Ludwigshafen/Rhein-Neckar, 06. Juli 2013. (red) Die Anwohnerversammlung zum Großbrand lässt viele Anwohner der Parkinsel ratlos zurück. Sie fühlen sich nicht ernst genommen – zu recht. Wir haben selten eine so herausragend schlechte Kommunikationsleistung erlebt – bis hin zu einer aktuellen Drohung durch den Feuerwehrkommandanten Peter Friedrich. Die Stadt Ludwigshafen hat unsere Fragen erst beantwortet, nachdem wir beim Innenministerium um Hilfe baten. Die Hafenbetriebe schweigen bis heute.
Von Hardy Prothmann
Kurz vor der Anwohnerversammlung am 05. Juli im Geschwister-Scholl-Gymnasium treffe ich den Feuerwehrkommandanten Peter Friedrich zum ersten Mal persönlich. Ich gehe auf ihn zu, stelle mich vor und Herr Friedrich sagt:
Ihnen kann ich nur den guten Tipp geben, keinem Feuerwehrmann zu begegnen. Das könnte ein Problem für Sie werden.
Wer so unverhohlen einem Reporter droht, dem kann man nur wünschen, dass eine solche Haltung für ihn ein Problem wird. Herr Friedrich kann unzufrieden mit der Berichterstattung sein – aber Drohungen gegen Journalisten sind nicht zu rechtfertigen.
Herr Friedrich zeigt weiterhin kein Verständnis, dass die Information der Öffentlichkeit ungenügend war:
Wir machen erst unseren Job und Journalisten kommen danach dran. Wir haben in einem solchen Moment keine Kapazität dafür.
Vielleicht hängt es nicht so sehr an den Kapazitäten, sondern an der Haltung. In Nordbaden habe ich noch keinen Großeinsatz erlebt, wo es keinen Ansprechpartner für die Presse gibt. Meistens gibt es mehrere – von der Feuerwehr, der Polizei und den Gemeinden.
Antworten der Stadt erst auf Druck
Unsere Anfrage an die Stadt Ludwigshafen mussten wir schriftlich stellen. Am 25. Juli versuchen wir mehrfach einen telefonischen Kontakt, am 27. Juli schicken wir die Fragen per email und acht Tage später, nachdem wir beim Innenministerium um Hilfe gebeten haben, kommen endlich Anworten auf Fragen, die wir hier dokumentieren.
Der Umweltdezernent hat Schaulustige kritisiert, die angeblich die Einsatzkräfte behindert hätten. Wir waren von 14-16 Uhr vor Ort und konnten keine Behinderungen feststellen. Wann sollen die Behinderungen stattgefunden haben? Können Sie konkret schildern, welcher Art die Behinderungen waren?
Stadt Ludwigshafen: Es gab zum Beispiel spielende Kinder auf der gesperrten Lagerhausstraße.
Wenn diese so massiv waren, sind doch sicher Ordnungsmaßnahmen getroffen worden? Wie viele Platzverweise oder in Gewahrsamnahmen hat es gegeben?
Stadt Ludwigshafen: Hierzu müssten Sie die Polizei kontaktieren.
Es gab tatsächlich viele Schaulustige. Die befanden sich aber hinter den polizeilichen Absperrungen. Diese wiederum machten einen räumlich sehr nahen Zugang möglich. Erst später wurde großräumig abgersperrt. Warum wurde dies nicht gleich veranlasst? Haben nicht Stadt und Polizei fahrlässig gehandelt, die Menschen so nah an die Gefahrenzone heranzulassen?
Stadt Ludwigshafen: Die Polizei hat zu diesem Zeitpunkt die Anwohner der Hafenstrasse evakuiert, da diese unmittelbar betroffen waren.
Es wurde zunächst die Information verbreitet, es habe sich um schwer entflammbares Polystyrol gehandelt. Unsere Recherchen haben ergeben, dass es sich um leicht entflammbares Material handelte. Warum wurde die erste Information ungeprüft übernommen?
Stadt Ludwigshafen: In den Erstmeldungen auf der städtischen Internetseite wurde von Isolierstoffen gesprochen. Wer von „schwer entflammbaren Polystyrol“ gesprochen hat, ist für uns nicht nachvollziehbar. Später wurde die Meldung der Stadt auf Styropor-Granulat konkretisiert.
