Ladenburg, 16. Juli 2013. (red/aw/hp) Wenn Ihnen das Polizeiaufkommen in Ladenburg dieser Tage besonders groß erscheint, dann lassen Sie sich nicht beunruhigen. Viele von den Uniformierten sind Schauspieler. Sie spielen an der Seite von Richy Müller und unter der Regie von Roland Suso Richter mit in dem Spielfilm “Ein todsicheres Ding”. Wir haben die Dreharbeiten der SWR/Maran-Produktion besucht, mit Regisseur und Darstellern gesprochen und erfahren, dass ein Filmdreh vor allem eines braucht: Geduld.
Von Alexandra Weichbrodt
Polizeirevierleiter Frank Hartmannsgruber sagt: “Wissen Sie, was die meistgestellte Frage dieser Tage an Beamte auf Streife ist?” Welche? “Sind Sie echt?” Denn seit Tagen wimmelt es von Polizei in Ladenburg – oder zumindest Männern, die täuschend echt so aussehen in ihren Polizei-Uniformen. Doch ehrlicherweise geben die mutmaßlichen Beamten gleich zu: “Wir sind nur Komparsen.”
Ludwig Asal aus Ludwigshafen ist einer von rund 300 Komparsen, die derzeit in Ladenburg am Filmset von “Ein todsicheres Ding” mitwirken. Naja, wenn sie denn dran sind. Zunächst heißt es erst einmal warten. Die Komparsen haben schon in zahlreichen Filmen als Polizisten mitgespielt, u.a. im Ludwigshafener Tatort. Im echten Leben tragen sie keine Uniform oder Waffe. Sie arbeiten im Öffentlichen Dienst und in der Versicherungsbranche.
Bei Ludwig Asal war es die Neugier, die ihn dazu bewegte, sich einmal als Statist für eine Rolle beim Film zu bewerben:
Mich interessierte die Produktion und die Entstehung eines Films, daher bewarb ich mich vor Jahren mal bei einer Agentur. Seitdem wirke ich hin und wieder in einigen deutschen Spielfilmen und Serien mit.
Meist ist es nur ein kurzer Auftritt. Sie sind die Menschen im Hintergrund, die der Zuschauer oft gar nicht wirklich wahrnimmt. Doch ihr Dasein hat Berechtigung: “Ohne Komparsen und Statisten würde die Filmszene nicht real wirken, nicht lebendig”, erklärt Ludwig. Für den Angestellten im Öffentlichen Dienst ist das ein Hobby. Bei der Höhe der Honorierung für Komparsen könne man von keinem sehr ertragreichem Nebenjob sprechen, so der Ludwigshafener. Die Entlohnung variiert je nach Filmprojekt. Ebenso, wie die Länge des Arbeitstages. Ein Großteil des Arbeitstages besteht allerdings auch nur aus Warten.
“Achtung, wir drehen!”
Während unseres Gespräches mit den verkleideten Polizisten ist vom Rest des Teams nicht viel zu sehen. Nur wenig Equipment und Requisiten weisen daraufhin, dass hier am Ladenburger Marktplatz gerade ein Spielfilm gedreht wird. Das eigentliche Schauspiel findet zu diesem Zeitpunkt im “Vanité” statt. Die Restaurant-Bar dient im Streifen als Einsatzzentrale von Polizei und Spezialeinsatzkommando. Würde eine junge Produktionsassistentin uns nicht regelmäßig mit einem Finger auf den Lippen daran erinnern, dass wir leiser sprechen sollen, könnte man fast vergessen, dass hier Dreharbeiten laufen.
Der Plot der Geschichte ist spannend, nervenaufreibend und nah dran am wahren Leben. Klaus Roth, gespielt von Richy Müller, braucht dringend Geld. In seiner Verzweiflung schmiedet er mit seinem Kumpel Achim Buchert (Martin Butzke) den Plan einen Geldtransporter zu überfallen. Aber die Aktion geht schief und endet mit einer Geiselnahme in einer öffentlichen Bank. Es beginnt ein gefährliches Spiel auf Zeit, in dem sich die örtliche Polizei und das gerufene Spezialeinsatzkommando (SEK) nicht immer einig sind. Die Hauptrollen der Einsatzkräfte werden von Julia Brendler, Christian Beermann, Dieter Gring und Rainer Furch gespielt.
Dieter Gring ist der erste Hauptdarsteller, den wir zu Gesicht bekommen. Er spielt den Chef des SEK, steht in voller Kampfmontur vor dem Eingang der Bar und wartet auf seinen Einsatz. Die Sonne brennt. Gring macht Entspannungsübungen. Der Produktionsleiter Jürgen Weissenrieder gibt ihm ein Zeichen, dann stürmt er zur Tür hinein. Was genau im Innern des Gebäudes vor sich geht, kriegt man hier draußen nur mit, wenn man eines der Funk-Headsets trägt. Darüber kommuniziert die Crew am Set, kündigt den Drehbeginn an und gibt Einsätze durch. Weissenrieder hat so ein Headset, ebenso wie die junge Produktionsassistentin, mit dem Finger auf den Lippen.
