Mannheim, 20. Juli 2016. (red/ms) Das Rad wird im kommenden Jahr 200 Jahre alt und das will die Stadt Mannheim feiern. Die Planungen sorgen allerdings immer wieder für kontroverse Debatten im Gemeinderat und Grundsatzdiskussionen – so auch vergangenen Dienstag im Hauptausschuss. Nach aktuellem Stand wird es nun kein “echtes” autofreies Wochenende geben.
Nach einer langatmigen und verbohrten Grundsatzdiskussion bringt Dr. Birgit Reinemund (FDP) im Wesentlichen auf den Punkt, was die Diskussionen zum 200-jährigen Radjubiläum ausmacht:
Wir haben es geschafft, eine einfache Jubiläumsfeier ideologisch vollkommen zu überfrachten.
Die Fraktion der Grünen will ein autofreies Wochenende am 10. und am 11. Juni kommenden Jahres und die Innenstadt dafür für den Autoverkehr sperren. Der Einzelhandel hat damit massive Probleme und auch für die Anwohner könnte es erhebliche Schwierigkeiten bringen, wenn sie weder in die Stadt noch aus der Stadt kommen.
Der Samstag ist der Wochentag, an dem der Mannheimer Einzelhandel mit deutlichem Abstand den meisten Umsatz verzeichnet. Ein wesentlicher Teil der Kunden kommt dabei nicht aus Mannheim selbst, sondern der Umgebung – auch hier würde es voraussichtlich zu Einbüßen führen, wenn die Innenstadt nicht per Auto erreichbar ist. (Lesen Sie hierzu unser Interview mit dem Handelsverband-Präsidenten Schnabel: “Der Zugang zur City ist für uns eine Überlebensfrage”)
Bekannte Positionen – neu aufbereitet
Argumentation der Grünen auf das Wesentliche reduziert, vorgetragen von Dirk Grunert (kein wörtliches Zitat):
Ist doch nur ein einziger Tag, habt euch doch nicht so. Ihr werdet sehen, das wird toll!
Argumentation der CDU auf das Wesentliche reduziert, vorgetragen von Nikolas Löbel (wörtliches Zitat):
Autolos gar nichts los!
Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz hatte vor den Beratungen im Hauptausschuss angemerkt, die Positionen der Fraktionen und Gruppen wären im Wesentlichen bereits bekannt, man müsse nicht allzu tief in die ideologische Grundsatzdebatte einsteigen.
Was folgte war eine ideologische Grundsatzdebatte, die sich über etwa eine Stunde zog.
Innenstadt bleibt zugänglich – auch für Autos
Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, am Sonntag des Jubiläumswochenende einen zweiten verkaufsoffenen Sonntag für die Innenstadt auszurufen – üblich ist allerdings nur einer pro Jahr. Wie Oberbürgermeister Dr. Kurz betonte, kam die Anregung eines zweiten verkaufsoffenen Sonntags nicht vom Einzelhandel, sondern der Verwaltung.
Nachdem sich zeigte, dass der Vorschlag der Verwaltung keine Mehrheit finden würde, wurde er zurückgezogen. Ansonsten wurde die Vorlage bei Gegenstimmen der Grünen mit großer Mehrheit beschlossen. Das heißt:
- Am 10. und 11.Juni 2017 wird im Bereich der Innenstadt das Festwochenende „200 Jahre Fahrrad“ durchgeführt.
- Am Festwochenende soll der öffentliche Raum “als Flanier-, Spiel-, Begegnungs- und Veranstaltungsort genutzt und wahrgenommen werden”. Dabei wird eine hohe Besucherzahl angestrebt.
- Manche Bereiche der Innenstadt werden für den Autoverkehr gesperrt – aber nicht die gesamte Innenstadt. Möglich ist, dass noch weitere Flächen mit aufgenommen werden.
- Einige Parkhäuser sollen befahrbar bleiben. Die Parkgarage G 1 wird Anwohnern zur Verfügung gestellt als Ersatz von Straßenraumparkständen.
- Den Besuchern werden Zusatzangebote wie vergünstigter Nahverkehr oder Rad-Taxen unterbreitet, um die Innenstadt ohne Auto zu erreichen.
Neben den geplanten Feierlichkeiten lässt sich das Radjubiläum, wenn man es darauf anlegt, mit sehr viel Ideologie verbinden. Klar ist allen Beteiligten, dass in naher Zukunft Diskussionen über Mobilität unausweichlich sein werden. Die Stadt Mannheim plant, den Radverkehr auszubauen und den Anteil von Autoverkehr, insbesondere in der Innenstadt, deutlich zu reduzieren.
Debatte lange nicht befriedet
Die Fraktion der Grünen verfolgt schon seit geraumer Zeit das Ziel, ein autofreies Wochenende durchzusetzen – man solle wenigstens einmal ausprobieren, wie sich die Innenstadt ohne Autoverkehr erleben lasse. Grundsätzlich wird diese Idee von der SPD und der Linken unterstützt.
Sie lässt sich aber nicht ohne Herausforderungen verwirklichen. Ein einfaches Beispiel: Wie sollen etwa Markthändler ihr Geschäft betreiben, wenn sie keine Lieferungen empfangen können? Was ist mit Anwohnern, die ihr Auto an Wochenenden beruflich nutzen müssen?
Offene Fragen
Bislang wurde im Mannheimer Gemeinderat kein Konsens ersichtlich, was diese Fragen angeht. Im Gegenteil. Laut Dirk Grunert müsse man für „diese konkreten Probleme natürlich noch Lösungen finden“. Bislang gibt es nach Kenntnisstand der Redaktion aber noch keine Konzepte dazu.
CDU, FDP und Mannheimer Liste wiesen in mehreren Wortmeldungen darauf hin, dass die Akzeptanz für die Feierlichkeiten geschmälert werden könne, wenn man den Anwohnern zu viel zumutet. Dr. Birgit Reinemund führte dazu aus:
Wir können kein Fest gegen die Einwohner und den Einzelhandel feiern. Das Jubiläumswochenende ist vielleicht nicht der richtige Augenblick, ein Verkehrsexperiment zu starten.
Die Debatte um ein „echtes“ autofreies Wochenende dürfte damit aber noch lange nicht befriedet sein.