Mannheim, 12. Mai 2016. (red/ms) In der kommenden Spielzeit wird es ohne jeden Zweifel eine Reihe von herausragenden Aufführungen am Nationaltheater geben – im Programm befinden sich wahre Perlen und Meisterwerke und das Vertrauen der Redaktion in die Virtuosität des Theaters und seiner Mitarbeiter ist ungebrochen. Die Art und Weise, wie die bevorstehenden Stücke auf einer Pressekonferenz vorgestellt worden sind, ist hingegen enttäuschend: Unkreativ, apathisch, lustlos, lethargisch. Fließbandartig. So verkauft man seine Kunst unter Wert.
Kommentar: Minh Schredle
Nachdem man nun mit dem Programm durchgekommen sei, könne man ja in die Diskussion einsteigen, heißt es nach gut zwei Stunden. Doch das Publikum wirkt erschlagen – es gibt keine einzige Frage mehr. “Gut. Dann sind wir ja fertig”, heißt es. Es folgt erschöpfter Anstandsapplaus – beinahe doch etwa zehn Sekunden lang.
Wer sich mit Dramaturgie, Präsentationen, Inszenierungen und Vorstellungen befasst, weiß, wie schwierig es ist, die Aufmerksamkeit seiner Rezipienten über längere Zeiträume aufrecht zu erhalten. Am Podium sitzen zwölf Personen, darunter Chefdramaturgen und etliche Intendanten – doch sie alle gestalten ihren Vortrag langweilig, leidenschaftslos, ja regelrecht lethargisch.
Begeisterung, geschweige denn Euphorie kommen zu keinem Zeitpunkt auf. Dabei wäre das durchaus angebracht – denn in der kommenden Spielzeit stehen wahre Perlen im Programm. Klassische Werke von Meistern wie Monteverdi, Berlioz oder Schumann, Shakespeare, Lessing und Schiller wird ebenso Raum geboten wie vielversprechenden Eigenproduktionen.
90 Stücke – 120 Minuten
Insgesamt sollen in der bevorstehenden Spielzeit 90 Stücke aufgeführt werden, dabei sind 33 Premieren geplant. Das Problem: Auf der Pressekonferenz sollten all diese irgendwie untergebracht und zusätzlich die bedeutendsten Personalwechsel präsentiert werden.
So wurde alles ein bisschen angeschnitten – ohne dass auf nur irgendeinen der zahlreichen, hochspannenden Aspekte sonderlich präzise eingegangen worden ist. Vielmehr glich die Vorstellung der Spielzeit einem lästigen Pflichtprogramm, das eben irgendwie abgehandelt werden musste. Hauptsache Haken dran.
In monotonen Monologen redeten Intendanten und Dramaturgen ihre Inhalte herunter – das war schon fast dadaistisch. Nicht einmal ihre Kollegen auf dem Podium wirken dabei interessiert. Kulturbürgermeister Michael Grötsch (CDU) betonte zu Beginn, dass man in Mannheim die klare Erwartungshaltung habe, für die bevorstehende Sanierung des Theaters mehr finanzielle Unterstützung der Landesregierung zu benötigen:
Alleine werden wir das nicht schaffen.
Es sei zwar eine kommunale Spielstätte – doch diese spiele auf Augenhöhe mit den Theatern in Karlsruhe und Stuttgart, die bislang deutlich mehr Zuschüsse aus der Landeskasse erhielten. Anschließend verbrachte Herr Grötsch den Großteil der Pressekonferenz damit, mit gesenktem Blick in einer Broschüre zu blättern.
Auch unter den Gästen scheint das Interesse überschaubar. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten ist Andrea Gronemeyer, Intendantin des Jungen Nationaltheaters, an der Reihe, ihren Teil vorzustellen. “Habt ihr noch ein bisschen Kraft?”, fragt sie das Publikum – die Antwort ist angestrengtes Gelächter.
Von dem, was vermutlich vermittelt werden sollte, bleibt so gut wie nichts hängen. Leitmotive der Spielzeit sind offenbar Heimat und Heimkehr, daneben geht es natürlich auch immer um Gesellschaft, wie vielfach erwähnt wird.
Ach, und: Die Abteilung “Ballett” heißt jetzt “Tanz” – aber wie der designierte Intendant und Chefchoreograph Stephan Thoss mitteilt, “ändert sich dadurch eigentlich nichts”. Oha.
Die Präsentation ist vor allem deswegen so enttäuschend, weil die Ambitionen des Theaters so groß sind – aber keiner der Beteiligten Begeisterung oder Leidenschaft ausstrahlt. Zugegeben: Die Themenfülle war enorm und eine solche Menge an Stoff in nur zwei Stunden zu vermitteln, ist eine große Herausforderung.
Am Umfang gescheitert
Alles und jeder musste irgendwie erwähnt werden und dafür wurde eine ganze Fülle von Namen, die unter Umständen den großen Kennern der Szene ein Begriff sein könnten, in den Raum geworfen, ohne dass ersichtlich wurde, wer die Person dahinter nun sein sollte.
Es wäre vermutlich vorteilhaft gewesen, Schwerpunkte zu setzen und an diesen Repräsentatives zu verdeutlichen. Immerhin gibt es eine fast 300 Seiten umfassende Broschüre zu Programm und Personal, in der all die Details elaboriert ausgeführt werden, die bei der Vorstellung nur beiläufig angeschnitten worden sind.
Begeisterung!
Dass die Köpfe, die hinter diesen brillanten Aufführungen stecken, bei der Gelegenheit, die Highlights des kommenden Jahres vorzustellen, so unkreativ, so leidenschaftslos, so monoton und so fließbandartig vorgehen, ist schwer enttäuschend.
Warum verkauft das Nationaltheater seine Künstler und deren Kunst so unter Wert?
Anm.d.Red.: Den Spielplan finden Sie hier.