Mannheim/Rhein-Neckar, 21. Mai 2014. (red/ms) Was der Angeklagte Emil S. bei der Polizei ausgesagt hat, wird der Öffentlichkeit zum Großteil unbekannt bleiben – weil die Polizei bei der Vernehmung Fehler gemacht hat. Der Angeklagte hat den Wunsch nach einem Anwalt geäußert, dies ist ignoriert worden. Daher wurde die Zeugin, die über die Vernehmung aussagen sollte, nur bis zu diesem Zeitpunkt befragt. Doch, was sie aussagt, ist sehr interessant. Ob diese Zeugenaussage jedoch überhaupt zur Urteilsfindung verwendet werden darf, ist noch unklar. Verteidigerin Inga Berg hat ein Verwertungsverbot beantragt. Ihre Begründung wirkt schlüssig.
Von Minh Schredle
Die Polizistin, die für die polizeiliche Vernehmung von Emil S. zuständig war, wurde bereits mehrfach als Zeugin gehört. Allerdings wurde sie am 14. Verhandlungstag zum ersten Mal über die Inhalte der Vernehmung befragt. Die erste Frage sei gewesen:
Haben sie das Mädchen umgebracht?
Daraufhin soll Emil S. geantwortet haben:
Ich habe niemanden umgebracht.
Er wurde gefragt, wie er dann zu dem Handy gekommen ist. Was die Polizistin von der Antwort des Angeklagten aussagt, wirkt wie die Lügengeschichte eines kleinen Kindes: Er habe in einem Kiosk nach einem Handy gesucht. Aber alle Angebote seien ihm zu teuer gewesen. Ein “bulgarischer Zigeuner” habe ihn wohl dabei beobachtet und sei danach auf ihn zugekommen. Dieser soll ihm dann ein Handy für 80 Euro angeboten haben.
Der Angeklagte hatte bei der Polizei ausgesagt, er habe diesen ominösen Mann nur dieses eine Mal gesehen. Angaben zu ihm konnte er nicht machen. Weder wo er sich aufhalten könnte, noch wie er aussah.
Aber er habe ihm noch eine Tüte abgekauft, in der sich verschiedene Gegenstände befunden haben sollen. Er soll angeblich gar nicht gewusst haben, was sich darin befindet. Als er bei der Polizei nach dem Inhalt befragt wurde, sagte er:
Das, was sichergestellt worden ist.
20 Euro habe er dafür bezahlt. Angesichts des geringen Einkommens des Angeklagten ein beachtlicher Betrag für eine Plastiktüte mit unbekanntem Inhalt. Bei der Polizei nahm man ihm das nicht ab und fragte nach. Darauf antwortete er laut Vernehmungsprotokoll:
Ja. So bin ich eben. Ich habe Mitleid mit diesen Menschen.
Er wurde auch gefragt, was er am 03. Oktober gemacht hat. Zuerst soll er behauptet haben, er sei arbeiten gewesen. Als er darauf hingwiesen wurde, dass es sich um einen Feiertag handelt, habe er angegeben, zuerst seine Familie und danach “einen Puff” besucht zu haben.
Das würde er jedes Mal tun, wenn er nach Mannheim kommt. Dabei suche er nach “einer bezahlbaren Bulgarin”, die “ein schönes Lächeln hat” und “geschwätzig ist”. Die Polizei sagt aus, sie habe ihn oft darauf hingewiese, dass sie seine Erzählungen für unglaubwürdig halte.
Wunsch nach Anwalt wurde ignoriert
Irgendwann habe der Angeklagte dann alles abgeblockt und die Worte geäußert:
Ich sage jetzt gar nichts mehr. Ich will zuerst einen Anwalt. Ihr lasst mich nicht rauchen. Was seid ihr für Menschen? Mein Kopf ist verwirrt. Ich will einen Anwalt.
Was danach passierte, ist der Öffentlichkeit unbekannt und wird das auch bleiben – weil die Polizei den Wunsch des Angeklagten ignorierte, ihm einen Anwalt zu beschaffen, dürfen die Inhalte der Vernehmung nicht in die Beweisaufnahme mit eingeführt werden.
Die Zeugin wurde dazu nicht befragt und die Protokolle sind jetzt aus gerichtlicher Perspektive wie “nicht existent”. Die Rechtsanwältin Inga Berg beantragte außerdem, die Zeugenaussage über die Vernehmung nicht zu verwerten.
Keine Tatvorwürfe zu Speyer und Grünstadt gemacht
Sie begründete es damit, dass der Angeklagte in der Vernehmung auch als Beschuldigter zu den Taten in Speyer und Grünstadt befragt wurde, ohne dass ihm ein Tatvorwurf gemacht worden ist. Das wäre ein Rechtsverstoß und könnte ein Verwertungsverbot nach sich ziehen.
Sicher ist, dass dem Angeklagten nur vorgeworfen wurde, das Mädchen aus Litauen umgebracht zu haben. Sicher ist auch, dass Fragen zu den Vorfällen in Grünstadt und Speyer gestellt worden sind. Außerdem wurden ihm später Bilder der Opfer gezeigt, um möglicherweise eine spontane Reaktion zu verursachen.
Kein Tatverdächtiger?
Die Polizistin streitet ab, ihn zu dem Zeitpunkt der Vernehmung als Tatverdächtigen im Hinblick auf die anderen Vergehen angesehen zu haben. Aber warum stellte sie dann die entsprechenden Fragen überhaupt? Und warum legte man dem Angeklagten Bilder des Opfers aus Speyer vor, um ihn zu einer spontanen Reaktion zu bewegen, wenn er sie wiedererkennt, man ihn aber eigentlich gar nicht verdächtigt?
Zum Zeitpunkt der Vernehumg war lange bekannt, dass die DNA, die an Gabrieles Leichnam gefunden wurde, mit der übereinstimmt, die unter den Fingernägeln des Opfers aus Speyer gesichert wurde. Man konnte also von identischen Tätern ausgehen. Aber man will ihn nicht als Tatverdächtigen betrachtet haben? Das erscheint mir absurd.
Bislang hat das Gericht noch nicht darüber entschieden. Frau Berg sagte auf Nachfrage, eine Ablehnung des Antrags wäre in ihren Augen Grund genug, eine Revision zu beantragen.