Rhein-Neckar, 01. Februar 2017. (red/cr) In Mannheim leben etwa 29.000 Studierende, in Heidelberg 36.000 – aber wie und wo genau? Wohnheimplätze sind knapp und heiß begehrt. Wie ist die Lage? Müssen jetzt, Monate nach Beginn des Wintersemesters, immer noch junge Leute in Jugendherbergen und auf Sofas schlafen? Angespannt ist die Lage meist zu Beginn des Semesters und beruhigt sich dann. Trotz umfangreichem Angebot der Studierendenwerke müssen viele Studenten aber privat wohnen oder sogar pendeln.
Von Christin Rudolph
Jedes Jahr im Herbst beginnt eine kleine Völkerwanderung – von den Gymnasien zu den Hochschulen. Die meisten Erstsemester haben nicht das Glück, direkt neben der Hochschule zu wohnen, an der sie einen Platz bekommen. So ziehen sie von zuhause aus – doch wohin?
Im vergangenen Jahr waren es nach Angaben der Studierendenwerke 6.500 Erstsemester in Mannheim und etwa 7.000 in Heidelberg.
Die Kampagne „Studis suchen Zimmer“ des Landes Baden-Württemberg macht jedes Jahr in den Wochen vor Semesterbeginn in mehreren Städten wie beispielsweise in Heidelberg auf die Wohnungsnot dieser jungen Menschen aufmerksam und wirbt bei Immobilieneigentümern um Zimmer für Studierende.
Katastrophe oder vorhersehbarer Engpass?
“Der Wohnungsmarkt für Studierende ist angespannt.” – Was bedeutet das konkret? Dass nicht jeder seine Traum-WG oder ein Apartment direkt neben der Universität bekommt, ist klar. Aber wie ernst ist die Lage?
Schlafen Studierende vier Monate nach der Wohnungsrallye immer noch auf Sofas und in Jugendherbergen? Wo sind die untergekommen, die zu Studienbeginn noch keine Bleibe hatten?
Die Studierendenwerke Heidelberg und Mannheim informieren im Internet umfangreich über deren Angebote – bei den Mannheimern kann man sich die Wohnangebote sogar im virtuellen Rundgang anschauen, was insbesondere für Auswärtige ein echter Vorteil ist.
6.658 Erstsemester im Herbst
Das Studierendenwerk Mannheim ist für die fünf Mannheimer Hochschulen zuständig – die Universität Mannheim, die Hochschule Mannheim, die DHBW Mannheim, die Popakademie und die Musikhochschule. Der Großteil der 6.568 Erstsemester, nämlich aktuell 2.822, entfallen auf die Universität.
Das Studierendenwerk Mannheim betreibt 18 Wohnanlagen und Häuser, in denen aktuell 3.145 Studierende untergebracht sind. Diese verteilen sich auf Einzelzimmer, Apartments, und WGs in denen sich zwei bis zehn Bewohner und Bewohnerinnen Küche und sanitäre Einrichtungen teilen.
In den vergangenen Jahren konnten wir einen deutlichen Trend in Richtung Apartment als bevorzugter Wohnform bei den Studierenden feststellen,
sagt Astrid Brandenburger, stellvertretende Geschäftsführerin des Studierendenwerks Mannheim.
Durchschnittlich zahlen sie 271,89 Euro Warmmiete. Doch was ist mit den “übrigen” Wohnungssuchenden?
Privatzimmermarkt entscheidend
Da zu Semesterbeginn durchschnittlich 3.000 Bewerbungen auf circa 1.000 frei gewordene Wohnplätze eingehen, ist der Privatzimmermarkt ein wichtiger Faktor bei der Wohnungssuche.
Das Studierendenwerk spricht private Eigentümer an, die hochschulnahen und bezahlbaren Wohnraum für Studierende anbieten könnten. Außerdem gibt es in Mannheim seit dem vergangenen Jahr ebenfalls eine Werbekampagne vor Semesterbeginn.
Unter dem Motto „Gib Bildung ein Zuhause!“ soll die neue Privatzimmerkampagne auf die zum Start des Herbst-/Wintersemesters jährlich wiederkehrende Wohnungsknappheit aufmerksam zu machen.