Mit der Rolle identifizieren
Für den Schauspieler Gring war es nicht einfach, sich mit der Rolle im Vorfeld auseinander zu setzen. Gring spielt den Leiter des SEK, Simon Rost. In seiner Karriere ist dies der erste Banküberfall. Die Vorbereitung auf die Rolle als Beamter einer Spezialeinheit gestaltete sich schwierig, da nicht viele Details aus dem täglichen Geschäft des SEK bekannt sind. Er habe sich viele Videos angeschaut, “das war schon spannend”. Sein Charakter ist im Drehbuch, geschrieben vom Hamburger Holger Karsten Schmidt, zwar detailliert beschrieben, lasse ihm aber noch genügend Freiraum für eigene Interpretation.
In der Rolle habe ich vor allem ein Problem mit der Autorität von Alexandra Beck, gespielt von Julia Brendler. Eine Frau als Leiterin des Landeskriminalamtes (LKA), die uns Einsatzkräften den Weg vorgibt, passt meiner Rolle in einigen Szenen gar nicht. Die angemessene schauspielerische Reaktion darauf war eine Herausforderung,
erzählt Dieter Gring. Aber natürlich nur in der Rolle. Insgesamt herrsche eine “angenehme Atmosphäre” am Set. Kurz vor 13 Uhr verkündet Prouktionsassistent Weissenrieder: “Mittagspause”. Gemeinsam geht die ganze Crew zum Essen. Nur Kameramann Jürgen Carle nicht, ihm sei “heute nicht nach Fisch”. Gelegenheit für uns, mehr von ihm und seiner Arbeit am “todsicheren Ding” zu erfahren. Carle drehte bereits zuvor mit Regisseur Roland Suso Richter und Büchern von Holger Karsten Schmidt. Zuletzt den Stuttgarter Tatort “Spiel auf Zeit”, mit Richy Müller als Hauptermittler.
Ladenburg gefällt
Carle gefällt Ladenburg, hier habe man alles, was für den Film gebraucht werde. Die Besonderheiten bei diesem Dreh seien vor allem die “Dichte der Schauplätze” und die “chronologische Aufnahme”. Der Film selbst spielt an einem Tag. Gedreht wird nur zwanzig Tage lang. Das ist knapp bemessen:
Eine Herausforderung. Da wir aber an wenigen, nah beieinander liegenden Schauplätzen drehen, schaffen wir das ohne große Umzüge,
erklärt Carle. Gemeinsam mit seinem Kollegen Christoph Schmitz versucht er trotz des begrenzten Raums, “alles so einzufangen, dass es gut aussieht”. Die Bankszene wird in einer ehemaligen Schlecker-Filiale gedreht. Es ist klein und eng, die Luft stickig. “Dadurch wirkt das Ganze automatisch authentisch.” Das Drehbuch findet Carle “stimmig”, seine Kameraarbeit habe “Interpretationsspielraum”. Aufgenommen wird nur noch mit HD-Technik, alles digital.
Nur das Wetter mache hin und wieder Schwierigkeiten: Da der Film an einem Tag spielt, darf sich das Wetter eigentlich nicht maßgeblich verändern. “Aber gut, an einem Sommertag kann es ja auch hin und wieder mal kurz regnen und danach scheint wieder die Sonne.” Seine Aufgabe liege darin, solche Licht- und Vegetationsveränderungen möglichst zu kaschieren, erklärt Jürgen Carle. Ansonsten laufe alles “glatt”. Die Dreharbeiten liegen voll im Zeitplan. Auch, weil Regisseur Roland Suso Richter, gerne gleich die erste Probe aufnimmt.
Die Besonderheit: Die Tiefe der menschlichen Psyche
Der Regisseur gesellt sich zu uns. Er ist ebenfalls angetan vom schönen Ladenburg:
Der Drehort sollte zentral an einem Marktplatz gelegen sein, ohne großen Durchgangsverkehr. Hier in Ladenburg haben wir einen eigenen kleinen Mikrokosmus gefunden, genau was wir suchten.
Es ginge gut voran, auch “weil die Schauspieler alle sehr konzentriert arbeiten”, lobt der Regisseur sein Cast. Die Proben lasse er mitfilmen, weil die Schauspieler oft spontane, natürliche Elemente in die Szene einbringen, die nach mehreren Durchläufen eventuell verloren gingen. Trotz der zügigen Aufnahme komme so enorm viel Material zusammen, an einem Drehtag bis zu 250 Minuten, dass später im Schnitt gesichtet und bearbeitet werden müsse.
