Schwetzingen, 01. Oktober 2017. (red/pro) Leben wir schon im Erdogan-Land? Ist hierzulande die Hatz auf Journalisten freigegeben? Hass und Häme Standard? Redaktionsleiter Hardy Prothmann hat den Oberbürgermeister angeschrieben. Wir dokumentieren die email.
Anmerkung der Redaktion: Den Hintergrund zu diesem offenen Brief lesen Sie hier: Pöbeln bei Pöltl.
Sehr geehrter Herr Dr. Pöltl,
ich erwarte von Ihnen, dass Sie beleidigende Kommentare auf Ihrem Facebook-Account gegen meine Person löschen, weil Sie sich diese sonst zu eigen machen und ich Sie deswegen abmahnen und verklagen lassen werde.
Ein Post – eine Eskalation. Ein Oberbürgermeister, der nicht eingreift, sondern Hass und Hetze freien Lauf lässt.
Ich habe keine Ahnung, was Sie umtreibt. Sie verhalten sich mit ziemlicher Sicherheit gesetzeswidrig und legen ein Verhalten an den Tag, das für einen Oberbürgermeister einfach nur beschämend ist. Ich hatte bis jetzt wirklich eine gute Meinung von Ihnen, die ist aber nun schwer beschädigt.
Sie fördern mit Ihrem Verhalten eine Kultur des Hasses und der Abwertung. Was ist eigentlich mit Ihnen los?
Ich habe Sie auf eine sehr grundsätzliche Problematik hingewiesen. Natürlich kann ich verstehen, dass Sie einem Ladengeschäft eine gute Zukunft wünschen. Dagegen ist vom Impuls her nichts einzuwenden.
Aber Ihre Umsetzung ist meiner Meinung nach falsch. Sie dürfen das so nicht tun und indem Sie es tun, verstoßen Sie möglicherweise gegen Gesetze nach GG, UWG und LPG.
Weiter beschädigen Sie massiv die freie Medienlandschaft, sowohl Medienschaffende aus dem produzierenden Bereich wie aus dem journalistischen.
Aus Ihrer Sicht mag immer alles schön und positiv sein. Geht in Ordnung. Sie dürfen den „Alles-ist-gut“-Darsteller geben. Meine Aufgabe ist leider undankbarer, weil ich keine PR und keine Werbung mache, sondern Fragen stelle: Ist wirklich alles gut? Dazu suche ich Antworten und nein, ich suche nicht nach der Antwort: „Alles ist schlecht“, sondern offen. Manches ist gut, manches ist schlecht. Warum und wieso lege ich nachvollziehbar dar.
Damit erfülle ich eine ganz wesentliche Aufgabe – die Möglichkeit der Meinungsbildung. Sie, Herr Dr. Pöltl, behindern diese Aufgabe ganz massiv und wie ich aktuell annehmen muss, sogar vorsätzlich.
Das ist sehr, sehr bedauerlich. Insbesondere, weil Sie als Jurist eigentlich ein grundlegendes Verständnis für Pressefreiheit haben sollten – vor dem Hintergrund einer sehr dunklen deutschen Geschichte.
Sie scheinen mir aber vollständig unbeeindruckt davon und lassen massive Beleidigungen auf Ihrem Facebook-Account gegen meine Person zu. Ich bin für Sie kein Fremder. Sie kennen mich als verantwortlichen Journalisten – und trotzdem dürfen irgendwelche Facebook-Nutzer mich als Säufer, Psychopathen und „kleines A….“ kommentieren?
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Dr. Pöltl. Das kann alles irgendwie gar nicht wahr sein. Sagen Sie mir, dass dieser Facebook-Account nicht Ihrer ist, Sie gehackt worden sind. Dass Sie mit diesem Hass, dieser Hetze, diesem absolut miesem Verhalten nichts zu tun haben und zu tun haben wollen.