Im August wurde mit Plakaten und Postkarten geworben. Insgesamt konnten so 2016 zusätzlich zum Wohnangebot des Studierendenwerks 570 Plätze über die Privatzimmerbörse vermittelt werden.
Engpass löst sich auf
Zusätzlich wird jährlich von Mitte August bis Ende September ein Notquartier angeboten, um ein paar Tage überbrücken zu können. Doch die Nachfrage danach sei eher gering, sagt Astrid Brandenburger. Denn:
In den Monaten September bis Dezember liegt jedes Jahr ein Engpass auf dem studentischen Wohnungsmarkt in Mannheim vor. Die Quote von Erstsemester- zu Einwohnerzahl ist jedoch in Mannheim grundsätzlich günstiger als in den traditionellen Universitätsstädten.
Wer direkt in Mannheim nichts findet, zieht meist in einen der umliegenden Orte. Zum Jahresende entspannt sich die Situation stets deutlich.
Wer in den ersten Wochen bei der Schlafplatzsuche erfolglos war, schraubt eben seine Ansprüche herunter – da wird aus der perfekten WG mit Freunden fürs Leben direkt neben der Hochschule schnell ein kleines Zimmer in einem der umliegenden Orte.
Plätze werden ausgebaut
Wirklich dramatisch ist die Lage in Mannheim also nicht. Das hat mehrere Gründe. Zum einen beginnt das Semester zumindest an der Universität, die mit knapp 43 Prozent der Mannheimer Erstsemester den Löwenanteil ausmacht, einen Monat früher als an anderen deutschen Hochschulen.
Daher suchen die Studenten der Universität in der Regel auch früher nach einer Unterkunft als die Studierenden anderer Einrichtungen. So wird die Lage etwas entspannt.
Zum anderen baut das Studierendenwerk Mannheim seine Plätze aus. Nach eigenen Angaben hat die Institution zwischen 2005 und 2007 von damals 2.500 auf die heute existierenden 3.000 Plätze erweitert. In B6 soll ein neues Wohnhaus für Studierende mit bis zu 200 weiteren Wohnplätzen errichtet werden.
Ausländische Studierende besonders betroffen
Das Studierendenwerk sieht sich für die Zukunft in Sachen Wohnraum gut aufgestellt:
Da sich der durch den doppelte Abiturjahrgang hervorgerufene Peak mittlerweile wieder aufgelöst hat und die Studierendenzahlen eher leicht rückläufig sind, ist in den kommenden Jahren von keiner Verschlechterung der Wohnsituation auszugehen.
Eine bestimmte Gruppe Studierender gibt es jedoch, die es bei der Suche nach einer Unterkunft besonders schwer hat: Ausländische Studierende. Wenn man schon in der Nähe der Hochschule oder zumindest in Deutschland lebt, kann man meist Wohnungen vor Ort besichtigen und Vereinbarungen treffen.
Aus dem Ausland ist das schwieriger. Außerdem, sagt Frau Brandenburger, mindere die Sprachbarriere oft die Chance auf eine Unterkunft auf dem Privatzimmermarkt.
Daher gebe es für internationale Kontingente beim Studierendenwerk in enger Kooperation mit den akademischen Auslandsämtern der jeweiligen Hochschulen.
Heidelberg, die Universitätsstadt
Ausländische Studierende haben in Heidelberg ebenfalls Nachteile bei der Zimmersuche – obwohl in Heidelberg die Voraussetzungen für Studierende ganz anders sind. Die Universitätsstadt hat alleine an der Universität aktuell 30.787 Studierende. Im Gegensatz zu Mannheim studieren also mit Abstand die meisten der insgesamt etwa 36.000 in Heidelberg lebenden Studierenden an der Universität.
Das Studierendenwerk Heidelberg bietet aktuell 4.776 Bettplätze in etwa 65 Wohnheimen in Heidelberg. Damit “versorgt” es knapp über 13 Prozent der Heidelberger Studierenden.
Das Studierendenwerk Mannheim liegt knapp unter 13 Prozent wenn man die Studierendenzahlen der fünf Hochschulen verwendet, für die es zuständig ist.
