Mannheim, 20. November 2013. (red/ld) Man könnte es als “Zoo” bezeichnen, was Philipp Harth geschaffen hat. Seine Spezialität waren Tierplastiken, die er detailgetreu in Stein, Bronze und Holz festhielt. Mehrere seiner Werke stehen in Mannheim: Der Pelikanbrunnen in O7 zum Beispiel. Ein schreitender Tiger steht an der Kunsthalle und ein ebenfalls schreitender Löwe auf dem Friedrichsplatz.
Von Lydia Dartsch
Es hätten bronzene Störche werden sollen statt steinerner Pelikane. Sie sollten in einem dazugehörigen Brunnen den Hof der Schönauschule zieren. Doch weil in Mannheim kurz nach dem Krieg Metall knapp war und es viele Diebstähle gab, wollte Oberbürgermeister Hermann Heimerich lieber Figuren aus Stein haben – die langen, schlanken Beine der Störche seien so aber nicht realisierbar gewesen, sagt Dr. Eberhard Vogel, der seit einigen Jahren über den Künstler, Philipp Harth, forscht. Deshalb habe der Bildhauer beschlossen, Pelikane in den Brunnen zu stellen.
Im Jahr 1954 wurde der Brunnen im Hof der Schönauschule aufgestellt. Das Bassin diente den Schülern an Sommertagen als Planschbecken. Doch wie so viele Kunstwerke und Gegenstände im öffentlichen Raum waren auch die Pelikane dem Vandalismus ausgesetzt. Beispielsweise wurde einem Pelikan der Kopf abgeschlagen. Der Mannheimer Bildhauer Gerd Dehof reparierte den steinernen Vogel. Nach der Reparatur wurden die Pelikane im Jahr 1968 in den Brunnen im Scipio-Garten in N5 aufgestellt. Im Jahr 1980 wurde der Brunnen wieder mit Bassin in P7 vor dem Gebäude der Deutschen Bank gestellt, wo heute der Papyrusbrunnen steht. Erst später fand er seinen heutigen Platz im Quadrat O7 zwischen zwei Cafés, umsäumt von einer kleinen Rasenfläche unter Trauerweiden.
Drucker, Bildhauer und Architekt
Philipp Harth war bereits in den Vorkriegsjahren berühmt für seine Tierskulpturen und -plastiken. Geboren am 09. Juli 1885 sei sein weiterer Werdegang lückenhaft, sagt Dr. Vogel. Für vieles fehlten die Belege. Mündlich überliefert ist eine Lehre zwischen 1901 und 1903 bei seinem Vater als Lithografen – als Steindruckers – und eine Bildhauerlehre in Karlsruhe danach. Ein Zeugnis der großherzoglichen Kunsthochschule in Karlsruhe belegt zudem ein Semester in Zeichnen und Aktmalerei.
Im Jahr 1908 zog Philipp Harth nach Berlin und heiratete dort die spätere Opernsängerin Ida zur Nieden. In dieser Zeit soll er in München, Worpswede und Mainz gelebt und gearbeitet haben. In dieser Zeit fertigte der Bildhauer seine ersten Tierplastiken aus Holz. Außerdem soll er eine Architektenlehre bei Peter Behrens und Hermann Muthesius begonnen haben.
Als der erste Weltkrieg ausbrach, ging er als Soldat an die Front. Zu 80 Prozent kriegsversehrt kehrte er im Jahr 1917 zurück und begann 1920 ein Studium an der Kunstgewerbeschule Charlottenburg bei Hans Perathoner im Fach Bildhauerei.
Über seine Freundschaft mit der Familie des Philosophen Ernst Cassirer lernte er den Gründer der Odenwaldschule Paul Geheeb kennen, mit dem er bis zuletzt eng befreundet war. Zwischen seiner Rückkehr aus dem Krieg im Jahr 1917 und der NS-Machtergreifung lehrte er immer wieder für kürzere Zeitabschnitte Kunsterziehung an der Odenwaldschule in Heppenheim. Ab März 1933 erfuhr die Schulleitung harte Repressionen gegen die Schulform und den Unterricht. Ende 1933 wurde sie geschlossen und Paul Geheeb emigrierte mit seiner Frau Paula Cassirer Geheeb in die Schweiz.
