Rhein-Neckar, 15. Dezember 2015. (red/nh) Papageien in Mannheim? Ja, und nicht nur in Mannheim – auch in Heidelberg, Ludwigshafen und Frankfurt a.M. fühlen sich die Halsbandsittiche ausgesprochen wohl. Doch sind die außergewöhnlich grünen Exoten eine Bereicherung und “Kennzeichen zunehmender Urbanisierung” nach Detlev Franz? Oder doch eher eine Verfälschung der einheimischen Fauna?
Von Naemi Hencke
Manchmal passiert es, dass man durch Mannheim schlendert und plötzlich – wenn man sie vorher noch nicht gesehen hat, sehr unerwartet – quietschgrünen Vögeln begegnet.
Der Halsbandsittich (Psittacula krameri) ist eine Papageienart, die ursprünglich aus Indien und den Savannengebieten Afrikas stammt. Ein schwarzes Band ziert die Hälse der Männchen. Alexander der Große brachte ihn vor 2.300 Jahren nach Europa, um genauer zu sein, nach Griechenland. Aus diesem Grund wird er auch – sehr einprägsam – Alexandersittich genannt.
Einer Legende zufolge soll ein schwerer Sturm die Voliere eines Vogelhändlers zerstört haben. Ein Paar Halsbandsittiche nutzte die Gelegenheit zur Flucht in die Freiheit. Demzufolge bürgerten sich die Käfigflüchtlinge als sogenannte Neozoen zunehmend in Europa ein.
Papageien in Europa
Mittlerweile ist der Halsbandsittich in den Städten Paris, in Brüssel, Amsterdam, Deen Haag und London anzutreffen und hier seit 1930 bekannt. Zudem gab es Populationen in Wien und Innsbruck.
In Deutschland wurden die ersten giftgrünen Exemplare 1969 in Köln gesichtet. Laut einer Veröffentlichung des DDA zu Kartierungen des Atlas Deutscher Brutvogelarten (ADEBAR) lag der Bestand in den Jahren von 2005 bis 2009 bei 1.400 bis 2.100 Brutpaaren. M. Braun würde 2009 von einem Gesamtbestand von rund 7500 Vögeln in Deutschland ausgehen.
Der Papagei fühlt sich besonders in Städten entlang des Rhein-Neckar-Gebiets wohl. Die einzelnen Populationen verteilen sich auf Köln, Düsseldorf, Wiesbaden, Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen am Rhein, Frankfurt und Worms. Die jüngsten Schwärme haben sich in Bonn, Speyer und Mainz niedergelassen. Die Mannheimer Populationen halten sich vor allem im Luisenpark und in der Nähe des BASF-Geländes auf.
Es scheint zunächst verwunderlich, dass die Papageien vor allem in europäischen Städten vorkommen.
Aber das Klima entlang des Rheins ist sehr mild und das Mikroklima in Städten ist im Vergleich zum Land deutlich wärmer – zudem finden die Vögel eine Vielzahl an Nahrungsmöglichkeiten vor: Parkanlagen, Friedhöfe und Gärten mit lockerem Baumbestand ähneln ihrer ursprünglichen Heimat und bieten allerlei Beeren, Blüten und Obst.
Vorzugsweise Platanen dienen dem Halsbandsittich als Schlafbaum. Er schätzt vor allem Bäume, die an beleuchteten und lauteren Standorten stehen, denn das schützt ihn vor Fressfeinden wie Eulen. In Heidelberg zum Beispiel, dient eine Platane direkt am Hauptbahnhof als Schlafbaum. Doch zunehmend entdeckt der Sittich auch bereits vorhandene Höhlen in Gebäudefassaden als geeignetes Nest. Dies weckt Ärger bei den menschlichen Hausbewohnern, da die Vögel das Dämmmaterial anknabbern und aushöhlen. Die Naturschutzjugend Baden-Württemberg (NAJU) empfiehlt Brutkästen aufzustellen, um den Sittichen alternative Brutmöglichkeiten zu bieten.
Potentiell invasiv
Neozoen sind “eingeschleppte Tiere”, die die heimische Fauna gefährden, auf jeden Fall aber bedrängen könnten. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) prüft derzeit in Langzeitszudien, wie negativ sich die Anwesenheit dieser Sittiche auf die heimische Fauna auswirkt und ob es nötig werden könnte, den Sittich auf die “Schwarze Liste” zu setzen. Der BfN schätzt den Halsbandsittich derzeit als “potentiell invasiv” ein und “sollte nach den Vorgaben aus dem Bundesnaturschutzgesetz beobachtet werden”.
Dennoch stellt der BfN fest, dass die “Neulinge” zwar teilweise mit dem heimischen Specht, Kleiber und Fledermäusen konkurrieren – vor allem wenn es um die Bruthöhlen geht – aber “bislang noch ohne nennswerte Nachteile für die angestammten Revierinhaber”.
Zu beobachten sei auch, dass die räumliche Verbreitung der Halsbandsittiche eher langsam verläuft. Laut Diederik Strubbe, in einem Artikel auf n-tv, würden die Sittich-Populationen so weit wachsen, bis die Kapazität eines Gebietes völlig erschöpft sei. Erst dann würde eine vereinzelte Gruppe ein neues Gebiet beziehen.
Invasive Arten
Invasive Arten stehen in direkter Konkurrenz um Lebensraum und Ressourcen von einheimischen Arten. Die Gefahr bestünde darin, dass sie die einheimische Fauna verdränen, Krankheiten übertragen oder sich mit einheimischen Arten kreuzen und dadurch den Genpool verändern. Dies führe zum Aussterben der heimischen Fauna.
Zu den invasiven Neobiota in Deutschland gehört der Asiatische Marienkäfer, der Kamberkrebs und das Grauhörnchen. Aufgrund der globalen Erderwärmung müsste man damit rechnen, dass es zu einer “verstärkten Ausbreitung gebietsferner Arten” kommt. Das Risiko invasiver Arten steigt damit kohärent.
Die exotischen Halsbandsittiche werden vielerorts sogar eher als Bereicherung empfunden.
Besten Dank an einen Leser für diesen Hinweis: Open Data zu Neobiota