Mannheim, 13. Juli 2015. (red/pro) Die AfD-Fraktion im Mannheimer Gemeinderat ist nach nur einem Jahr Geschichte. Alle vier Stadträte treten nach dem “überraschendem Rechtsruck” beim Essener Parteitag aus der AfD aus. Drei wollen in einer Gruppe weiter zusammenarbeiten, einer bleibt vorerst Einzel-Stadtrat. Man bemüht sich um “Anstand” – und hat Sorge, wie es weitergeht. Denn der “Zauber” ist verflogen. Die Realität ist, dass die AfD die Entwicklung genommen hat, die vielfach kritisiert worden ist: Eine rechtspopulistische Vereinigung zu sein. Wer jetzt den Abgang macht, ist deswegen nicht automatisch “gemäßigt”.
Von Hardy Prothmann
Wir könnten jetzt brav “Terminjournalismus” machen. Heute, um 11 Uhr hatte der AfD-Vorstand Eberhard Will zur Pressekonferenz geladen, um blabla und blabla – das lesen Sie morgen in der Zeitung. Wir ersparen Ihnen das, weil wir blabla-Terminjournalismus anderen Medien überlassen.
Abgang ohne Wirkung
Nach gut einem Jahr ist die AfD-Fraktion Mannheim Geschichte. Politisch hat die Partei in Mannheim genau gar nichts bewirkt – außer Aufregung, zuletzt wieder einmal durch den Vorsitzenden Eberhard Will mit seinen unseligen Äußerungen über “Mischehen”. Diese Partei, die gegen den Euro gegründet worden ist – welche Legitimation hatte sie jemals im Kommunalen? Genau keine?
Vielleicht doch, wenn man die neoliberale und rechtskonservative Ausrichtung in den Fokus nimmt – das funktioniert auch lokal. Doch jetzt war selbst ein Eberhard Will von “Krakelern in Badeschlappen” überrascht bis angeekelt. Natürlich waren andere schuld daran, dass die “rangekarrt” wurden. Diese Frage bleibt offen: “Warum haben die ehrlichen, rechtskonservativen und anständigen AfDler nicht andere ehrliche, rechtskonservative und anständige “rangekarrt”?
Weckruf im Sinne von “Erwachet”?
Die AfD war und ist ein Sammelbecken für Unzufriedene, Rechthaber und im Zweifel Rechtsaußenstehende. Essen hat den Bruch gebracht. Parteigründer Lucke ist draußen und trotzig – er will was Neues gründen.
Und die Mannheimer Ex-AfDler sind dabei, so wie Roland Geörg, der auf Facebook sein Profilbild schon auf “Weckruf 2015” geändert hat. Weckruf? Im Sinne von “Wachet auf”? Der Feind steht vor den Toren? Wir müssen uns wehren? Deutsche…, ok, das steht da nicht. Und trotzdem ist es mindestens fraglich, sich unter dem Titel Weckruf von einer “zu rechten Gesinnung” distanzieren zu wollen – denn unter gleichem Titel wurde Nazipropaganda betrieben.
Restwert der Altfraktion?
Interessant ist, dass überhaupt mit dem Restwert der ehemaligen AfD-Fraktion gerechnet wird. Nach unseren Informationen denkt die CDU tatsächlich darüber nach, Herrn Helmut Lambert aufzunehmen. Der war eher wenig böse auffällig, soll 15-16 Jahre dem Vernehmen nach eh schon mal in der CDU gewesen sein und wenn man 13 Sitze hat, ist man große Fraktion, es gibt mehr Geld und Stellen.
Auch Roland Weiß sitzt bei der Pressekonferenz dabei. Herr Weiß ist Fraktionsgeschäftsführer der Mannheimer Liste und sagt auf Nachfrage: “Wir sind stark wie nie. Warum sollten wir etwas ändern, was uns eher belastet?” Das klingt verständlich, trotzdem bleibt die Frage, warum Herr Weiß nichts besseres zu tun, als bei dieser Pressekonferenz anwesend zu sein? Irgendeinen Grund wird das schon haben.
