Heidelberg/Rhein-Neckar, 01. November 2013. (red/ms) Die Besucher im ausverkauften Kongresshaus bekamen eine makellose Vorführung zu sehen – und vor allem natürlich zu hören: Routiniert und emotional. Traditionell und innovativ. Und virtuos – ob Dirigent, Solistin oder die gesamte Leistung des Orchesters.
Von Minh Schredle
Mal überschwängliche Euphorie, mal rastlose Unruhe. Dann schwärmerisches Schwelgen. Oder aufrichtiges Mitleid. Die Gefühlszustände sind vielschichtig – verschieden. Faszination ist immer dabei. Wenn der Saal verstummt und einem plötzlich eine einzelne Flöte heißkalte Schauer den Rücken herunter jagt. Wenn ein meisterlicher Dirigent mit großen, ausladenden Bewegungen expressionistische Gefühlsgemälde in die Luft zu malen scheint. Wenn freudvolle Hochgefühle und tiefe Ergriffenheit im ständigen Wechselspiel einander folgen und trotz dieser extremen Gegensätze so wundervoll miteinander harmonisieren.
Vor Beginn des Konzerts wandte sich der schwedische Dirigent Ola Rudner in perfekten Deutsch an das Publikum und zwar eher politisch als künstlerisch. Er wies darauf hin, wie wichtig die Rettung der Musikhochschulen für die Zukunft der Klassik sei. Dafür gab es anerkennenden Beifall im ausverkauften Saal.
Doch dieser Beifall war nichts im Vergleich zu den tosenden Applausstürmen, die immer dann losbrachen, wenn Orchester und Pianistin verstummten. Und mit jedem Mal wurde der Jubel lauter, länger, enthusiastischer. Man darf gespannt sein, wie sich diese Kunst politisch auswirken wird.
Zusammenspiel im Einklang
Das knapp drei Stunden lange Konzert begann mit Beethovens achter Sinfonie, gefolgt von der Coriolan-Ouvertüre und dem Klavierkonzert Nummer drei. Den Schlusspunkt stellte die fünfte Sinfonie dar.
Regiert wurde das Geschehen von dem schwedischen Dirigenten Oda Rudner, einem der Großen seiner Zeit: Immer präsent. Nie aufdringlich. Inszeniert sich selbst gekonnt, ohne dabei je von der Musik abzulenken. Und hat sein Orchester, die Württembergische Philharmonie aus Reutlingen, perfekt unter Kontrolle.
Heraus sticht die ukrainische Pianisten Marina Baranova. Lockerleicht und unbeschwert schafft sie es auch in komplexesten Prestissimo-Passagen eigene Akzente zu setzen, mal etwas besonders zu betonen oder eine kleine Spielerei, ohne dabei jedoch den originalen Charakter der Werke zu verfremden.
Dass sie sich dabei allerdings nicht Note für Note an Bekanntes hielt, verstimmte ein paar der Besucher – für mich kaum nachvollziehbar: Denn auch wenn kleine Unterschiede und Abweichungen zu hören waren, wirkte das keinesfalls fehlerhaft, sondern war eine künstlerisch-anspruchsvolle Interpretation.
Hier spielt alles ineinander. Alles ist im Einklang. Fügt sich zu einem großen Ganzen, das einlädt, in dieser vollkommenen Harmonie ganz zu versinken. Sich hinzugeben.Und am Ende bleibt eine Zufriedenheit, die auch noch lange nach den letzten Takten anhielt.
Und nach einem solch großartigen Live-Konzert bleibt nur die flüchtige Erinnerung – als bewegend-konkretes Erlebnis, das man so schnell nicht vergessen kann.