Rhein-Neckar/Kehl, 16. November 2016. (red/pro) Die AfD Baden-Württemberg will beim Landesparteitag (“Aufstellungsversammlung”) am Wochenende keine Medienvertreter dabei haben. Die Begründung: Die Medien griffen einzelne Äußerungen heraus und berichteten nicht neutral. Offenbar will man mit der Maßnahme eine “negative Berichterstattung” verhindern und erreicht was? Eine negative Berichterstattung. Motto: Egal, wie man es macht, macht man es verkehrt. Der Landesvorstand der AfD hat sich für das verkehrtere Verkehrt entschieden, meint Hardy Prothmann. Aber auch “die Medien” berichten verkehrt.
Kommentar: Hardy Prothmann
Es ist ein Trauerspiel – hüben wie drüben. Also auf Seiten der AfD und auf Seiten “der Medien”. Die über Medien aktuell verbreitete “Skandal”-Nachricht lautet: “AfD schließt Presse von Landesparteitag aus”. (Anm. d. Red: Interessant ist, dass sich auch AV- und Internet-Medien undifferenziert als “Presse”, also Druckpresse, sehen.)
Wenn es eine Partei gibt, die von “der Presse” seit Gründung vor dreieinhalb Jahren kontinuierlich auf die Fresse bekommt, dann ist es die AfD. Bundesweit berichten sehr viele Medien über den aktuellen “Skandal”.
“Die Medien” wissen nicht, worüber sie berichten
Können Sie sich eigentlich an bundesweite Schlagzeilen erinnern, die lauteten: “ARD und ZDF schließen AfD von Diskussionsrunde aus” oder “Presse berichtet ausschließlich negativ über AfD”? Nein? Ich auch nicht.
Worüber die Medien mit keinem Wort berichten: Die AfD dürfte das, ebenso wie andere Parteien. Es gibt keinerlei Verpflichtung, zu einer Parteiveranstaltung “die Presse” (“die Medien”) einzuladen oder zuzulassen. Niemand würde erwarten, dass die Presse zu internen Vorstands- oder Strategiebesprechungen von Gremien egal welcher Partei eingeladen wird. Ein Landesparteitag oder wie die AfD das nennt, “Aufstellungsversammlung”, ist grundsätzlich erstmal keine öffentliche Veranstaltung. Ebenso grundsätzlich sollte aber jede Partei ein Interesse haben, möglichst viele Besucher oder als “Verstärker” auch Medienvertreter dabei zu haben, damit darüber berichtet wird und auch Personen, die nicht vor Ort waren, sich zutreffend eine Meinung bilden können. Das sollte demokratisch selbstverständlich sein – insofern geht die Kritik in Ordnung.
Worüber die Medien nicht berichten: Es gibt juristische Zweifel, ob der Landesvorstand das beschließen und festlegen darf oder ob das nicht durch die Versammlung entschieden werden muss?
Übersetzt: “Die Medien” wissen nicht, worüber sie berichten, weil keine Recherche stattgefunden hat. Stellen Sie sich mal vor, Sie müssten sich einer öffentlichen Berichterstattung durch “professionelle” Berichterstatter aussetzen, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Wozu würden Sie tendieren?
Markus Frohnmaier, Beisitzer und Pressesprecher des Landesverbands, sagt uns auf Anfrage:
Tatsächlich bestehen Zweifel, ob der Vorstand den Beschluss fassen kann. Deswegen lassen wir das prüfen, damit Rechtssicherheit herrscht und die Aufstellungen der Kandidaten juristisch nicht angegriffen werden können.
Der frühere Landesvorsitzende Prof. Dr. Jörg Meuthen, Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion und Bundessprecher, sagt auf Anfrage:
Ich hätte klar dagegen gestimmt. Die Versammlung kann die Medien ausschließen. Aber was soll das bringen? Ich bin für öffentliche Debatte – auch, wenn es weh tun sollte.
Was könnte weh tun? Da ist die Fantasie grenzenlos. Rund 600 Teilnehmer werden erwartet und bis zu 150 Kandidaturen – darunter vermutlich einige Personen, die selbst rechtskonservativen Hardlinern als “untragbar” aufstoßen könnten. Jede Menge Futter für die Medien – aber bilden Auftritte von Spinnern die Realität ab? Das darf bezweifelt werden.
