Schwetzingen/Rhein-Neckar, 09. Januar 2015. (red/ms) Im Schwetzinger Schloss werden derzeit knapp 90 Lithographien und Radierungen des katalanischen Künstlers Salvador Dalí ausgestellt. Das besondere: Es sind fünf komplette Zyklen zu betrachten, die sich mit Klassikern der Weltliteratur befassen. Sämtliche Werke, die Dalí zu diesen Themen angefertigt hat, können hier begutachtet werden. Der Kunsthistoriker und Kurator Wolfgang Schröck-Schmidt bezeichnet das als “Sensation” und “absolut einmalig”. Die Ausstellung ist vom 09. Januar bis zum 15. April 2015 zu sehen.
Von Minh Schredle
Die Assoziation des Unverbundenen.
Der spielerisch-altmeisterliche Umgang, mit dem vertraut Geglaubtes in ein völlig neues Licht gerückt wird und gleichermaßen verstörend wie faszinierend wirkt.
Die Metamorphose alltäglicher Anblicke in traumhaft wahnwitzige Szenarien, die die Grenzen des Verstandes überschreiten und das Unfassbare festhalten, in einem zeitlosen Augenblick, in dem die Unendlichkeit so greifbar erscheint.
Nur wenige Künstler konnten diese Stilmittel in ähnlicher Art und Weise perfektionieren wie Salvador Dalí.
Ein intellektueller Exzentriker
Doch wird in seiner Kunst neben der Schaulust am Spektakel und der Faszination am Verstörenden noch weitaus mehr bedient – auch wenn das häufig nur wenig beachtet wird. Denn Dalí war nicht nur hochgradig exzentrisch. Er war auch ebenso intellektuell.
Ob Homers Ilias, Goethes Faust oder auch Leopold von Sacher Masos Venus im Pelz – Dalí war mit den Klassikern der Weltliteratur nicht nur gut vertraut. Er nutzte sie auch als Inspiration für sein eigenes künstlicheres Schaffen.
Und eben diesen intellektuellen Dalí zeigt die Ausstellung “Mythen und Welten”, die vom 09. Januar bis zum 15. April 2015 im Schwetzinger Schloss zu sehen ist. Am Donnerstag, dem 08. Januar, fand eine Vernissage statt, zu der knapp 100 geladene Gäste erschienen sind.
Bei den Exponaten handelt es sich zwar nicht um Unikate – doch ihre Präsentation ist einmalig. Die Bilder sind entweder Radierungen oder Lithographien, die zwischen 100 und 300 Mal verfielfältigt worden sind.
Was die Ausstellung so besonders macht: Neben ein paar Einzelstücken sind fünf komplette Zyklen von Dalís Schaffen zu sehen.
Alle Lithographien und Radierungen, die der Maler zur Griechischen Mythologie, den Geheimen Gedichten von Apollinaire, Goethes Faust, Leopold von Sacher Masos Venus im Pelz und Cervantes Don Quixote angefertigt hat, sind hier in ihrer Gesamtheit zu betrachten – und sie befinden sich allesamt in Privatbesitz.
“Ich habe meine Sammlung über Jahrzehnte hinweg vervollkommnet”, sagt der Schweizer Hotelier Daniel Fuchs. “Möglich war das nur mit den richtigen Kontakten – ihnen verdanke ich vieles.” Herr Fuchs ist der Eigentümer sämtlicher Ausstellungsstücke. Zumindest noch – denn einige Werke werden zum Verkauf angeboten.
Ein unermesslicher Wert
Die Preise würden stark von der Nachfrage abhängen, erklärt Herr Fuchs. Da gebe es Tintendrucke, die ab etwa 1.800 Euro anfangen und begehrte Raritäten, die nicht unter 10.000 Euro zu haben seien. Werke aus den Zirkeln werde er niemals verkaufen:
Sie sind in ihrem Wert unermesslich.
Für ihn müsse sich ein Kunstwerk aus sich selbst heraus erschließen, erklärt Herr Fuchs. Eine Geschichte erzählen, die sich zwar mit Hintergrundwissen vervollkommnen lässt – aber auch ohne diese Informationen für sich allein stehen kann. Jedes einzelne Bild seiner Sammlung würde eine eigene Geschichte erzählen – und durch die Zyklen würden all diese Geschichten miteinander vernetzt werden.
“Wenn man erst einmal angefangen hat, die Werke eines Zirkels zu sammeln, und sich dann die Gelegenheit bietet, einen Zirkel zu vervollständigen, kann man kaum anders, als zuzuschlagen”.
Lange Zeit hätten die Bilder in seinem Keller herum gelegen – ungerahmt. Bis ihn schließlich der Kunstvermittler Hans Keller dazu gebracht habe, die Bilder wieder ausstellen zu lassen.
Die Zyklen setzen sich aus 53 Radierungen und 12 Lithographien zusammen. Daneben gibt es noch etwa 30 Einzelbilder, die zum Verkauf stehen – davon werden momentan allerdings nur zwölf ausgestellt.
