Mannheim, 13. Juni 2014. (red/pro) Am Sonntag ist Wahltag – ob es der Stichtag für einen der Kandidaten wird, ist offen. Klarer Favorit ist der Amtsinhaber Dr. Peter Kurz. Hat der schon gewonnen? Im Leben nicht. Jede Wahl ist grundsätzlich offen – wir leben ja schließlich in einer Demokratie und die Wahlen sind frei. Jeder der rund 235.000 Wahlberechtigten hat eine Stimme und die Summe der Stimmen entscheidet. Also kommt es auf jede einzelne Stimme an. Auch “Nichtwähler” entscheiden – allerdings ohne erkennbaren Einfluss.
Von Hardy Prothmann
Ich wäre beinahe Wahlforscher geworden. Als junger Student an der Universität Mannheim war ich als studentische Hilfskraft bei “ZUMA”, dem “Zentrum für Umfragen, Methoden, Analysen” beschäftigt und verantwortlich für die Materialsammlung der CNEP-Studie, “Cross-National-Election-Project”, zur ersten gesamtdeutschen Wahl 1990. Meine Medien damals: Fernsehsendungen, die ich mit vielen Rekordern aufgezeichnet habe und Dutzende von Zeitungen.
Heute könnte ich nicht ansatzweise diese Arbeit leisten. Denn heute gibt es das Internet und eine Informationsfülle, die nicht nur gigantisch ist, sondern irgendwie so viel größer, dass mir kein Wort dazu einfällt. “Cyper-galaktisch”? Ok, ich versuch’ das gar nicht erst.
Die Wahlforschung ist eine fragile Wissenschaft, die einerseits immer wieder klare Vorhersagen liefern kann und dann wieder komplett daneben liegt – der Mensch ist eben nur bedingt berechenbar.
Wer gewinnt?
Was kann man sich für den Oberbürgermeisterwahlkampf 2015 ausrechnen? Einiges. Amtsinhaber Dr. Peter Kurz ist klarer Favorit – damit ist aber noch lange nichts entschieden, denn er muss um seinen Wahlsieg im ersten Wahlgang bangen.
Na und? Gewinnt er halt im zweiten Wahlgang, könnte man jetzt einwenden. Ja, dann gewinnt er halt im zweiten Wahlgang – aber dann wäre er angeschlagen, weil er mit weniger als 50 Prozent plus eine Stimme gewählt worden wäre.
Und das wird ihm über die Amtszeit von acht Jahren immer wieder “serviert” werden: Hat es nicht im ersten Wahlgang geschafft, Wahlbeteiligung war niedrig, ist nur von soundsovielen Wahlberechtigten gewählt worden – ist der überhaupt demokratisch legitimiert?
An dieser Stelle muss ich knallhart deutlich werden: Alle, die politische Mandatsträger derart in Frage stellen und drangsalieren, haben meiner Erfahrung nach keine demokratische, sondern eine explizit anti-demokratische Einstellung. Es gibt weltweit kein Land mit einem vergleichbar demokratischen Wahlsystem – wer nicht wählt, trifft auch eine Entscheidung. Nämlich die, dass ihn alles nichts angeht.
Legitimation
Denn natürlich ist jeder Mandatsträger, der in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt worden ist, demokratisch legitimiert. Alle Demokraten haben das Recht, ihre Stimme abzugeben. Und nur, weil viele dies nicht tun, heißt das noch lange nicht, dass die Wahl nicht legitimiert, also gesetzlich korrekt war.
Leider sinken die Wahlbeteiligungen teils dramatisch – weil die Menschen nicht erkennen, welche Macht sie haben. Wenn Sie einem Kandidaten durch ihre Stimme zur “Macht” verhelfen, ist das immer auch eine Verpflichtung, verantwortlich damit umzugehen. Man stärkt den Kandidaten seiner Wahl, aber man verpflichtet ihn auch. Denn er will wiedergewählt werden und dafür muss er sich anstrengen.
Kein Mandatsträger kann es jemals allen Recht machen. Aber man kann Mandatsträger nach ihrem Wirken beurteilen – haben sie ihren Job gut gemacht oder nicht? Und dafür spricht man Ihnen ein “überlassenes” Vertrauen mit der eigenen Stimme aus oder nicht.
Aktuell treten gegen den Amtsinhaber Dr. Peter Kurz drei Mitbewerber an. Dr. Kurz hat seinen Job gut gemacht. Er hat eine Stadt mit vielen “Herausforderungen” übernommen und sehr positiv ist, dass er keine neuen Schulden gemacht hat. Er ist innovativ und niemand, der sich seriös mit der Mannheimer Kommunalpolitik beschäftigt, wird behaupten können, dass dieser Oberbürgermeister nicht enorm fleißig ist und sich verantwortlich und mit ungeheurer Energie für “sein Mannheim” einsetzt.
Gesellschaft vs. Partei
Selbstverständlich gibt es unterschiedliche politische Ziele, insbesondere im Gemeinderat – was nicht immer das Abbild der Stadtgesellschaft wiederspiegeln muss, sondern eben oft Parteipolitik ist.
Der Oberbürgermeister einer Metropole wie Mannheim muss als Leiter des “Souveräns” der Stadtgesellschaft, dem Gemeinderat, viele unterschiedliche Wünsche und Forderungen respektieren. Der Kandidat Christopher Probst formulierte das sehr prägnant:
Der Oberbürgermeister wird für alles verantwortlich gemacht.
Im Zweifel auch, ob der Nachbar “die Gass fegt”.