Weder die Stadt noch die Feuerwehr haben in den ersten Stunden einen Ansprechpartner vor Ort gehabt. Ebensowenig die Polizei. Halten Sie das für ein gutes Kommunikationsmanagement?
Stadt Ludwigshafen: Das ist richtig, da alle Einsatzkräfte in dieser Phase an anderen Stellen gebunden waren. Zudem tritt der Gefahrenabwehrstab immer in der Leitstelle der Feuerwehr zusammen und nicht unmittelbar vor Ort eines Schadensereignisses. Der Stab hat ab 14:15 Uhr telefonisch vom Lagezentrum aus Auskunft gegeben. Kurz darauf wurde weiter über die städtische Internetseite informiert.
Zum Vergleich: Stadt und Polizei in Mannheim haben früher als Ludwigshafen mit Pressemeldungen und Hinweisen an die Bevölkerung reagiert. Welche Konsequenzen zieht die Stadt aus dem Vorfall? Gibt es “Notfall-Pläne? Wenn nein, werden die nun erstellt? Wenn ja, müssen diese überarbeitet werden?
Stadt Ludwigshafen: Sowohl in Ludwigshafen als auch in Mannheim wurde unmittelbar reagiert. Pläne für den Brand- und Katastrophenschutz sind vorhanden und haben gegriffen. Die Feuerwehr Ludwigshafen hat für unterschiedliche Gefahrenlagen, z. B. Brände, Explosionen, Einstürze und Unfälle, situationsbezogene Einsatzplanungen erstellt, in denen das Ausrücken und die Einsatztaktik festgelegt sind. In einem übergeordneten Gesamtplan, dem sogenannten „Alarm- und Einsatzplan“, ist die Führungs- und Ablauforganisation festgeschrieben. Ein flächendeckendes Sirenensystem, Lautsprecherfahrzeuge, Informationen auf der städtischen Internetseite sowie Vereinbarungen mit örtlichen Rundfunksendern stellen die Warnung der Bevölkerung sicher. Gegebenenfalls werden gleichzeitig Schadstoffmessungen, Probenahmen und Warnmaßnahmen veranlasst. Bei der Feuerwehr tritt unter Leitung der Oberbürgermeisterin der Gefahrenabwehrstab zusammen, dem die Koordinierung aller Maßnahmen obliegt. Ein System zur Simulation und Messung der Ausbreitung von Brandrauch oder Gefahrstoffen mit Daten über die örtliche Situation der Firmen unterstützt die Einsatzmaßnahmen.
Sind der Stadt weitere Lager mit Solaranlagen bekannt? Wenn ja, welche sind das? Werden diese überprüft, um ähnliche Schäden vorbeugend abzuwenden? Wenn nein – warum untersucht die Stadt nicht mögliche weitere Gefahrenquellen?
Stadt Ludwigshafen: Solaranlagen auf oder an Gebäuden sind gemäß Landesbauordnung Rheinland-Pfalz baugenehmigungsfrei. Daher hat die Stadtverwaltung auch keine Kenntnis von weiteren Anlagen im Stadtgebiet. Für den ordnungsgemäßen Zustand ist der Eigentümer des Gebäudes verantwortlich. Diese Anlagen bedürfen außer bei Störfallbetrieben keiner sicherheitstechnischen Betrachtung.
Wer hat damals die PV-Anlage auf dem Dach abgenommen? Die Stadt oder eine andere Behörde? Werden solche Anlagen von einer Behörde regelmäßig überprüft? Wann zum letzten Mal?
Stadt Ludwigshafen: Da die Anlage baugenehmigungsfrei ist (siehe Antwort auf Frage 8), gibt es auch keine behördliche Abnahme; die Anlagen werden von Seiten der Behörde auch nicht überprüft. Für die Errichtung und den ordnungsgemäßen Zustand sind der Eigentümer, der Betreiber und der Installateur verantwortlich.
Auf der Parkinsel sind Wohn- und Gewerbebebauung sehr dicht aneinander. Zieht die Stadt für die Zukunft Konsequenzen aus dem Vorfall und achtet auf eine deutliche Trennung?
Stadt Ludwigshafen: Die Nähe von Gewerbe und Industrie auf der Parkinsel resultiert aus der Vergangenheit. Aktuell ist die Trennung von Wohn- und Gewerbegebieten Vorgabe durch Gesetze (BauNutzungsverordnung, BauGesetzbuch).
