Weinheim, 13. März 2015. (red/ld) Am Mittwochabend ging es im Hauptaussschuss nur um die Neufassung der Polizei-Ordnung. Eine Stunde später sollte der Ausschuss für Technik und Umwelt (ATU) beraten. Doch Angst vor einer großen Lücke zwischen den Sitzungen war unberechtigt: Die Weinheimer Stadträte ließen ihrer Diskussionsfreude freien Lauf.
Von Lydia Dartsch
Am Ende der Hauptausschuss-Sitzung war Oberbürgermeister Heiner Bernhard froh, dass seine Verwaltung eine ganze Stunde für den einzigen Tagesordnungspunkt (TOP) eingeplant hatte. Eine Sitzung für einen TOP? Die Verwaltung wollte die turnusmäßige Sitzung nicht ausfallen lassen und hatte sich auf eine kurze Sitzung und eine lange Pause bis zum ATU eingestellt – und dabei die Rechnung ohne die Stadträte gemacht. Die diskutierten die gesamte Stunde über Lärmschutz, Straßenmusik und darüber, dass die Verordnung nur auf öffentlichen Straßen und Plätzen gilt.
Es ging darum, die seit dem Jahr 1989 geltende Polizeiverordnung an die moderne Zeit anzupassen – und an die Tatsache, dass es für manche Regelungen bereits höhere Rechtsnormen gibt. Einen konkreten Anlass für die Neufassung gebe es nicht, sagte Oberbürgermeister Bernhard am Anfang der Sitzung.
Ist Teppichklopfen noch modern?
Neu ist beispielsweise die Regelung für Mittagspausen bei Haus- und Gartenarbeiten. Bereits im Jahr 2002 wurde den Städten die Rechtsgrundlage, solche Pausen vorzuschreiben, durch die Geräte- und Maschinenlärmverordnung bundesweit entzogen. In der alten Verordnung war vorgesehen, dass lärmende Arbeiten zwischen 13:00 und 15:00 Uhr ruhen sollen. Eine Ruhezeit ist nun noch von 20:00 bis 07:00 Uhr vorgesehen – gewerbliche Tätigkeiten sind davon ausgenommen.
In dieser Zeit sind neben Hämmern, Bohren und Sägen auch Holzspalten sowie das Ausklopfen von Teppichen, Betten, Matratzen, Polstern und Kleidungsstücken. Als “Realsatire” bezeichnete Dr. Alexander Boguslawski (GAL) diesen Passus:
Das ist ein Bild aus den Fünfziger Jahren. Da stehen die Frauen in einer Reihe in Kittelschürzen und Kopftüchern an der Teppichstange und klopfen ihre Teppiche aus. Das ist doch nicht modern!
Auch sonst sorgte der Wegfall der Mittagspausenregelung für Diskussion: “Wir kämpfen überall gegen Lärm und sollen ihn für 34 Folterinstrumente auch in der Mittagszeit erlauben”, sagte Dr. Boguslawski. Diese Liste ergibt sich aus der Maschinenlärmverordnung. Immerhin seien darin Freischneider, Laubbläser sowie Rasentrimmer mit Verbrennungsmotor verboten, sagte Wolfgang Metzeltin (SPD).
Eine weitere Maßnahme gegen “Lärmbelästigung” soll die erstmals einbezogene Regelung zur Straßenmusik im Stadtzentrum und am Marktplatz sein. Montags bis Samstags darf nur zwischen 11:00 und 12:00, 13:00 und 14:00 sowie 15:00 bis 16:00 Uhr Musik gespielt werden. So steht es bereits auf einem Schild am Eingang zur Fußgängerzone am Marktplatz. Jetzt steht es auch in der Verordnung.
Geschmacksfrage zwischen Lärm und Musik
Für Straßenmusiker zwar nicht die besten Voraussetzungen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sagten Wolfgang Metzeltin (SPD) und Stella Kirgiane-Efremidis (SPD) und regten an, eine Stunde Spielzeit pro Stelle zu regeln und die Zwangspause zu streichen. Klaus Flößer (Freie Wähler), Carsten Labudda (Die Linke) und Dr. Alexander Boguslawski (GAL) regten sogar an, die Musikzeiten um eine Stunde zu verlängern.
Doch die Verwaltung wolle damit nicht das Leben der guten Musiker erschweren, sondern ein anderes Problem in den Griff bekommen, sagte Oberbürgermeister Bernhard: Die meisten Beschwerden kämen von den Gastronomien am Marktplatz. Dort würden zum Teil Musik von “fragwürdiger Qualität” gespielt und anschließend an den Tischen um Geld gebettelt. Außerdem wolle er den Anwohnern auch mal eine Ruhepause gönnen. In seiner Heidelberger Zeit habe ihm eine Anwohnerin einmal gesagt:
Ich mag südamerikanische Musik. Und ich mag “El Condor Pasa”. Aber nicht zehn Mal hintereinander!