Wohnen nach Fachrichtung
In Mannheim verteilen sich nach Angaben der Stadt insgesamt rund 29.000 Studierende auf 13 Hochschulen. In Heidelberg jedoch besuchen mehr als 85 Prozent der Studierenden die Universität. Das führt dazu, dass sich die Studierenden nicht wie in Mannheim nach Hochschule über die Stadt verteilen, sondern nach Studienfach.
Anders als der kompakte Mannheimer Universitätscampus erstreckt sich die Universität über verschiedene Teile der Stadt. Rainer Weyand ist als Abteilungsleiter im Facility Management für den Wohnraum des Studierendenwerks Heidelberg zuständig.
Er bestätigte diese Beobachtung – wer im Neuenheimer Feld studiert, zieht meist in das Wohnheim dort oder eben in die Nähe. Das Studierendenwerk bietet hier 20 Quadratmeter-Apartments für 299 Euro an.
770 Bettplätze mehr durch Konversion
Wer am Campus in der Altstadt studiert, versucht dort eine Unterkunft zu bekommen. Etwa 60 bis 70 Prozent der Objekte des Studierendenwerks seien WGs mit zwei bis vier Bewohnerinnen und Bewohnern, so Herr Weyand. Allein im Hohlbeinring gebe es 192 WGs.
Dank der Konversion könne das Studierendenwerk 770 neue Plätze anbieten, unter anderem für Studierende mit Kind. Für die sei es nämlich ähnlich schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden, wie für ausländische Studierende – wenn auch aus anderen Gründen.
Insgesamt habe das Studierendenwerk in den vergangenen sechs Jahren sein Angebot um 1.800 Plätze erweitert. Ein Zimmer in einer einfachen Flurgemeinschaft im Altbau, bei der sich 12 Studierende Küche und Bad teilen, ist bereits ab 168 Euro warm zu haben.
Jedes Jahr das gleiche Problem
Findet man trotzdem keine Unterkunft, hat auch das Studierendenwerk Heidelberg von Anfang September bis Mitte November Notfallquartiere.
Herr Weyand erzählte von einer ähnlichen Dynamik wie in Mannheim – am Anfang des Semesters ist die Lage angespannt. Doch wer nichts findet, weicht nach und nach ins Umfeld aus.
Vor allem in der international beliebten Universitätsstadt Heidelberg ist Wohnraum knapp und teuer. Daher bleibt der Wohnungsmarkt hier eben zu Semesterbeginn besonders angespannt,
sagt Katrin Bansemer, Assistentin der Geschäftsführerin des Studierendenwerks Heidelberg. Als Probleme identifizierte sie vor allem steigende Studierendenzahlen, eine zunehmende Internationalisierung und fehlendes Bauland.
Hauptsache WLAN
Trotz aller Unterschiede – sowohl in Mannheim und als auch in Heidelberg gelten ähnliche Bedürfnisse genauso wie an vermutlich allen anderen Hochschulstandorten:
Ein Internetanschluss und die Nähe zur Hochschule, an der die Studierenden immatrikuliert sind, zählen neben dem Mietpreis zu den Hauptfaktoren bei der Wohnplatzwahl.
Herr Weyand weiß ganz genau, was das in der Praxis bedeutet:
Wenn das Internet einmal für drei Minuten nicht geht, habe ich schnell Beschwerden auf dem Tisch.
Das WLAN soll daher bald auch flächendeckend in den Gebäuden in der Heidelberger Altstadt ausgebaut werden.
Fazit: Angespannte Lage, aber nicht dramatisch
Sowohl in Mannheim als auch in Heidelberg müssen die meisten Studierenden auf den privaten Wohnungsmarkt zurückgreifen. Vor allem zu Beginn des Studiums ist die Lage angespannt. Nah am Studienort, teilweise möbliert, schnelle Internetverbindung und ein günstiger Mietpreis – das sind die Wünsche der meisten.
Viele müssen Kompromisse machen und zum Beispiel in einen der umliegenden Orte ausweichen. Das wissen auch die Studierendenwerke. Die Lage beruhigt sich nach ein paar Wochen meist. Aber der Bedarf ist hoch.
Daher muss und wird der Wohnraum ständig ausgebaut. Das Studierendenwerk Mannheim bereitet derzeit den Bau eines Gebäudes in B6 vor, das Studierendenwerk Heidelberg plant drei neue Passivhäuser.