Rhein-Neckar, 01. Juni 2015. (red/gb) Überall streiten die Positionen für oder gegen eine „Home-Ehe“ – insbesondere in Baden-Württemberg. Hier zeigt sich die CDU überwiegend ablehnend. In unserem Gastbeitrag unserer Reihe „Montagsgedanken“ erläutert der CDU-Politiker Ruprecht Polenz (Münster) seine Position differenziert und unaufgeregt. Sein Text ist vor zwei Jahren in der Süddeutschen Zeitung erschienen und spannend aktuell. Wir danken Herrn Polenz für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung bei uns.
Gastbeitrag: Ruprecht Polenz
Der im Grundgesetz garantierte „besondere Schutz von Ehe und Familie“ wird durch eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht berührt. Wir alle wissen, wie viel wir unseren Eltern verdanken. Und jeder weiß, wie wichtig seine Familie für ihn ist.
Kinder können sich nicht aussuchen, in welche Familie sie hineingeboren werden. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie von ihren Eltern und Geschwistern so angenommen werden, wie sie sind. Mit ihren Stärken und Schwächen, auch wenn sie behindert sein sollten.
Geborgenheit und Liebe

Ruprecht Polenz plädiert für die Gleichstellung von Ehe und gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften. 1994 bis 2013 war er Mitglied des Deutschen Bundestages und war von 2005 bis 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses. Foto: privat
In unseren Familien fühlen wir uns geborgen und geliebt. Es ist das auf Dauer angelegte, unbedingte füreinander Einstehen der Familie und der Ehepartner, das den besonderen Schutz des Grundgesetzes erfährt. Familien sind die Keimzellen unserer Gesellschaft. Die Ehe ist auf Kinder angelegt und damit für das Fortbestehen unserer Gesellschaft bedeutsam.
Aber auch die kinderlose Ehe steht unter dem besonderen Schutz des Staates. Das Ehegattensplitting verhindert, dass Verheiratete wegen der Steuerprogression bei Zusammenveranlagung höhere Steuern zahlen müssen als Ledige, die zusammenleben. Es ist außerdem die Kehrseite der gegenseitigen Unterhaltspflicht von Ehepartnern. Eine Abschaffung des Ehegattensplittings würde Unverheiratete besserstellen und damit einen materiellen Anreiz bieten, nicht zu heiraten. Das wäre mit dem grundgesetzlichen Schutz der Ehe nicht vereinbar.
Auch eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sind auf Dauer geschlossen. Die Partner sind einander unterhaltspflichtig. Im Fall einer Trennung müssen wie bei einer Ehescheidung der Zugewinn und die Versorgung der Partner ausgeglichen werden. Es ist deshalb richtig, auch ihnen eine gemeinsame steuerliche Veranlagung und dabei den Splittingvorteil zu gewähren.
Damit wird die Lebenspartnerschaft nicht der Ehe gleichgesetzt. Das Steuerrecht zieht nur die Konsequenz aus der Tatsache, dass der Gesetzgeber auch die eingetragene Lebenspartnerschaft als wirtschaftliche Einheit angesehen hat, und wendet den Gleichheitsgrundsatz an.
17 Millionen Ehen – 30.000 eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften
Wer alles fördere, fördere nichts mehr richtig, wird eingewandt. Das trifft für die Fälle zu, in denen durch eine beliebige Ausweitung nach dem Gießkannen-Prinzip für den Einzelfall immer weniger übrig bleibt, weil die zur Verfügung stehenden Mittel nun einmal beschränkt sind. Aber eine solche Situation haben wir hier nicht.
Es gibt in Deutschland zirka 17 Millionen Ehen und zirka 30.000 eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften. Niemand wird ernsthaft vertreten wollen, dass der Staat bei der Förderung der Ehe finanziell kürzer treten müsste, weil 0,18 Prozent weitere Fälle dazukommen.
Bei Adoptionen ist das Wohl des Kindes entscheidend und nicht der Wunsch kinderloser Eltern, ein Kind haben zu wollen. Bei den Entscheidungen von Jugendamt und Vormundschaftsgericht geht es allein um das Kindeswohl. Bereits seit Langem ist es möglich, dass Einzelpersonen Kinder adoptieren.
Auch gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften haben das Recht, Kinder zu adoptieren
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass auch der andere Partner in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft das Adoptivkind seines Partners adoptieren kann. Damit ist im Grunde auch entschieden, dass eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften das Recht haben, Kinder zu adoptieren.
Das Adoptionsrecht für eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ist keine Aushöhlung von Ehe und Familie. Es wird deshalb keine Ehe weniger geschlossen und kein Kind weniger geboren. Niemand wird sich dafür entscheiden, statt in einer Ehe in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft zu leben, nur weil auch Letztere ein Adoptionsrecht hat und auch den Splittingvorteil genießt.
Bindung, Verlässlichkeit, Füreinander-Einstehen
Ich kann auch nicht erkennen, dass die grundgesetzlich gebotene Förderung von Ehe und Familie dadurch besser wird, dass eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechtergestellt werden. Der „besondere Schutz für Ehe und Familie“ durch das Grundgesetz wird durch den Splittingvorteil und ein grundsätzliches Adoptionsrecht für eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nicht berührt.
Begünstigt werden allerdings diejenigen Homosexuellen, die sich in einer eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft auf Dauer zusammengeschlossen haben, gegenüber denjenigen, die sich zu diesem Schritt nicht entschließen wollen. Aber das entspricht unserer Wertevorstellung. Wir wollen gegenseitige Bindung, Verlässlichkeit und das Füreinander-Einstehen fördern. Das sind wichtige Werte in einer Gesellschaft, die immer mehr an Bindungsfähigkeit zu verlieren droht.
Zusammenhalt fördern, Belastungen ausgleichen
Es ist ein Fehler, die Förderung von Ehe und Familie ausschließlich am Adoptionsrecht und am Splittingvorteil festzumachen. Wir sollten stattdessen deutlicher machen, welchen Wert und welche Bedeutung Ehe und Familie für uns und die ganze Gesellschaft haben. Wir müssen in unserer Familienpolitik die Werte in den Mittelpunkt stellen, wegen derer Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes gestellt sind:
Wir müssen den Zusammenhalt von Familien fördern und die besonderen Belastungen ausgleichen, denen Familien ausgesetzt sind – von der Wohnungssuche bis zu den Stromkosten beispielsweise. Wir müssen die Erziehungsleistungen der Familien (auch öffentlich) stärker anerkennen und die Pflegeleistungen, die Familien zunehmend erbringen, besser fördern. Wir behandeln Alleinerziehende steuerrechtlich als Single, obwohl ihre Erziehungsleistung etwas anderes verdient hätte.
Alle sind gefordert
Familie braucht gemeinsame Zeit und familiengerechte Angebote, sie auch gemeinsam verbringen zu können. Vom Besuch im Zoo oder Restaurant über den Wochenendausflug bis zum Familienurlaub.
Und vor allem: Wir müssen noch viel dafür tun, dass sich Familie und Beruf für Mütter und Väter besser vereinbaren lassen, als dies zurzeit der Fall ist. Das betrifft nicht nur die Angebote für eine gute Kinderbetreuung. Das betrifft vor allem die Arbeitswelt: Wir brauchen mehr familiengerechte Arbeitsplätze in Deutschland. Hier sind alle gefordert: Unternehmen und Gewerkschaften genauso wie der Staat als Arbeitgeber und Gesetzgeber.