Ausbildung überliefert, nicht belegt
In dieser Zeit begann er, sich ganz auf Tiere als Vorbilder seiner Werke zu konzentrieren. Überliefert sind Studienaufenthalte in Paris, Rom, Hamburg, Köln und im Hauptgestüt Trakehnen. In Schwaz in Tirol arbeitete er bei einem Holzschnitzer, um die Kunst der Holzbearbeitung zu erlernen. Davon zeugen viele Briefe, die er an seine Frau geschrieben hatte.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten und die Veränderungen des politischen und gesellschaftlichen Klimas beeinträchtigten ihn zunächst kaum. Er arbeitete weiter in seinem Berliner Atelier. Harth-Experte Dr. Vogel geht davon aus, dass Harth zumindest die Kunsttheorie der nationalsozialistischen Ideologie teilte und die Entwicklungen in der Kunstpolitik begrüßte: Diese besagte, dass Völker eigene Kunstverständnisse entwickelten.
Der Künstler unter dem NS-Regime
Doch im Laufe der Zeit kamen immer mehr Zweifel auf. Da viele seiner Freunde und Bekannten Juden waren, bekam er die Folgen des Regimes unmittelbar zu spüren, als immer mehr Menschen verhaftet wurden oder ins Ausland emigrierten. Zudem war ein in München ausgestelltes Werk von ihm 1935 als “entartet” beschlagnahmt worden.
Auf der anderen Seite waren seine Arbeiten bei der politischen Führung beliebt. Er bekam öffentliche Aufträge von Städten. Sein Tiger, dessen Guss 1937 von der Kunsthalle und auch vom Reichsluftfahrtministerium angekauft. Ein weiterer Guss wurde unter anderem auf der Weltausstellung in Paris gezeigt, wo Harth die Goldmedaille des Grand Prix gewann. Auflagen durch das Regime gab es keine, worüber er sich in seinen Briefen an Freunde dankbar zeigte.
Innere Emigration durch Schicksale jüdischer Freunde
Philipp Harth wurde außerdem zum Vorsitzenden der Künstlergruppe “Berliner Secession” gewählt und erhielt im Jahr 1935 den Villa-Romana-Preis des Deutschen Künstlerbunds. Gleichzeitig lösten die Schicksale seiner jüdischen Freunde bei ihm einen Rückzug aus der Politik in die Arbeit aus – eine “innere Emigration”, wie es Dr. Vogel nennt.
Schließlich zogen Harth und seine Frau im Jahr 1941 nach Offenhausen auf die Schwäbische Alb. Sein Atelier in Berlin Charlottenburg wurde 1943 im Krieg zerstört. Das Atelier in Grunewald blieb zwar unversehrt. Dennoch sei dort nichts von Philipp Harth erhalten geblieben, sagt Dr. Vogel.
Nach dem Krieg – im Jahr 1946 – zog er ins oberbayerische Bayrischzell. In den folgenden Jahren wurde seine Arbeit vermehrt ausgezeichnet. Im Jahr 1957 erhielt Philipp Harth den Cornelius-Preis der Stadt Düsseldorf. Ein Jahr später den Kunstpreis für Bildhauerei der Landesregierung Rheinland-Pfalz. Im Jahr 1962 verlieh ihm die Stadtverwaltung Mainz den Kunstpreis der Stadt anlässlich der 2000-Jahr-Feier. Im Jahr 1967 wurde er als Ehrenmitglied in die Akademie der Bildenden Künste München aufgenommen und erhielt im selben Jahr das silberne Stadtsiegel der von Mainz zum 80. Geburtstag.
Am 25. Dezember 1968 starb Philipp Harth in Bayrischzell. In seinem Wohnhaus und Atelier wurde nach seinem Tod ein Museum mit 150 Exponaten eingerichtet. Im Jahr 1991 wurde die Philipp Harth Gesellschaft e.g.V. gegründet. Neben dem Pelikanbrunnen hat die Stadt Mannheim in den Nachkriegsjahren den schreitenden Tiger und zwei schreitende Störche von Philipp Harth gekauft. Der schreitende Löwe auf dem Friedrichsplatz ist sogar – wie die Pelikane – ein Unikat, da die Gussform dafür nach der ersten Figur zerstört worden war. Einen Reiher von ihm gibt es auf dem Hof des Liselotte-Gymnasiums zu sehen.
Anmerkung der Redaktion: Herzlichen Dank an Silvia Köhler von den Mannheimer Künstlernachlässen. Im Rahmen der Berichterstattung zu der Ausstellung der Künstlernachlässe im Rathaus hatte sie die Idee, die Kunstwerke im öffentlichen Raum in einer Serie vorzustellen.