Das Problem bei schriftlichen Anfragen: Man kann nicht unmittelbar nachfragen. Dabei sind viele Fragen offen.
Wenn eine mittelgroße Halle den größten Brand der Nachkriegsgeschichte auslöst – was muss man sich dann vorstellen, wenn größere Hallen brennen oder welche mit explosiven und hochgiftigen Stoffen?
- Es ist unbestreitbar, dass der Großbrand trotz der zerstörten Halle und den Verschmutzungen glimpflich ausgegangen ist. Ein wesentlicher Grund dafür war das Großaufgebot der Feuerwehren, aber zu einem gewichtigen Teil auch die Wetterlage. Was, wenn das Wetter “ungünstig” gewesen wäre? Wie bereiten sich Stadt, Feuerwehr und Polizei auf eine “ungünstige” Lage vor?
- Wenn Solaranlagen nicht überprüft werden müssen – wie viele potenzielle Risikohallen gibt es in der Stadt und Umgebung?
- Wieso gibt es keine Ortsbegehung durch städtische Mitarbeiter, die sich die Schäden zeigen lassen und sich ein Bild machen, worüber sich die Menschen sorgen?
- Wenn die Hafenbetriebe mehr als gut versichert sind – wieso dauert die Regulierung so lange? Müssen sich die Geschädigten damit abfinden, dass man sie lapidar vertröstet?
- Wie kann es sein, dass “emails nicht beantwortet” werden? Hält man die Sorgen und Nöte der Anwohner bei den Hafenbetrieben für eine Belästigung?
Keine Antwort von Herr Reindl (Hafenbetriebe)
Unsere Fragen an den Geschäftsführer der Hafenbetriebe, Franz Josef Reindl, sind immer noch unbeantwortet. Vermutlich müssen auch wir davon ausgehen, dass man sie gelesen hat, aber leider keine Kapazität hat, sie zu beantworten. Die Hafenbetriebe sind als staatliche Gesellschaft zur Auskunft gegenüber der Presse verpflichtet. Wir haben deshalb nochmals beim Innenministerium interveniert. Mal schauen, wann die Antworten kommen. Bis dahin dokumentieren wir die offenen Fragen:
- Die Halle wurde 2008 saniert. 2011 wurde die PV-Anlage in Betrieb genommen. Gab es seitdem Probleme mit der Anlage, sprich Funktionsstörungen, Ausfälle, Kurzschlüsse?
- Über welchen vorbeugenden Brandschutz verfügte die Halle?
- Wann wurde dieser verbaut?
- Wie oft wurde dieser kontrolliert?
- Wann zum letzten Mal?
- Nach welcher gesetzlichen Vorschrift ist der Brandschutz verbaut?
- Welche Stoffe dürfen nach Bebauungsplan in der Halle gelagert werden?
- Entsprachen die gelagerten Stoffe den Bestimmungen?
- Wie wird dies kontrolliert?
- Nach unseren Recherchen lagert die Pan Alpina nun in der Halle gegenüber ein. Ist das so?
- Handelt es sich dabei um die Polystyrol-Produkte, die auch in der abgebrannten Halle gelagert worden sind?
- Ist der Brandschutz für die Einlagerung dieser Produkte geeignet oder muss dies noch geprüft werden?
- Gibt es ähnliche Produkteinlagerungen in weiteren Hallen der Hafengesellschaft?
- Wie verhält es sich dort mit dem Brandschutz?
- Sie haben gegenüber der Presse den Schaden auf 12 Millionen Euro beziffert. Vergleichbare Hallen kosten nach unseren Recherchen höchstens 8 Millionen Euro, es handelt sich um eine ältere Halle. Wie haben Sie diesen Betrag ermittelt?
- Die Polizei führt Brandermittlungen durch. Haftungsrechtlich ist sicherlich die Frage, was den Brand verursacht hat. Planen Sie, sofern die PV-Anlage falsch angeschlossen war, entsprechende Regressforderungen?
- Die Anwohner müssen zur Zeit mit dem Gestank und Dreck leben. Sind hier Entschädigungszahlungen geplant, beispielsweise für Reinigungsarbeiten, Arbeitsausfälle, Belästigungen?
Der Mieter der Halle, die Panalpina sowie die BASF haben hingegen sehr zügig auf unsere Fragen reagiert und geantwortet – was, können Sie hier nachlesen.