Mannheim, 31. Oktober 2014. (red/cb) Am 22. Oktober versammelten sich rund 200 Menschen in die ehemalige Grundschule des Benjamin Franklin Village zur Veranstaltung “Baustelle Bürgerdemokratie”. In mehren Diskussionsrunden konnte man sich mit Fachleuten über die Umsetzung von Bürgerbeteiligung und direkter Demokratie auseinandersetzen. Insbesondere zu Konversion und BUGA 23 sowie der Rolle der Medien als Vermittler zwischen Politik und Bürgern war ein reges Interesse vorhanden. Sogar Dr. Heiner Geißler, Bundesminister a.D., hatte man für die Veranstaltung gewonnen.
Von Carolin Beez
Die Veranstaltung “Baustelle Bürgerdemokratie” bot ihren Gästen viele Möglichkeiten zum Informieren und Diskutieren, rund um die “Baustelle Bürgerbeteiligung”. Welche Chancen ergeben sich für Bürger durch direkte Demokratie und welche Herausforderungen ergeben sich für die beteiligten Akteure, also auch Politiker und Behörden. Thematisiert wurden auch die Schwächen und Stärken der repräsentativen Demokratie.
Die Beteiligung der Bürger beim Thema Konversionsflächen der Stadt Mannheim sei ein Muss, so Staatsrätin Gisela Erler, in ihrer Begrüßungsrede.
Die Zukunft von Franklin
Passend dazu fand die Veranstaltung in der ehemaligen Grundschule im Benjamin Franklin Village in Käfertal statt. Dr. Konrad Hummel, Konversionsbeauftragter der Stadt Mannheim, war hier als Ansprechpartner vor Ort und informierte ausführlich über die Zukunftspläne der rund 500 Hektar Militärflächen, die in ganz Mannheim nach dem Abzug der Amerikaner frei wurden.
Die Teilnehmer erkundeten das Gelände mit Busfahrten und jedem wurde klar: Hier steckt eine Menge Potential drin. Das Gelände wurde hauptsächlich als Wohnsiedlung genutzt, über 10.000 US-Amerikaner haben hier gewohnt.
Urbanes Wohnen auf Franklin
In den Bauten des Villages ist der “American Way of Life” noch gut zu erkennen – mit vielen Spielplätzen, Freizeiteinrichtungen und weitläufigen Sportanlagen. Die Planung auf Franklin sieht vor, hier ein urbanes Wohnen zu ermöglichen. Dabei werde darauf geachtet, dass so viel wie möglich von den bestehenden Gebäuden der US-Amerikaner genutzt werden könne.
Man werde versuchen aus dem Village, das zu dem noch die Funari und Sullivan Barracks mit einschließt, einen eigenen Stadtteil zu schaffen. Der Plan “blue_village_frankling” sieht ein zukunftsorientiertes Wohnen unter Berücksichtigung von Energie, Effizienz und Mobilität vor.
Das Thema der Konversion führte aber auch zu der Idee der Bundesgartenschau, die im Jahr 2023 stattfinden sollte.
Die Mannheimer entschieden sich im Rahmen eines Bürgerentscheids im September 2013 zu 50,7 % für die Durchführung der BUGA 23. Und es gibt immer noch Bürger, die das Ergebnis nicht akzeptieren wollen und sich gegen die BUGA stark machen.
Was bedeuten Bürgerentscheide für die Politik und die Bürgerbeteiligung?
Wo liegen die Herausforderungen der direkten Demokratie? Dr. Heiner Geißler, Bundesminister a.D., Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, Dr. Peter Kurz, Oberbürgermeister von Mannheim, und Gudrun Heute-Bluhm, Hauptgeschäftsführerin des Städtetags Baden-Württemberg diskutierten, teils sehr kontrovers zum Thema.
Dr. Heiner Geißler bemängelte dabei, dass es kein festgelegtes Verfahren für solche Volksentscheide und damit auch für die Bürgerbeteiligung, wie zum Beispiel bei der Bundesgartenschau, gäbe. Er forderte klare Strukturen, die vom Gesetzgeber gegeben werden müssten.
Das Problem sei weiter, dass man die Bürger nicht genug in Vorentscheidungen miteinbeziehe.
