Mannheim, 01. Juli 2015. (red/ms) Wohin entwickelt sich Mannheims Schullandschaft? Im Bildungsbericht 2015 werden auf mehr als 200 Seiten Informationen gesammelt und aufbereitet. Im Gegensatz zu den Schulstatistiken werden die Zahlen und Daten im Bildungsbericht bewertet und eingeordnet. Dadurch ist der Bildungsbericht aussagekräftiger für die Allgemeinheit – aber auch weniger neutral. Die Stadt bezeichnet ihre Bildungspolitik als erfolgreich und kündigt an, den aktuellen Kurs fortsetzen zu wollen.

Auf einer Pressekonferenz stellte die Stadt Mannheim heute den Bildungsbericht 2015 vor.
Von Minh Schredle
In den Grundsatzdebatten der Bildungspolitik geht es nicht nur darum, Schullandschaften zu beurteilen oder zu bewerten, ob die Gemeinschaftsschule anderen Schulformen überlegen ist. Es geht um nicht weniger als die Ziele, die eine Gesellschaft erreichen will. Denn durch Bildung wird der Grundstein für ein funktionierendes und leistungsfähiges Zusammenleben gelegt.
In Mannheim lebten im Jahr 2013 gut 91.000 Menschen, die jünger als 27 Jahre alt waren. Das entspricht einem Anteil von etwa 27 Prozent der Gesamtbevölkerung der Stadt. Etwa die Hälfte dieser Menschen hat einen Migrationshintergrund. Und der Anteil steigt, je jünger die Altersgruppe ist: Bei den unter-Zehnjährigen haben nach Angaben der Stadt sechs von zehn Kindern einen Zuwanderungshintergrund. In einzelnen Stadtteilen ist dieser Anteil noch deutlich höher.
Kampf gegen Ungleichheiten
Obwohl die Gruppen von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund quasi gleich groß sind, gibt es auffällige Unterschiede bei den Bildungserfolgen: Migrantinnen und Migranten sind an Mannheimer Gymnasium deutlich unterrepräsentiert.
Dabei ist weniger die Nationalität entscheidend als die sozialen Rahmenbedinungen: Insbesondere Kinder aus eher bildungsfernen und geringverdienenden Haushalten haben schlechtere Chancen auf eine gute Bildung. Einige Experten beurteilen das Elternhaus sogar als den einflussreichsten Faktor überhaupt für spätere Bildungschancen – noch wichtiger als Geschlecht, Körpergröße oder Aussehen.
Mannheims Bildungsbürgermeisterin Dr. Ulrike Freundlieb sagt dazu:
Wir werden weiterhin dafür kämpfen, die Kopplung zwischen Elternhaus und Bildungserfolg zu zerschlagen.

Die Bildungschancen hängen maßgeblich von den soziokulturellen Strukturen abhängig. Wo gibt es hier in Mannheim Auffälligkeiten? Klicken Sie auf das Bild, um es zu vergrößern. Foto: Bildungsbericht 2015 In welchen
Das ist, verglichen mit der üblichen Ausdrucksweise von Frau Dr. Freundlieb, eine ungewohnt deutliche Wortwahl. Heute hat sie gemeinsam mit einigen städtischen Mitarbeitern den dritten Mannheimer Bildungsbericht auf einer Pressekonferenz vorgestellt. 2010 und 2013 hat es bereits solche Berichte gegeben. Dr. Freundlieb bezeichnet das Instrument als inzwischen „unverzichtbar“.
Erfolgreiche Bildungspolitik?
Im Bildungsbericht sollen verschiedene aussagekräftige Indikatoren zusammengestellt werden, die der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat als Entscheidungshilfe für bildungspolitische Fragen dienen können. Der Bericht ist mehr als ein reines Zahlenwerk wie beispielsweise die Schulstatistiken. Der Bildungsbericht interpretiert die Ergebnisse außerdem, ordnet sie ein, zieht Zwischenfazite und gibt Handlungsempfehlungen. Damit ist der Bericht für die Allgemeinheit aussagekräftiger – aber auch weniger neutral.
Wir haben einige große Erfolge vorzuweisen,
sagt Lutz Jahre, der Fachbereichsleiter für Bildung, auf der Pressekonferenz. Man befasse sich nicht nur mit der Schullandschaft, sondern fange schon in der frühkindlichen Erziehung an. Gerade für Kinder mit Migrationshintergrund sei es sehr bedeutend noch in jungen Jahren die deutsche Sprache zu lernen. Daher biete man ein umfassendes Programm für Sprachkurse und Kooperationen mit Kindertagesstätten an.
Aktuell haben dem Bildungsbericht zufolge nach der Kindergartenzeit noch 14,1 Prozent der Kinder einen Förderbedarf. 2007 lag dieser Wert noch bei 24,7 Prozent. Mehr als zwei Drittel aller Schüler würden inzwischen die mittlere Reife oder die (Fach-)Hochschulreife erreichen. Herr Jahre kommentiert stolz:
Das ist ein historischer Höchstwert für Mannheim.
Es gebe „günstige Vorzeichen“, dass man diesen „Erfolgskurs“ auch weiterhin fortsetzen könne.
Inzwischen gehen laut Bildungsbericht 49,6 Prozent der Kinder nach der Grundschule direkt auf ein Gymnasium. Im Schuljahr 2010/2011 waren es „nur“ 41,9 Prozent. Auch der Anteil an Realschülern nimmt konstant zu, während der Anteil an Werkrealschülern seit Jahren drastisch sinkt. Aktuell liegt er bei gerade einmal 12,1 Prozent.
Diese Entwicklung ist aber nicht der alleinige Verdienst der Mannheimer Schullandschaft und der Bildungspolitik der Stadt. Es hängt auch maßgeblich damit zusammen, dass in Baden-Württemberg Ende 2011 die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft worden ist. Seitdem können Eltern und Kinder frei wählen, welche Schulform sie für die geeignetste halten.
Kooperationen ausbauen
„Der Bildungsbericht wird um so besser, je mehr Aktuere ihn benutzen, um Erkenntnisse daraus zu gewinnen,“ sagt Bildungsbürgermeisterin Dr. Freundlieb. Daher plane die Stadt, den Bericht proaktiv an unterschiedliche Institutionen zu versenden. Damit wären nicht nur die Schulen gemeint, sondern beispielsweise auch verschiedene Vereine.
Man wolle in Zukunft verstärkt auf enge Kooperationen zwischen Schulen und sogenannten non-formalen Lernwelten setzen, erklärt Frau Dr. Freundlieb. Als „non-formale Lernwelten“ werden Einrichtungen bezeichnet, die nicht explizit von der Politik für Bildungszwecke eingerichtet wurden, aber einen wichtigen Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens ausmachen und soziale Kompetenzen vermitteln.
Auch die Polizei und das Haus des Jugendrechts seien in diesem Zusammenhang wichtige Partner für die Stadtgesellschaft, sagt Frau Dr. Freundlieb. Denn gute Bildung würde nicht nur bessere Chancen im Beruf bedeuten – sie habe auch eine präventive Wirkung.