Ludwigshafen, 25. Januar 2016. (red/ms) “Die Dokumente belegen eindeutig eine unverschämte Bevorzugung von Flüchtlingen gegenüber der einheimischen Bevölkerung: Einer einzigen Flüchtlingsfamilie zahlte die Stadt Ludwigshafen im Juni 3.612 Euro aus” – das ist zumindest die Darstellung, die im Netz kursiert. Sie hat einen kleinen wahren Kern – ist aber vermischt und vermengt mit jeder Menge Unfug und Propaganda.
Von Minh Schredle
Es ist nun wirklich nichts Neues: Ein vermeintliches “Dokument” einer angeblichen “offiziellen” Behörde “belegt” irgendetwas – meistens, dass “etwas ganz gewaltig schief läuft”.
Hin und wieder hat die Empörung gute Gründe und ein unsäglicher Missstand wird völlig zurecht angeprangert. In einer überwiegenden Anzahl von Fällen handelt es sich aber um Falschmeldungen oder verfälschte Meldung. Fast immer ist die Darstellung manipulativ.
Klare Festlegungen
Wenn es um Flüchtlinge geht, sollten “skandalöse” Inhalte ganz besonders genau geprüft werden – denn hier ist die Gerüchteküche seit Monaten am überbrodeln. Oder entscheidende Details werden einfach ausgelassen, sodass ein Zerrbild entsteht, das förmlich “Ungerechtigkeit!!” schreit.
Aktuell wurde unsere Redaktion auf einen angeblichen Leistungsbescheid der Stadt Ludwigshafen hingewiesen. Darin heißt es, eine einzelne Asylbewerberfamilie erhalte 3.612 Euro pro Monat – was in sozialen Netzwerk teils Empörung, teils wüste Beleidigungen und Schimpfereien auf den Staat hervorrief.
Doch was steckt dahinter? Wäre es wirklich möglich, dass eine einzelne Familie so hohe Bezüge erhält?
Grundsätzlich schon. Die Höhe der Bezüge hängt in erster Linie von der Größe der Familie ab. Darüber hinaus ist über das – öffentlich für jedermann einsehbare – Asylbewerberleistungsgesetz genau festgelegt, welche Leistungen wen in welchem Umfang ausgezahlt werden. Erwachsene bekommen zum Beispiel in aller Regel höhere Bezüge als ihre Kinder.
Auf Anfrage bei der Stadt Ludwigshafen heißt es, das Problem sei bekannt: Es komme immer wieder vor, dass Leistungsbescheide der Stadt im Internet verbreitet würden. Meist wird dabei nicht besonders viel Wert auf die Persönlichkeitsrechte der Flüchtlinge gelegt. So auch hier: Klarnamen und sogar die Anschrift sind zu sehen.
Seitens der Stadt wird klargestellt, man werde sich nicht im Einzelfall dazu äußern, ob ein Leistungsbescheid echt oder gefälscht sei, da man die Sozialdaten der betroffenen Personen schützen müsse.
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Im dokumentierten Beispiel handelt es sich um eine siebenköpfige Familie, die 3.612 Euro pro Monat erhalten soll. Das wären also 516 Euro pro Kopf. Sozialbürgermeister Wolfgang van Vliet (SPD) sagt dazu:
Dies ist nicht der einzige Fall, bei dem versucht wird, mit überhöhten Leistungen das Asyl als zu positiv darzustellen und den Sozialneid zu schüren.
Das Schema sei immer gleich: Es werde fast immer nur die erste Seite eines Bescheides gezeigt, auf dem Vor- und Nachnamen sowie ein Geldbetrag zu sehen sind. Über die Berechnung erfahre man dagegen nichts:
Dabei wird außerdem verschwiegen, dass in dem gezeigten Betrag die Unterkunfts- sowie Energiekosten mit enthalten sind – die nicht an die Bedarfsgemeinschaft, sondern direkt an Vermieter und Energieversorger ausgezahlt werden.
Das heißt: Selbst wenn ein Leistungsbescheid echt ist, kommt nie die gesamte Summe, die gezeigt wird, auch tatsächlich bei den Asylbewerbern an. Herr van Vliet betont außerdem, dass einer siebenköpfige Bedarfsgemeinschaft nach Hartz IV regulär ein höherer Regelbedarf zustünde.
Auch wenn es vielfach anders propagiert wird: Asylbewerber werden gegenüber der einheimischen Bevölkerung nicht bevorzugt und das Leben als Flüchtling ist alles, aber sicher kein Luxus.
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