Wenn die Bürger über eine gestellte Grundsatzfrage entscheiden sollen, dann müssen sich alle an einen Tisch setzen.
Das würde nach Herrn Geißler bedeuten, dass alle Informationen und Fakten der Verwaltung von Anfang an für alle zugänglich sein müssten. Er fordert eine “Totale Transparenz” den Menschen gegenüber, die hinterher darüber abstimmen sollen. Außerdem müsse es den Bürgern ermöglicht werden mitzudiskutieren – auf Augenhöhe. Das heißt, die Bürger bräuchten genug Fachwissen, um mit Fachleuten und verantwortlichen Politikern überhaupt diskutieren zu können.
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz bemängelt an diesen Forderungen, dass zwischen der Verwaltung und den Bürgern in Mannheim ein großes Vertrauensproblem herrsche. Aus dem Grund sei es nicht immer möglich Bürger auf die genannte Weise mit in das politische Geschehen einzubinden.
Den Bürgern fehle eine gewisse Akzeptanz gegenüber politischen Entscheidungen. Wenn Ergebnisse umstritten sind, dann müsse es deshalb noch immer das Recht der Politik sein, die letztendliche Entscheidung zu treffen.
Wie kann die Kommunikation zwischen Politik und Bürgern verbessert werden?
Dabei spielt die Rolle der Medien und Journalisten als Übermittler der Politik und Verbreitungskanal der “Totalen Transparenz” eine wichtige Rolle. In einem “Medienforum” hatten die Gäste die Möglichkeit sich intensiv mit Fachleuten aus der Öffentlichkeitsarbeit auseinanderzusetzen.
Themen wurden in mehreren Kleingruppen besprochen. Dabei wurden zum Beispiel die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Bürgerbeteiligung in der Medienberichterstattung deutlich. Oder auch, dass sich die Ansprüche an die Medien in den vergangenen zehn Jahren stark verändert haben. Durch schlechte Erfahrungen ging hier besonders in der Lokalen Berichterstattung viel Vertrauen verloren.
Die Journalisten sollten mehr Unabhängigkeit und Kompetenz zeigen und mit einer neutralen Grundhaltung an Themen der Bürgerbeteiligung herangehen. Von beiden Seiten also Bürgern und Medienvertretern wird ein respektvollerer Umgang verlangt. Journalismus sei kein Instrument, um Menschen schlecht zu machen, sondern sachgerecht zu informieren und berichten.
Bürgerbeteiligung und politische Mandate
Aber nicht nur die Medien werden sich in Zukunft mehr auf Bürgerbeteiligungen einstellen müssen, sondern auch die Träger eines politischen Mandats. Sie werden sich die Frage stellen müssen, wie weit können sich Bürger und Politik einander annähern, um gut miteinander arbeiten zu können.
Diesem Thema widmete sich ein zweites Form. Die Personen konnten hier mit kommunalen Politikern wie zum Beispiel den Stadträten Carsten Südmersen (CDU), Melis Sekmen (Die Grünen) oder Marianne Bade (SPD) im Rahmen einer Fish-Bowl-Diskussion auseinandersetzen und ebenfalls in Kleingruppen zusammenarbeiten.
Es wurde vor allem darüber gesprochen, wie man Vertrauen aufbauen und mehr Bürger zur Beteiligung an der Politik motivieren kann. Dabei wurde klar, dass mehr Ehrlichkeit von den Politikern gefordert wird. Es fehle – das Zitat Heiner Geißlers, das man an diesem Tag oft gehört hat – die nötige “Totale Transparenz”.
Bürger wollen ernst genommen werden
Es wird verlangt mehr in die Vorentscheidungen vor der eigentlichen Abstimmung miteinbezogen zu werden. Man wolle sich als Bürger ernst genommen fühlen und mit vollständigen Informationen versorgt werden, sodass man dann auch die Möglichkeit bekäme Entscheidungen in Frage zu stellen.
Eins wurde allerdings sehr deutlich – und das kommt den Politikern ein wenig zu gute : Sich beklagen darf nur der, der politisch engagiert ist. Es bringt nichts sich hinterher über die Entscheidungen der Politik zu beschweren, wenn man zuvor nichts dazu gesagt hat.