Wen wählen?
Zurück zur Wahl. Wen wählen? Den Kandidaten, dem man “parteilich” nahe steht? Oder den, den man “sympathisch” findet? Oder den, dem man “es zutraut”? Oder einen, dem man die Stimme gibt, “um den anderen zu zeigen, dass man nicht einverstanden ist”?
In der Wahlforschung werden Milieus untersucht, Nullsummenspiele berechnet – für den Wähler ist am Ende wichtig, was von der Politik “bei ihm ankommt”. Ist das aber nicht sehr egoistisch gedacht? Vielleicht erhält der Migrationsverein mehr Geld als der Schachverein – aber vielleicht bräuchte der Migrationsverein noch mehr Geld, damit die Schachspieler Nachwuchs bekommen?
Das ist ein konstruiertes Beispiel. Die Verwaltung einer Stadt ist ein extrem kompliziertes Geschäft. 30 Kleingärtner protestieren gegen den Wegfall ihrer Gärten für ein Grünzug-Projekt und sind konsterniert. Sie sind doch die Gärtner und sollen weichen für etwas, dass sie nicht verstehen und sagen “Nein” – werden von gewissen Medien unterstützt und schon ist das, was “gut und richtig” erscheint, mit einem Male ein Projekt des Leibhaftigen – im Zweifel des Oberbürgermeisters.
Schädliche Entwicklung
Leider ist es zu enormen Schäden gekommen – denn die Kritik am aktuellen Amtsinhaber hat längst jedes Maß an Respekt überwunden. Teils agiert der blanke Hass. Von wenigen, die angeben, für alle zu sprechen. Befördert durch Medien, die den Radau lieben und die Zielgruppe bedienen wollen oder müssen.
Hier positioniert sich Peter Rosenberger, der Kandidat der CDU. Er sagt, es habe keine Bürgerbeteiligung gegeben und es sei ein Riss in der Bevölkerung entstanden. Mit Verlaub – das ist dummes Geschwätz. Es hat immense Bürgerbeteiligungen gegeben, an denen sich andere Städte orientieren und es gibt vor allem eine CDU Mannheim, die sich teils vollkommen verantwortungslos als Chaos-Partei erweist.
Peter Rosenberger ist ein seriöser Kandidat – aber einer, dem man nicht wünscht, das “Projekt Mannheim” an der Backe zu haben. Herr Rosenberger hat weder als Bürgerdienstleiter noch als Horber Oberbürgermeister jemals auch nur ansatzweise Probleme bewältigen müssen, die sich einem Mannheimer Oberbürgermeister stellen. Er könnte in die Rolle hineinwachsen – das muss jeder, auch ein Dr. Peter Kurz war vor Amtsantritt kein Oberbürgermeister.
Christopher Probst hat gewonnen – mit dem Sanierungsstau
Herr Christopher Probst fordert vollkommen zu Recht, einen Aktionsplan Sanierungsstau und trifft die Achillesferse des Amtsinhabers. Aber nicht als dramatischer Bösewicht, sondern als verantwortlicher Bürger und Stadtrat. Herr Dr. Kurz ist sehr gut beraten, wenn er mit Herrn Probst das Gespräch sucht und die Forderung erfüllt.
Merken Sie was – warum so ein Oberbürgermeisterwahlkampf wichtig ist? Es kommen Forderungen auf – und dadurch entstehen Verpflichtungen. Der Amtsinhaber kann nie mehr behaupten, dass er von nichts wüsste – er muss sich stellen. Und je nachdem, wie knapp das für ihn wird oder wie sehr er “in die Pflicht genommen” wird, hat das Auswirkungen.
Man muss darüber hinaus über mehr nachdenken: Ein neuer Oberbürgermeister muss sich erst einfinden. Einer, der bereits im Geschäft ist, wird versuchen, sein “Ding zu machen” – und das “Ding” von Oberbürgermeister Dr. Kurz hört sich gut an. Der Mann ist sehr strukturiert, verfolgt klare Ziele und niemand wird ihm absprechen, dass er nicht “der Mannheimer” ist.
Pleite, Probleme und Party
Was wäre wenn Herr Rosenberger gewinnen würde? Mal ehrlich – Sicherheit und Sauberkeit, also Kehrwoche und Kontrollstreifen – ist das nicht ein wenig mau? Oder wenn Herr Probst gewinnen würde: “Ich stelle fest, Mannheim ist pleite”. Ja und dann? Oh, vergessen. Christian Sommer würde erstmal ne Oberbungameisterparty feiern.
Sie haben die Wahl – wie alle Wahlberechtigten. Entscheidend ist auch das Wetter – das klingt zwar absurd, aber das ist so. Für Sonntag ist “gemischt” angekündigt. Das könnte die Wahlbeteiligung positiv beeinflussen, weil es kein Hunde- und kein Bade-Wetter ist, also ein Wetter, bei dem man die “Anstrengung” der Wahl vielleicht auf sich nehmen wird.
Sie als Bürger/in der Stadt haben eine Stimme – Sie können schweigen oder Ihre Stimme einem der Kandidaten geben. Der Amtsinhaber Dr. Peter Kurz ist wie die anderen Kandidaten ein anständiger Mann. Seine Herausforderer haben klar gemacht, was man von ihnen erwarten kann und damit Alternativen geboten.
Wir haben sehr ausführlich und engagiert dazu berichtet. Gehen Sie wählen – denn damit erreichen Sie mehr, als wenn Sie nicht wählen. Sie nehmen die Kandidaten in die Pflicht.
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