeigt die Notwendigkeit dieser Kontrollen. Das wird auch dieses Jahr ein Schwerpunkt sein. Das Problem der „Sprinter“-Klasse ist, dass hier viele Sub-Unternehmer von Einsatz zu Einsatz hetzen, um irgendwie über die Runden zu kommen. Das ist der Druck der „Marktwirtschaft“.

Sicherheit geht vor Schnelligkeit, musste ein Paketlieferant am eigenen Leib erfahren.
Krasse Bilanz
18 von 26 kontrollierten Fahrzeugen wiesen Mängel auf oder wurden wegen anderer Verstöße beanstandet, in sechs Fällen musste die Weiterfahrt untersagt werden. Insgesamt stellten die Kontrolleure über 50 Ordnungswidrigkeiten und zwei Straftaten fest, teilt Pressesprecher Dieter Klumpp mit. Ein Fahrer hatte für seinen Klein-Lkw mit Anhänger keine gültige Fahrerlaubnis. Der Zoll leitete zwei Strafverfahren wegen illegaler Arbeitsaufnahme ein, hinzu kamen noch mehrere Ordnungswidrigkeiten-Anzeigen wegen Verstöße gegen sozial- oder arbeitsrechtlichen Bestimmungen ein.
Zeitdruck und wenig Geld erzeugen also ein erhebliches Gefahrenpotenzial auf der Straße. Soviel steht fest. Nach unseren Recherchen ist die Polizei hier aber in einem Dilemma: Die krasse „Erfolgsbilanz“ zeigt stichprobenartig, wie viele teils massive Verstöße feststellbar sind.
Noch mehr Kontrollen würden den Druck erheblich erhöhen, so dass die „Einpreisung“ von Bußgeldern zu teuer käme. Dafür braucht man aber mehr Polizeibeamte – und demnächst wird es erstmal weniger davon geben, weil in den kommenden zwei Jahren viele in Pension gehen und durch Nachwuchs freie Stellen nicht komplett besetzt werden können.
Die jungen Polizisten müssen dann erst Erfahrung sammeln, um „den richtigen Riecher“ zu entwickeln. Obwohl nach der heutigen Kontrolle fast sicher scheint, dass selbst Anfänger eine hohe „Erfolgquote“ haben dürften – es sind einfach zu viele Fahrzeuge mit Mängeln auf der Straße.