Nochmal: Ihr Engagement in Ehren. Es ist falsch und nach meiner Meinung gesetzeswidrig.
Sie haben von meiner Seite aus die Möglichkeit, sich darüber vernünftig auszutauschen. Allerdings unter Bedingungen.
Die erste ist: Sie entschuldigen sich und zwar offiziell. Die zweite ist, Sie initiieren eine Gesprächsrunde mit Ihnen und mir und Experten zur Sache. Wie viel Engagement darf sein und wo sind die Grenzen im Wettbewerbs- und Presserecht.
Wenn Sie daran Interesse haben, bin ich gerne mit dabei, diese wirklich sehr wichtigen Fragen zu debattieren, weil sie beispielhaft für alle Gemeinden in Deutschland von Bedeutung sind.
Wenn Sie daran kein Interesse haben, muss ich prüfen, inwieweit ich rechtlich gegen Sie vorgehen kann. Natürlich nicht gegen Sie persönlich, sondern Sie als Oberbürgermeister – Sie müssen ja dafür nicht einstehen, sondern das Land Baden-Württemberg, was Sie schon wieder ganz außerordentlich bevorteilt gegenüber einem kleinen Unternehmer, wie ich einer bin. Denn ich muss das Geld für einen Rechtsstreit irgendwie verdienen, Sie greifen in die Staatskasse.
Also, Herr Dr. Pöltl. Ich bin gespannt auf Ihre Antwort. Tatsächlich kenne ich sie vermutlich bereits. Sie werden nicht antworten. Sie werden den Steuerzahler bezahlen lassen und am Ende ist es egal für Sie – wenn ich nicht gewinnen sollte, werden Sie sich als Gewinner darstellen und wenn ich gewinnen sollte, fällt Ihnen irgendeine Formulierung ein. In beiden Fällen kostet es Sie „persönlich“ kein Geld. Das ist ne solide Basis für Ignoranz.
Sie haben, ganz ohne Not, und da bin ich ehrlich, heute durch Ihr Verhalten, unabhängig von allen weiteren Entwicklungen in der Sache, eine Seite aufgezeigt, die ich nicht erwartet habe.
Über diesen Charakterzug bin ich offen entsetzt.
Ich bin seit 1991 freier Journalist und habe sehr viel erlebt. Was ich mit Ihnen erleben musste, gehört zu den negativsten Erfahrungen meines Berufslebens. Keine Ahnung, ob Sie mit Michael Kessler befreundet sind, aber das würde mich nicht wundern.
Mit freundlichen Grüßen
Hardy Prothmann
Anm. d. Red.: 2012 bei unserem ersten Gespräch waren die Verhältnisse noch anders. Seither gab es keine Eskalation, die uns bekannt ist. Anmerkung. Wir haben in der Vergangenheit technisch umgestellt – offenbar sind die Fotos in diesem Artikel verlustig gegangen. Wir reparieren das so schnell wie möglich.
Aktualisierung: Herr Dr. Pöltl hat mittlerweile einen Teil der Beleidigungen gelöscht. Abfällige Kommentare, die aber die Grenze zur Beleidigung nicht überschreiten, hält er weiter vor. Außerdem wurde ich von ihm blockiert. In einer email teilt er mit: „Ansonsten will ich es deutlich sagen: Ich habe keinerlei Interesse an einem weiteren Kontakt mit Ihnen. Ich mag diese Art von Mutmaßungen, der wenig sachlichen Vorgehensweise, der Suche nach Streit und der öffentlichen Auseinandersetzung nicht. Das entspricht null meiner Vorstellung eines Umgangs miteinander. Sie leben eine sehr eigene und eigenartige Sicht der Dinge.“ Dazu stelle ich fest: Ich habe mich durchgehend sachlich geäußert, keine Mutmaßungen verbreitet, mit niemandem Streit gesucht. Eine öffentliche Auseinandersetzung hingegen schon. Entschuldigt hat sich Herr Dr. Pöltl nicht.