Die Besonderheit in der Geschichte von “Ein todsicheres Ding” sieht Richter in der Tiefe des Themas. “Worum es geht? Um die Psyche des Menschen und die Verzweiflung, die einen manchmal in Situationen treibt, die man vorher nicht absehen konnte”, sagt der Regisseur. Umsetzen will er das Ganze mit vielen verschiedenen Einstellungen, die sonst nicht so häufig in Fernsehfilmen vorkommen. “Ich stelle mir einen schnellen, flotten Schnitt vor, der trotz des Tempos die Emotionen und Gedanken der Figuren deutlich macht”, erklärt Richter.
Obwohl er genau wisse, was er wolle, so Richter, ließe er sich gerne vom ersten Rohschnitt des Films überraschen. Die Auswahl der Szenen liegt dann ganz in der Hand des Cutters. Diesen “objektiven Blick auf den Film”, wolle er sich nicht verderben lassen, in dem er irgendwelche Takes oder Szenen vorgibt. Einen wirklichen Überblick habe er bei den Massen an Material eh nicht.
“Er weiß genau was er will”
Die Mittagspause ist vorbei. Ein gute halbe Stunde später wird also weitergedreht. “Zurückgedreht” hingegen wird die Armbanduhr von Rainer Furch. “Details auf die man achten muss”, sagt Furch, der im Film die Rolle des Polizeihauptmeisters, Michael Witt, spielt. Witt ist der eigentliche Platzhirsch der Einsatzkräfte, er kennt den Geiselnehmer Roth persönlich und würde die ganze Geschichte gerne selbst regeln, ohne LKA und SEK. “Doch daraus wird nichts”, verrät Furch.
Das Drehbuch von Holger Karsten Schmidt findet er fantastisch:
Ich habe es in einem Rutsch durchgelesen, ganz toll.
Auch die Art und Weise wie Regisseur Richter die Dreharbeiten durchführt begeistern ihn. “Roland Suso Richter weiß genau was er will und lässt uns Schauspielern trotzdem alle Freiheit”, sagt Furch. Auch die chronoligische Drehweise der Filmszenen hält er für ideal. Dann geht alles ganz schnell: “Rainer, dein Einsatz”. Und Furch verschwindet in der Bar.
Die Kommandoeinsatzzentrale wurde für den Dreh nicht groß verändert. Die loungige Bar, mit modernen Farben und großen Kristallleuchtern wurde im Originalzustand für die Filmarbeiten belassen. Nur die zahlreichen Laptops, Stadtkarten und Walkie-Talkies lassen vermuten, dass hier heute keine Cocktails serviert werden. Die Räumlichkeiten sind klein, aber für die Crew ausreichend. Während des Drehs sitzt der Regisseur im winzigen Nebenzimmmer, der Kameramann steht hinter der Theke und Maskenbilderin sowie weitere fleißige Produktionshelfer platzieren sich im Flur vor den Toiletten.
“Alles auf Anfang, bereit? Kamera, bereit?”
Es herrscht wuseliges Treiben bevor der Dreh der Szene beginnt. Da werden Kabel gezogen, Kameras auf- und abgebaut, Equipment versteckt und verschoben. Als reiner Beobachter kommt man sich schnell fehl am Platz vor. Vor allem, wenn plötzlich eine Stimme ruft “Alles auf Anfang, bereit? Kamera, bereit? Ton, bereit?” Die, die gerade noch zwischen den Schauspielern auf dem Boden robbten, um Kabel zu ziehen, verschwinden wie von Zauberhand. Schnell und unauffällig, so dass aus der Kameraperspektive nicht mehr zu sehen ist, als zu sehen sein soll.
“Moment, wir warten noch auf die Aufspiegelung.” Es sind also nicht nur die Komparsen, die Geduld brauchen. Auch die Hauptdarsteller, müssen hin und wieder warten. Sei es auf die Technik, die Sonne oder aber die Umsetzung der Regisseur-Wünsche. “Bereit? Okay, wir drehen!” Die gedrehte Szene beinhaltet viel Text. Problemlos absolvieren Julia Brendler und Rainer Furch ihren Dialog. Alle anderen Akteure sind mucksmäuschen still. Auch, wenn sie hin und wieder so tun, als würden sie sich unterhalten oder telefonieren, hört man nur die beiden Darsteller. Der Rest schauspielert und bewegt stumm die Lippen. Nach einigen Takes ist die Szene im Kasten.
Für die nächste Einstellung muss wieder umgebaut werden. Die Kamera in eine andere Position, die Strahler und Kabeltrommeln verschieben. Während die Crew flink Stecker zieht, umräumt und wegräumt, wartet der Rest. Ebenso, wie die falschen Polizisten draußen. Noch keine Minute waren sie heute vor der Kamera und es ist schon fast Nachmittag. Aber so ist das eben. Geduld ist eine Tugend, ganz besonders beim Film.
Und auch wir Zuschauer müssen uns in Geduld üben. Denn ein Ausstrahlungstermin für “Ein todsicheres Ding” steht noch nicht fest. Wir haben aber, um die Wartezeit etwas zu verkürzen, einige Bilder der Dreharbeiten in einer Galerie für Sie zusammengestellt. Viel Vergnügen!
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