Mannheim, 16. März 2015. (red/ms) Es war ein Abend der großen Gefühle: Am Samstag wurde in der Alten Feuerwache der höchstdotierte Preis für deutsche Jazzbands vergeben. Drei Bands spielten jeweils 35 Minuten lange Sets in komplett unterschiedlichen Stilen, aber allesamt voller Emotionalität. Das Publikum durfte über über den Sieger abstimmen. Es entschied sich für das Filippa Gojo Quartett.
Von Minh Schredle
Sie kommen freudetaumelnd auf die Bühne und können ihr Glück offenbar selbst kaum fassen: Das Filippa Gojo Quartett hat gerade den Neuen Deutschen Jazzpreis 2015 gewonnen. Pianist Sebastian Scobel und Percussionist Lucas Meile strahlen über beide Ohren. Sängerin Filippa Gojo kann sich kaum noch auf den Beinen halten. Bassist David Andres wirkt den Tränen nahe.
Es ist ein ergreifender Moment. Auch Kurator Kenny Garrett wirkt berührt und lässt sich von den Musikern umarmen.
Deutschlands höchstdotierter Jazzpreis
Beim Neuen Deutschen Jazzpreis können 10.000 Euro gewonnen werden. Er ist damit der höchstdotierte Jazzpreis Deutschlands. Außerdem gibt es 1.000 Euro für den besten Solisten. Eine Jury hat unter gut 180 Bewerbern eine Vorauswahl getroffen. Aus diesen dreizehn Bands wählte der international bekannte Saxophonist und diesjährige Kurator Kenny Garrett drei Finalisten aus.
Den Gewinner wählt allerdings das Publikum. Den wenigsten der rund 500 Zuschauer dürfte die Abstimmung leicht gefallen sein. Denn alle Künstler haben auf einem Niveau gespielt, bei dem es schlichtweg unangebracht wäre, von besser oder schlechter zu sprechen: Hier kommt es nur noch auf den persönlichen Geschmack an. Man merkte an diesem Abend jedem einzelnen Künstler seine Liebe zur Musik an.
Überwältigender Auftakt
Das Filippa Gojo Quartett machte den Auftakt: Ihre Musik war die abwechlungsreichste. Es gab langsame Passagen, die sehr gesangsbetont waren und meist von Sehnsucht und Leidenschaft handelten. Dann abrupte Tempo- und Dynamikwechsel.
Die Gesangsleistung von Filippa Gojo war dabei einfach überwältigend: Jede Note saß perfekt und war gleichzeitig voller Seele. Auch Kurator Kenny Garrett sagte vor der Preisübergabe, dass ihre Stimme sein Herz berührt habe. Filippa Gojo gewann schließlich auch den Solistenpreis.
Auch Gojos Mitmusiker legten herausragende Leistungen an den Tag. Als die letzte Note ihres ersten Liedes ausklang, setzte ein tosender Applaus ein, der in seiner Lautstärke den gesamten Abend lang nicht mehr überboten werden sollte.
Gekonnt schräg
Saxophonist Lutz Häfner und Pianist Rainer Böhm wurden bei ihrem Auftritt von vier Cellisten begleitet. Die Gruppe nannte sich “Lutz Häfner & Rainer Böhm plus Celli”. Sie spielten den wohl klassischsten Jazz des Abends – allerdings gekonnt schräg: Eine Eigenkomposition namens “Wrongo”, ein Tango, der Moll und Dur vereint, war dabei besonders auffällig.
Lutz Häfner sagte am Ende der Komposition:
Wir haben uns nicht verspielt, das Stück ist tatsächlich so geschrieben worden.
Besonders interessant waren Häfners Spielereien mit dem Saxophon: Er benutzte gelegentlich schrille, quietschige Töne, die sehr gut zu dem insgesamt leicht skurillen Stil der Musik passte.
Der Auftritt der letzten Band names “Andreas Matthias Pichler” hatte nur wenig mit klassischem Jazz zu tun – trotzdem war es großartige Musik. Die beiden Brüder Andreas und Matthias Pichler spielten zu zweit mit einem Schlagzeug, einem Kontrabass und einem Banjo.
Sie kamen auf die Bühne, spielten ihre Songs und verließen die Bühne, ohne außerhalb ihrer Musik ein einziges Wort zu verlieren. Zwischen den einzelnen Stücken machten sie keine Pausen und die Übergänge waren teilweise so geschickt, dass es manchmal schwer fiel, zu erkennen, wann das eine Lied anfing und das andere aufhörte.
Dadurch, dass die verschiedenen Stücke insgesamt recht ähnlich klangen und es zwischen ihnen keine Unterbrechungen gab, wurde das Zuhören mit zunehmender Zeit etwas anstrengend und die beiden strapazierten die Geduld des Publikums ein wenig.
Jammern auf höchstem Niveau
Doch das ist Jammern auf allerhöchstem Niveau. Denn die Klangvielfalt, die die beiden Brüder mit den drei Instrumenten und ihrem Gesang erzeugten, war beeidruckend: Hätte man das Konzert blind gehört, hätte vermutlich kaum jemand darauf getippt, dass nur zwei Musiker auf der Bühne stehen.
Nachdem die verschiedenen Bands ihre Sets gespielt hatten, dauerte es eine gute halbe Stunde, bis die Stimmzettel gezählt waren und der Sieger bekannt gegeben werden konnte. Der Preis wurde von Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz übergeben, der selbst Mitglied in der IG Jazz ist.
Bei dem Neuen Deutschen Jazzpreis gab es mit dem Filippa Gojo Quartett zwar einen klaren Gewinner – aber keine wirklichen Verlierer. Natürlich ging es auch um das Preisgeld und die Auszeichnung – aber in erster Linie ganz eindeutig um die Musik. Und auch die Anerkennung durch einen Musiker von der Klasse Kenny Garrett dürfte wie eine Auszeichnung sein.
Es ist wirklich erfreulich, dass keine der Bands versuchte, möglichst massentaugliche Musik zu spielen, sondern jede ihren ganz eigenen, individuellen Stil vertraten. So wirkten Musik und Auftreten bei allen Bands absolut authentisch. Für Freunde der Musik war der Abend ein Freudenfest.
Als die Zweit- und Drittplatzierten auf die Bühne kommen, wirken sie zwar ein klein wenig enttäuscht, können aber immer noch lächeln und gratulieren dem Gojo Quartett zum Sieg.
Alte Feuerwache Mannheim | ||||||||||||||
|