Mannheim/Weinheim/Rhein-Neckar/Stuttgart, 16. Januar 2014. (red/ld) Seit Anfang des Jahres wird der Ärztemangel auch in städtischen Ballungsgebieten spürbar. Um die ärztliche Notfallversorgung auch außerhalb der Sprechstunden gewährleisten zu können, wurden die vorher 400 Notfalldienstbezirke im Land auf nur noch 55 eingedampft. In Mannheim und Weinheim soll sich dadurch nicht viel ändern, heißt es seitens der Kassenärztlichen Vereinigung – zumindest für die Patienten. Für die Bereitschaftsärzte wächst dagegen die Belastung, sagt Dr. Bernhard Schindler. Dabei soll die Reform unter anderem den Bereitschaftsdienst attraktiver machen.
Von Lydia Dartsch
An Wochenden zählt Dr. Bernhard Schindler aus Mannheim zwischen 100 und 130 Patienten im ärztlichen Bereitschaftsdienst in der Cheliusstraße. Um die Weihnachtsfeiertage seien sogar bis zu 500 Patienten am Tag gekommne. Sie werden behandelt von einem Allgemeinarzt, einem Augen- und einem Kinderarzt. Den Hals-Nasen-Ohrenarzt und den Bereitschaftsarzt für Orthopädie/Chirurgie gibt es seit Anfang dieses Jahres nicht mehr.
Für Bereitschaftsarzt bedeutet dies mehr Patienten in der gleichen Zeit zu behandeln. Für die Patienten bedeutet das längere Wartezeiten und teilweise sogar mehr Rennerei: Wer beispielsweise mit einem vermeintlichen Knochenbruch in die Bereitschaftspraxis kommt und geröngt werden müsste, wird zum Röntgen an die Klinik überwiesen. Die Wartezeit dafür könnte man sich sparen. Laut Dr. Schindler ist das eine Verschlechterung der Versorgung, denn alle Symptomatiken könne ein Internist nicht behandeln:
Die Medizin ist heutzutage so komplex, dass es meist besser ist, wenn Patienten gleich von einem Facharzt behandelt werden.
Doch haben die meisten Fachärzte nur bis 17:00 Uhr Sprechstunde. “Die Hexe schießt”, laut Murphys Gesetz, erst freitagabends in den Rücken, wenn der Orthopäde schon im Wochenende ist. Solche Fälle können Internisten schon behandeln, sagt Dr. Schindler, der seit 33 Jahren Bereitschaftsdienste übernimmt. Zudem könnten es sich einige Menschen auch nicht mehr leisten, während ihrer Arbeitszeit zum Arzt zu gehen und nähmen deshalb nach Feierabend den Bereitschaftsdienst in Anspruch. 67.000 Patienten kamen im Jahr 2012 in die Cheliusstraße. In der ersten Jahreshälfte von 2013 waren es 22.300.
Grund für die Veränderung ist die Bezirksreform der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Die vorher 400 Dienstbezirke wurden aktuell auf 55 reduziert. Am Ende würden es 66 sein, sagt Kai Sonntag, Pressesprecher der KVBW. Damit will der Verband den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherstellungsauftrag weiter gewährleisten. Dieser besagt, dass die Versicherten zu jeder Zeit und an jedem Ort unabhängig vom Status und von ihrer Krankenkasse einen Arzt oder Psychotherapeuten ihrer Wahl aufsuchen können, heißt es dazu auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Allerdings bezieht sich dieser nur auf die allgemein- nicht auf die fachärztliche Versorgung. Im Rahmen des Sicherstellungsauftrags sind alle approbierten Ärzte dazu verpflichtet, Bereitschaftsdienste zu übernehmen, oder eine Vertretung zu organisieren. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 06. Februar 2008 trifft dies auch Pathologen.
Verpflichtung zur Bereitschaft
Für Ärzte im ländlichen Raum führe die Reform zu einer Zentralisierung der Bereitschaftsdienste und zu einer Entlastung, sagt Kai Sonntag. Bei unterschiedlicher Ärztedichte in den Bezirken sei es dadurch dazu gekommen, dass Ärzte in der Stadt deutlich seltener Bereitschaftsdienste anbieten mussten als Ärzte im ländlichen Raum, sagt Herr Sonntag. Dies sei ein Grund, weswegen sich junge Ärzte lieber in der Stadt niederlassen als auf dem Land. Da der ärztliche Bereitschaftsdienst im ländlichen Raum seltener in Anspruch genommen wird und die Ärzte pro Patient bezahlt werden, sei der Bereitschaftsdienst auf dem Land bisher sehr unattraktiv, sagt Herr Sonntag.
Diese Diskrepanz habe sich durch die Gebietsreform ein wenig entspannt. Notfallpraxen würden vermehrt zentral an den Kliniken errichtet, wie es derzeit in Weinheim der Fall ist. In Schwetzingen ist dies für die Zukunft angedacht. In Mannheim laufe der Mietvertrag für die Notfallpraxis in der Cheliusstraße – gegenüber des Universitätsklinikums – noch bis zum Jahr 2017, sagt Dr. Schindler. Für die Versicherten ändere sich dadurch wenig. Es werde für sie sogar einfacher, am Wochenende eine Bereitschaftspraxis aufzusuchen, sagt Herr Sonntag:
Früher musste man nachschauen, wer gerade Bereitschaft hat. Durch die Zentralisierung wissen die Patient/innen sofort, wohin sie sich wenden können und immer einen Arzt antreffen.
Kostenersparnis sei kein Ziel der Reform gewesen, sagt Kai Sonntag auf Nachfrage. Vielmehr sei es ein Schritt zu mehr Transparenz im System. Da die Finanzierung der ärztlichen Bereitschaftsdienste bis Ende 2013 von lokalen Vereinen geregelt wurde, konnten über die Kosten keine Erhebungen angestellt werden. Seit Anfang des Jahres wird die Finanzierung durch die Kassenärztliche Vereinigung organisiert. Die Kosten werden gedeckt durch die Zahlungen der Krankenkassen in Höhe von zwischen 60 und 65 Millionen Euro und einer Umlage der KVBW-Mitglieder – Ärzte und Psychologen – in Höhe von 30 bis 35 Millionen Euro pro Jahr.
Ärtliche Bereitschaft und Rettungsdienst
Der ärztliche Bereitschaftsdienst in der Cheliusstraße 6, in Mannheim ist an Wochentagen zwischen 17:00 und 07:00 des Folgetags besetzt. Mittwochs schon ab 13:00 Uhr. An Wochenenden ist der ärztliche Bereitschaftsdienst von freitags 17:00 bis montags 07:00 Uhr erreichbar. In Weinheim ist der Bereitschaftsdienst in der GRN-Klinik in der Röntgenstraße 1 angesiedelt und wochentags von 19:00 bis 07.00 Uhr des Folgetags sowie mittwochs ab 13:00 Uhr und an Wochenenden von freitags 19:00 bis montags 07:00 Uhr geöffnet. Zu den gleichen Zeiten ist der ärztliche Bereitschaftsdienst in der Markgrafenstraße 2 in Schwetzingen geöffnet. Die drei Bereitschaftspraxen sind jeweils über die Stadtvorwahl gefolgt von der 19292 zu erreichen.
Allerdings darf man den ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht mit dem Rettungsdienst verwechseln. Dieser ist in lebensbedrohlichen Situationen zuständig. Zu den Notfällen zählen auch Brustschmerzen, die typischerweise auf einen Herzinfarkt hindeuten oder auch Schlaganfallsymptome. In diesen Fällen alarmiert man den Notruf 112.