Baden-Württemberg, 14. März 2012. (red) Zum Schuljahr 2012/13 wird es in Baden-Württemberg landesweit die ersten Gemeinschaftsschulen geben – wenn der Landtag dem Gesetzentwurf der grün-roten Landesregierung im April zustimmt. Die nicht mehr durchgeführte frühzeitige Selektion durch längeres gemeinsames Lernen soll sozial gerechter sein und für bessere Leistungen der Schüler sorgen, so die Landesregierung. Die Opposition sieht das anders und ist stolz auf das aktuelle Schulsystem im Land.
Von Julian Heck
Spätestens seitdem sich das Kabinett im Dezember letzten Jahres auf einen Gesetzentwurf zur Einführung von Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg geeinigt und dieses Papier der Öffentlichkeit vorgestellt hat, wird heftig darüber diskutiert. Die Landesregierung, die seit der letzten Wahl im März 2011 aus den Grünen und der SPD besteht, ist überzeugt von der Schulreform, wohingegen insbesondere die CDU dieser sehr kritisch gegenüber steht.
Das neue Konzept und seine Vorteile
Mit der Einführung von Gemeinschaftsschulen hätte man in Baden-Württemberg ein Schulsystem, wie es gegensätzlicher zum momentanen System nicht sein könnte. Das Konzept der Gemeinschaftsschule sieht vor, von Klasse 5 bis 10 und eventuell sogar schon ab der ersten Klasse gemeinsam unterrichtet zu werden. Eine Gliederung in Haupt-, Real- und Sonderschulen sowie in Gymnasien würde entfallen. Auch eine Unterteilung in einzelnen Fächern in Kurse mit unterschiedlichem Niveau wäre nicht der Fall.
Stattdessen soll es für die Schüler der Gemeinschaftsschule – auch solche mit Behinderung (Stichwort Inklusion) – individuelle Förder- und Lernpläne geben. Lehrer sollen in Teams zusammenarbeiten und Eltern in regelmäßigem Kontakt mit diesen stehen. Auf den Gemeinschaftsschulen könnten alle bisherigen Bildungsabschlüsse erreicht werden. Zur Umsetzung würde das Land entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, um vor allem die personellen Ressourcen für eine individuelle Förderung gewährleisten zu können.
Zu schnell und zu grün-rot
Die Opposition ist von der geplanten Schulreform nicht begeistert. Zu schnell seien Starterschulen bestimmt worden, noch bevor der Gesetzentwurf zum Gesetz wird. Ungeklärte Rahmenbedingungen wie notwendige Räumlichkeiten und die Finanzierung komplettieren für die CDU das Bild des Überhastens.
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Das war die Überschrift der Pressemitteilung, die der CDU-Landesverband Baden-Württemberg noch am gleichen Tag veröffentlichte, an dem die Landesregierung den Gesetzentwurf verabschiedet hat. Die Entscheidung sei überhastet, undurchdacht und nicht nachvollziehbar. Statt ein neues Schulsystem einzuführen, solle man nach Aussagen der CDU besser das jetzige “erfolgreiche differenzierte Bildungssystem gezielt weiterentwickeln”. Konkrte Vorschläge, was “gezielt” bedeutet, macht die CDU allerdings nicht.
Zu exklusiv
Stark kritisiert wird von der CDU die Benachteiligung der anderen Schulformen gegenüber der neuen Gemeinschaftsschule. So soll bei der letzteren die Höchstgrenze von Schülern pro Klasse – der sogenannte Klassenteiler – gesenkt werden. Dies sei nicht gerecht. Die anderen Schulformen dürften nicht hinten dran stehen. Außerdem ist für die individuelle Förderung zusätzliches Personal notwendig, darunter Lehrpersonal und Schulsozialarbeiter. Damit habe die Gemeinschaftsschule eine Exklusivität, womit etwa die Haupt- und Realschulen das Nachsehen hätten.
Zu belastend
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte den Vorschlag der Landesregierung zur Einführung von Gemeinschaftsschulen:
Das ist ein historischer Moment für Baden-Württemberg.
Trotzdem zeigte sich die GEW enttäuscht darüber, welche Ressourcen die ersten Gemeinschaftsschulen bekommen und fordert höhere Investitionen. Lehrer seien mit ihrer Stundenzahl überbelastet und die zusätzlichen zwei Stunden für jede Gemeinschaftsschulklasse würden nicht ausreichen. Insgesamt freut sich die GEW jedoch über diese Entwicklung und wünscht sich eine schrittweise Rückstufung des differenzierten Schulsystems und die Verbreitung der Gemeinschaftsschule im ganzen Land.
Beschlussfassung im April
Ob der Gesetzentwurf, wie er momentan vorliegt, vom Landtag verabschiedet wird, bleibt abzuwarten. Es ist zwar damit zu rechnen, dass die CDU dagegen stimmen wird. Aufgrund der Mehrheiten ist aber davon auszugehen, dass die ersten 34 “Starterschulen” im nächsten Schuljahr an den Start gehen werden.