Die Zeit heilt alle Wunden
Die Antwort auf solche Fragen ist: Die Zeit heilt alle Wunden. Auch in der CDU ist eine sofortige Übernahme von Herrn Lambert ” aktuell nicht vorstellbar”. Das heißt: Sowohl Herr Lambert wird sich “aktuell” auf geraume Zeit unter Beobachtung gedulden müssen – ebenso wie Herr Will, Herr Geörg und Herr Dr. Schäffner. Man wird sich über die kommenden Monate anschauen, wie die alten Herren sich geben, was sie sagen oder nicht, wie sie abstimmen oder nicht. Wie sie wirken oder nicht.
Zum Jahresende werden zwei Stellen vakant: Fraktionsgeschäftsführer Stefan Holder und Assistentin Jana Richter verlieren dann ihre Jobs, wenn die ehemalige Afd-Fraktion aus vier Mitgliedern eine Gruppe von drei Stadträten bleibt – egal unter welcher Bezeichnung.
Sollte die Mannheimer Liste Interesse an einer Fraktionsgemeinschaft haben, könnte mindestens die Assistenz gerettet werden. Sollte die CDU Interesse haben, vielleicht beide.
Doch ist das etwas, was öffentlich wichtig ist? Wer seinen Job behält und wer nicht? Oder sollte es nicht vielmehr um Inhalte gehen?
Die ehemaligen “AfD”ler sind weiter unter Beobachtung und müssen jetzt beweisen, dass sie für Inhalte und klare Kommunalpolitik stehen. Denn sie haben ihre parteipolitische Heimat quasi abgegeben und eine Einbürgerung in den Kreis der bodenständigen, realpolitischen Parteien noch nicht beantragt. Wird man ihre politischen Asyl-Anträge positiv bescheiden oder können sie sich nur auf das Bleiberecht durch Wahl auf Zeit berufen? Eine schnelle Abschiebung ist aufgrund des Wahlrechts nicht möglich.
Das wird ganz entscheidend von Ihnen selbst abhängen. Aktuell erscheinen sie wie ein kleiner Haufen alter, eitler Gockel, denen der Misthaufen unter den Klauen abhanden gekommen ist und die trotzdem krähen, was das Zeug hält.
Ex-AfDler sind wertlos – bis sie zur Verhandlungsmasse werden
Sicher ist, dass der Mannheimer Gemeinderat ohne die ehemaligen AfDler auskommt. Sie sind für keine Entscheidungsfindung von Belang. Inhaltlich sind sie bis auf Provokationen noch nicht gestalterisch auffällig geworden.
Die vier aktuell parteilosen Stadträte haben aber Wert – sie könnten der ML zu mehr Macht verhelfen und/oder der CDU. Jetzt ist die Frage, ob die ML und/oder die CDU Risiko gegen gehofften Gewinn abwägen und die ehemaligen eine neue Heimat finden.
Wenn sich ML und CDU treu bleiben, wird das nicht passieren. Aber was bedeutet schon “Treue” in der Politik – die ehemaligen AfD-Stadträte haben es gerade vorgemacht. Kaum tritt jemand in Badeschlappen auf und grölt dummes Zeugs, macht man sich vom einen Acker und stellt sich als Erntearbeiter auf anderen Äckern möglicherweise zur Verfügung.
Zur Ergänzung: Herr Will legt wie Andrea Schirmer, Michael Panzer oder Dr. Schäffner alle Ämter und Kandidaturen für die AfD nieder. Zudem hätten neun von sechzehn Bezirksbeiräten ebenfalls ihren Austritt erklärt (es gibt Zeitungen, die Bezirksbeiräte als “Mandatsträger” bezeichnen). Von aktuell 108 Mitgliedern hätten 35 ihren Austritt erklärt. Robert Schmidt vom Kreisverband bleibt zunächst “Notvorstand” und will sich zur Zukunft der AfD nicht äußern. Die bekommt aber noch die Rechnung für die Pressekonferenz im Hotel Maritim.
Welche Auswirkungen es für die Ausschüsse und Aufsichtsratssitze geben wird, ist noch offen – auch die Verhandlungen, wer wo “unterkommt”. Das bleibt spannend.