Wenn bei den Grünen irgendwelche spinnerten Ultrafundis auftreten, wird das von Medien weggelächelt und nicht berichtet, wenn das bei uns passiert, wird das das Top-Thema und als pauschales Bild der Partei gekennzeichnet,
schildert uns ein AfD-Mitglied seine Sorgen. Damit dürfte das Mitglied vermutlich nicht falsch liegen.
Kontrolle ist die Aufgabe der Medien, nicht selbst Politik zu machen
Die Aufgabe von Medien ist Kontrolle der Politik – nicht selbst Politik zu machen. Bei der Berichterstattung über die AfD muss man erhebliche Zweifel haben, ob dies so zutrifft.
Wie “die Medien” ihrem Auftrag in Bezug auf die AfD nicht nachkommen, kann man belegen.
Beispiel: Die Causa Dr. Wolfgang Gedeon. Die antisemitischen Haltungen des AfD-Landtagsabgeordneten hätten schon vor seiner Wahl bekannt sein können – doch in den lokalen und regionalen Medien war das kein Thema. Er wurde auch nicht von konkurrierenden Partei-Vertretern (zu Recht) angegriffen. Über die Gründe lässt sich spekulieren – vermutlich hatte niemand geglaubt, dass er gewählt wird. Als er gewählt worden war, sollte Gedeon als “pars-pro-toto” herhalten, um die AfD als insgesamt antisemitisch darzustellen. Der fast schon verzweifelte Kampf des Fraktionsvorsitzenden Meuthen wurde in den allermeisten Medien nicht positiv dargestellt, sondern als “Führungsschwäche” uminterpretiert. Letztlich hat sich Herr Meuthen bislang durchgesetzt. Eine positive Bilanz dazu in “den Medien”? Fehlanzeige.
Beispiel: Schießbefehl. In einem konstruierten Interview einer Lokalzeitung sollte die Bundessprecherin Dr. Frauke Petry als herzlose Person dargestellt werden, die Flüchtlinge am liebsten an der Grenze abknallen lassen möchte. Die Empörungswogen “der Medien” gingen hoch. Was im Interview als theoretische Frage hochstilisiert wurde, findet seine Fortsetzung hingegen in der Realität. Es wird an Grenzen geschossen, aber kaum thematisiert. Die Grenzen wurden dichtgemacht und Tausende Menschen ertrinken seitdem im Mittelmeer – die konsolidierte Empörungswelle “der Medien” fehlt weitgehend. Fazit: Inszeniertes Kopfkino schlägt tödliche Realität.
Beispiel: Zusammenarbeit mit der NPD. Wieder ist es dieselbe Lokalzeitung, die Herrn Meuthen andichten will, eine Zusammenarbeit mit der NPD anzustreben. Der Fehler des Herrn Meuthen – er antwortet nicht politisch, sondern rechtsstaatlich korrekt. Auf die Frage, ob er einen NPD-Antrag zustimmen könnte, antwortet er, dass er jeden Antrag inhaltlich prüfen würde, egal ob von NPD oder Die Linke. Bei der Skandalisierung wird der Gegenpol Die Linke unter den Tisch fallen gelassen und aus einer theoretischen “inhaltlichen Prüfung eines Antrags” wird eine “mögliche Zusammenarbeit”. Die entscheidende rechtsstaatlich-demokratische Frage, was es bedeutet, Minderheiten kategorisch auszuschließen und welche Folgen das haben kann, gebe es andere Vorzeichen, wird überhaupt nicht thematisiert. Fazit: Keine zutreffende Information über demokratische Prozesse.
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Beispiel: Markus Frohnmaier. “Dann wird aufgeräumt”, geistert eine Video-Szene durch die Berichterstattung. Die Botschaft der berichtenden Medien: “Dann werden Köpfe rollen.” Markus Frohnmaier auf unsere Anfrage dazu: “Es ist bezeichnend, wie Medien aus einer langen Rede ein paar Sekunden raustrennen und suggerieren, ich hätte Menschen gemeint. Es ging mir um den Stil der Politik, den ich aufräumen will.” Fazit: Inszenierung, statt Recherche.