Für mehr habe der Platz nicht gereicht, erklärt Wolfgang Schröck-Schmitt, der Kurator der Ausstellung. Im Sommer werde es eine weitere Ausstellung geben, die ausschließlich Werke zeigt, die veräußert werden sollen, fügt er hinzu.
Herr Schröck-Schmidt bezeichnete es als “absolut einmalig”, dass eine Privatperson ganze fünf vollständige Zirkel in ihrem Besitz hat. “Darum beneiden Herrn Fuchs vermutlich auch die renomiertesten Museen”, sagte Herr Schröck-Schmidt:
Fünf Zirkel auf einmal sehen zu können – das ist eine Sensation.
Es würde sich fast nie die Gelegenheit bieten, die Werke eines großen Künstlers als Originale im Kontext zu seinen anderen Bilder aus diesen Schaffensperioden zu sehen. “Man sieht, wie sich die Gedanken entwickelt haben und wie gleiche Ideen unterschiedlich verarbeitet wurden”.
Als Redner trat neben Herrn Schröck-Schmitt unter anderem auch Schwetzingens Oberbürgermeister René Pöltl auf. Er bezeichnete sich als einen “großen Freund des Surrealismus'” und sei daher besonders froh, Dalí “zurück in der Stadt zu haben”. Bereits 2001 hat es im Schwetzinger Schloss eine Ausstellung mit den Werken Dalís gegeben.
Doch eigentlich sei Dalí nie wirklich weg gewesen: Herr Pöltl verwies darauf, dass sich im Schwetzinger Rathaus zwei Skulpturen, ein kubistischer und ein surrealistischer Engel, zu sehen sind. “Originale, wohl bemerkt.”
Der Eigentümer selbst trat als letzter Redner auf und hätte sich kaum kürzer fassen können:
Ich will lieber die Bilder sprechen lassen. Die Ausstellung ist hiermit offiziell eröffnet.
Das erste Bild der Ausstellung ist die “Milchstraße”. Angelehnt an die griechische Mythologie stellt es die Geburt der Titanen dar. Abgeschlossen wird die Ausstellung mit dem Don Dixotte-Zyklus, das letzte Bild zeigt einen Leichenwagen. Durch diese Gegenüberstellung von Leben und Tod werden die verschiedenen Zyklen behutsam eingerahmt, ohne plakativ oder zwanghaft in eine höhere Ordnung gezwängt zu werden.
Durch den langen, leicht gekrümmten Korridor im Südzirkel des Schwetzinger Schloss’ wandelt man vom Anbeginn der antiken Mystik, die vornehmlich an Homer und Ovids Metamorphosen angelehnt ist, in die moderneren Welten von Goethe, Sacher Maso und Cervantes. Ähnliche Motive werden dabei bildnerisch ganz unterschiedlich umgesetzt – wie auch in der Literatur selbst.
Auf der linken Seite des Raumes befinden sich die Bilder, rechts Informationstafeln, die Hintergrundwissen über das Leben und die Werke Dalís liefern.
Präsention: Bewusst schlicht
Die Ausstellungswände sind weiß, die Rahmen schlicht und uniform. “Wir haben uns bewusst zurückgehalten”, erklärt Phillip Kapitel, der für das Ausstellungsdesign zuständig war. Viele andere Ausstellungen über Dalí würden die Werke vor farbintensiven Hintergründen mit protzigen Rahmen präsentieren – und damit einen Fehler machen:
Das wirkt häufig überladen und lenkt ab. Wir finden, die Bilder sind Spektakel genug.
“Es ist fast, als wären diese Räumlichkeiten genau für diese Bilder geschaffen worden”, sagte Herr Schröck-Schmidt: “Die Ausstellungsarchitektur fügt sich unglaublich harmonisch in dieses Schloss und der Korridor hat einfach die optimale Größe, um alle Werke der fünf Zirkel auszustellen und zwar so, dass sie aufeinander folgen – es passt einfach perfekt.”
Ganz uneingeschränkt kann ich diese schwärmerische Euphorie nicht teilen – denn die Räumlichkeiten weisen auch ein ganz erhebliches Defizit auf: Die Beleuchtung.
Nicht alle Bilder sind betroffen – aber auf ein paar spiegeln sich die Lichter der Kronleuchter so stark, dass viele Feinheiten nicht mehr zu erkennen sind. Es ist sicherlich subjektives Empfinden, wie sehr man sich an so etwas stößt. Für mich war es ein großer Störfaktor.
“Die Spiegelungen sind tatsächlich sehr ärgerlich”, räumt Herr Schröck-Schmitt ein. “Aber es ließ sich einfach nicht vermeiden.”
Doch im Gegensatz zu mir, schienen sich die wenigsten Besucher daran zu stören. Eindeutig überwiegt die Begeisterung. In den Blicken glänzt Faszination.
“Einfach unfassbar”
Eine Frau betrachtet eine Darstellung der Medusa mehrere Minuten lang wie weggetreten, bis sie schließlich aus ihrer Trance erwacht und murmelt:
„Einfach unfassbar, so eine Ausstellung hier in Schwetzingen zu haben.“ Und recht hat sie.