Südwesten, 17. März 2016. (red) Vorstellbar sind nach der Landtagswahl diese Koalitionen: grün-schwarz, schwarz-rot-magenta oder grün-rot-magenta. Kuchen, die durch drei geteilt werden müssen, schmecken nicht so gut, wie solche, die sich zwei teilen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist kein Ideologe, sondern Pragmatiker. Und souverän genug, um die CDU als Partner zu akzeptieren, ohne dass die Schwarzen sich schämen müssen. Entscheidend ist die Personalie Guido Wolf und eine anständige Lösung.
Kommentar: Hardy Prothmann
Wir haben die Nachricht vor allen anderen – Grüne und CDU einigen sich auf eine Koalition. Das ist eine Sensation – aktuell wird noch an der Botschaft gefeilt, aber im Grunde ist man sich bereits handelseinig. Ok – das ist jetzt etwas dreist. Wir denken, dass das die Nachricht sein wird.
Warum?
Die Grünen kommen heim in den Schoß, aus dem sie Anfang der 70-er Jahre geboren wurden und die CDU akzeptiert das bislang ungeliebte Kind, das längst erwachsen geworden ist. Es ist fast wie eine Familiensaga und die Lichtfigur ist Winfried Kretschmann. Katholisch und konservativ. Kein Parteisoldat, sondern pragmatisch.
Grüne und SPD verbindet im Südwesten nichts – bis auf die Wähler, die die Grünen der SPD zuhauf entwendet haben, die die Grünen aber kein Bisschen sozialdemokratischer gemacht haben, sondern nur mächtiger.
Eigentlich müsste die SPD geradezu aus Prinzip mit der CDU koalieren und damit es zur Macht langt und irgendwie noch was gerettet werden kann. Ob mit Grünen oder CDU – ohne FDP geht es nicht und das ist nicht die Frage für die SPD. Sondern nur: Wollen wir uns reformieren oder komplett von den Grünen absorbiert werden? Und die Grünen denken: Wir konnten die eh nie leiden und die uns nicht – also ab mit dem Zopf.
Die CDU kann sich auf den Status “Juniorpartner” einlassen
Nach unseren Recherchen hat sich die CDU bereits damit abgefunden, “Juniorpartner” in einer Koalition mit den Grünen sein zu können. Klar, mit SPD und FDP wird auch sondiert. Aber mal ehrlich? Wäre das klug?
Da ist die Aussicht mit den Grünen schon viel besser – die wollen an der Macht bleiben, aber nicht mit Verlierern und Profilneurotikern. Und mal ehrlich – Winfried Kretschmann ist einfach der ideale Ministerpräsident. Katholisch, erzkonservativ und pragmatisch. Niemand sonst hat bisher das Kunststück fertig gebracht, eigene Parteipositionen so konsequent ins Gegenteil zu verkehren und das als Erfolg zu verkaufen. Da muss man einfach demütig sein und lernen wollen. Wäre Kretschmann CDU – die Konservativen würden ihn feiern wie einen Gott.
Die CDU muss und wird die Demütigung hinnehmen, nur Juniorpartner der Grünen zu sein. Das große Problem heißt Guido Wolf. Der wurde gerade als Fraktionschef bestätigt. Wie bekommt man den ohne Schaden weg?
Alles hängt von Guido Wolf ab und wie man mit ihm umgeht
Ein Weg könnte sein, dass man sich einer Schadensmeldung verweigert. Guido Wolf hätte das Zeug dazu – zu erklären, dass er sich der Verantwortung für das Land verpflichtet fühlt und keine persönlichen Wünsche darüber stellt. Jemand, der nur nach Macht strebt, könnte das nicht. Ein Guido Wolf kann das.
Sofern er nicht aus den eigenen Reihen torpediert wird – das wird für diese Koalitionsverhandlungen entscheidend sein. Sollten irgendwelche Leute versuchen, zum Nachteil anderer eigene Vorteile zu erreichen, wird es schief gehen und am Ende bleiben wahrscheinlich nur Neuwahlen, die wiederum vermutlich die AfD noch mehr stärken.
Der Landtag braucht eine starke Koalition
Die SPD ist so waidwund, dass sie kein verlässlicher Partner mehr ist. Die CDU hat zwar auch enorm verloren – aber grün-schwarz zusammen hat eine deutliche und klare Mehrheit im Landtag.
Die ist auf jeden Fall günstiger als eine schwache Koalition – denn es gibt eine neue Herausforderung im Landtag und die heißt AfD. Insbesondere die SPD hat – siehe Mannheim Nord – gegen die AfD kein Standing. Auch die Grünen und vor allem die CDU haben an den Newcomer verloren – aber eben nicht so bitter wie die SPD, die enorm Substanz verloren hat.
Winfried Kretschmann ist Pragmatiker, hat mit Spenden von Südmetall kein Problem und auch nicht mit der Zustimmung zu sicheren Drittstaaten. Damit wird die CDU leben können. Bei den Streitthemen Bildungs- und Verkehrspolitik kann man sich hier und da was geben und sich jeweils kritisch gegen den anderen äußern.
Ein Herr Kretschmann wird dann sagen:
Wissen Sie, auch in einer Ehe gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Am Ende kommt es darauf an, dass man gemeinsam den Weg geht.
Die Bildungspolitik wird nicht das Problem sein. Die Grünen könnten der SPD die Schuld an Fehlentwicklungen geben und sich mit der CDU auf Kompromisse einigen. Beim Verkehr dürfen sich beide streiten und profilieren. In der Flüchtlingsfrage kann die CDU in Deckung gehen und Kanzlerinnen-Beter Kretschmann machen lassen – geht es schief, war es Kretschmann, geht es gut, war es die CDU-Vorsitzende.
Die CDU hat weit mehr Verhandlungsmasse als SPD und FDP zusammen – also ist die Partei der interessantere Partner für die Grünen. Man hielte sich damit auch eine starke Opposition vom Leib und nimmt die CDU mit in die Verantwortung.
Die Grünen haben zudem die Chance, Brücken zur CDU zu bauen, denn alle wissen: Diese Wahl hat Kretschmann gewonnen. Aber in fünf Jahren wird Kretschmann eher nicht mehr zur Verfügung stehen und bis dahin sollten die Fundamente gegossen sein.