Links, Mitte, Rechts – Medien als Partei vs. AfD
Klar ist: Die AfD ist die erfolgreichste Neugründung einer Partei, seit es die Bundesrepublik Deutschland gibt. Die Wahlerfolge sind ohne Beispiel. Klar ist auch: Die AfD ist nicht nur eine neue “Alternative” zum bestehenden Parteiensystem, sondern auch Anlaufstelle für Extremisten. Das unterscheidet die AfD aber von den Anfängen der Grünen nur von der Richtung des Extremismus her.
Klar ist auch: “Die Medien” zeigen Flagge und damit, dass eben nicht unabhängig berichtet wird. Sowohl die eher “links” oder eher “rechts” ausgerichteten Medien sind klar Partei. Vereint in der Sorge, dass die AfD bei beiden Lagern “Beute machen kann”, was sie tut. Sowohl aus der SPD als auch der CDU sind der AfD in Scharen die Wähler zugelaufen – sogar aus den Reihen der Grünen.
Sehr besorgniserregend ist, dass es kaum eine Kontrollinstanz zur Rolle der Medien gibt. Schon gar keine selbstverpflichtete. Haben Sie schon mal im Medium Ihres Vertrauens eine Reflexion darüber gelesen, warum man wie über die AfD berichtet?
“Die Medien” verlangen von der AfD absolute Transparenz. Wie steht es um die absolute Transparenz des jeweiligen Mediums?
Wir mussten die Erfahrung machen, dass man massiv verklagt wird, wenn man seine Meinung über mediale Berichterstattung äußert. (Hier der Bericht dazu – sollten wir verlieren, könnte uns das wirtschaftlich den Kopf kosten. Dann hätte die Lokalzeitung “aufgeräumt”. Sie können uns gerne mit Spenden unterstützen, damit wir uns wehren und überleben können.)
AfD zwingt zur demokratischen Debatte – dafür muss man sie anerkennen
Die Entscheidung des Landesverbandsvorstands der AfD kann man auch anders einordnen – nämlich nicht als Angriff auf die Pressefreiheit, sondern als Angst vor Verantwortung oder schlicht und ergreifend als politische Dummheit – personalisiert in den Vorständen Dr. Bernd Grimmer und Prof. Dr. Lothar Maier.
Die Schlagzeile “AfD schließt Presse von Landesparteitag aus” ist falsch. Es war der aktuelle Vorstand. Und selbst wenn die Versammlung am Wochenende die Presse auf Antrag ausschließen würde, wäre das immer noch diese AfD-Versammlung und nicht die AfD bundesweit.
Bemerkenswert ist, dass die AfD oft sehr dilettantisch vorgeht, dabei aber aufzeigt, wie dilettantisch scheinbar etablierte Parteien und Medien eigentlich selbst agieren.
Die Medien werden zugelassen werden – spannend wird sein, wie berichtet wird
Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung des Landesvorstands zurückgenommen wird oder an die Versammlung übertragen wird und es dort nicht zu einem Ausschluss der Medien kommen wird. Das Verhältnis der Medien und der AfD ist ein Trauerspiel – und beide sind in der Verantwortung, die Politik- und Medienverdrossenheit nicht weiter stur zu befördern.
Sehr spannend wird sein, wie Medien dann berichten. Wir sind keine Anhänger von Verschwörungstheorien und glauben nicht daran, dass der aktuelle “Skandal” durch die AfD inszeniert worden ist, sondern dass es eher von Vorteil gewesen wäre, wenn “die Medien” nicht das große Faß gegen die AfD insgesamt, sondern nur gegen einzelne Personen aufgemacht hätten.
Denn wenn es der AfD Baden-Württemberg gelingen sollte, überwiegend solide Kandidaten aufzustellen und “die Medien” sich nur die schillerndsten Figuren aussuchen, um Partei gegen die AfD zu machen, macht die AfD Punkt, Spiel, Satz und Match.
Sie tritt dann mit einem Aufgebot an, kann belegen, dass sie basisdemokratisch vorgeht, dass rechtsstaatlich alles seine Ordnung hat und dass “die Lügenpresse” wieder mal alles dafür getan hat, um falsch zu berichten.
Die Opferrolle hat der AfD bislang überhaupt nicht geschadet, sondern sie auf dem letzten Meter immer wieder zum Sieger gemacht.
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