Mannheim, 04. Juli 2015. (red) Die Feuerwehr Mannheim vermeldet bislang einen weitgehend ruhigen Abend trotz des Stromausfalls, der seit dem frühen Freitagnachmittag vor allem den Mannheimer Süden trifft. Nach wie vor sind Tausende Menschen, vor allem im Lindenhof und noch stärker in Neckarau, betroffen. Am Abend ist es immer noch heiß – 30° Celsius zeigt das Thermometer. An verschiedenen Stellen ist die MVV im Einsatz, um die Versorgung wieder herzustellen – bis wann das gelingt, ist noch völlig offen.
Von Hardy Prothmann
Im Mannheimer Süden ächzen Tausende von Menschen wegen der Hitze und vor allem, weil sie keinen Strom mehr haben. Lüfter, Klimaanlagen, Telefone, Internet – nichts funktioniert. Entlang der Neckarauer Straße Richtung Rheinau sind die meisten Häuser und Straßenzüge dunkel. Wer es drinnen nicht mehr aushält, setzt sich auf die Straße – ohne kaltes Getränk, denn die Kühlschränke funktionieren nicht mehr.
Da steht die Luft
Auch eine Gruppe Studenten ist ins Freie geflüchtet: “Nicht auszuhalten in den kleinen Zimmern im Studentenwohnheim. Da steht die Luft”, meint einer. Eine Studentin sagt: “Wir gucken jetzt denen zu und hoffen, dass die das wieder repariert bekommen.”
Auf der anderen Straßenseite sind Techniker in einer Baugrube im Einsatz. Es wir geschweißt. Mehrere Fahrzeuge der MVV und anderer Elektro-Dienstleiter stehen um die Baustelle herum. Weiter vorne, Richtung Innenstadt ist schweres Gerät im Einsatz, hier wird gerade der Gehweg aufgemacht. “Durch den Schaden hat es Folgeschäden gegeben”, sagt einer der Techniker. Wie viele Schäden es gibt und wie lange die Reparatur dauern wird? Keiner weiß es. Mal hört man “heute Nacht”, ein Feuerwehrmann sagt: “Hab gehört bis gegen 12 Uhr morgen Mittag”, auf der Website der MVV gibt es diese knappe Meldung:
Unabhängig davon kam es gegen 13.45 Uhr bei Bau- und Reparaturarbeiten am Stromnetz in Teilen von Neckarau, Casterfeld, Niederfeld und dem Lindenhof zu einer weiteren Versorgungsunterbrechung. Schnell konnte auch hier ein Großteil der betroffenen Gebiete wieder mit Strom versorgt werden. Wo dies bisher noch nicht gelungen ist, arbeiten unsere Mitarbeiter mit Hochdruck, um die Stromversorgung sicherzustellen.
Die Sache mit den Lebensmitteln
Umfassende Informationen gehen anders. Die Feuerwehr hat vier Info-Punkte eingerichtet. Am Diakonissenkrankenhaus geht es ruhig zu. Ganz anders am Neckarauer Marktplatz. Hier stehen drei Männer der Freiwilligen Feuerwehr Neckarau und geben Auskünfte. “Schön, dass man jemanden fragen kann”, sagt eine Dame Ende 50. “Wir fliegen morgen um 10 Uhr in den Urlaub – was mache ich den mit den Lebensmitteln in der Gefriertruhe?”
Der Feuerwehrmann weiß nur einen praktischen Rat: “Wenn der Strom nicht innerhalb von ein paar Stunden wieder da ist, dann sollten sie die entsorgen. Gehen Sie besser kein Risiko ein.” Die Frau fügt sich ins Schicksal und seufzt: “Die guten Lebensmittel. Das mach ich gar nicht gern und da gehen ein paar hundert Euro kaputt.” Sie bedankt sich trotzdem und die Feuerwehrleute wünschen ihr einen erholsamen Urlaub.
Nachwuchsarbeit
Dann kommt eine Mutter mit zwei Kindern vorbei – heute war die Hochzeit ihres Bruders: “Das war was, alle Getränke lauwarm und eigentlich kein Essen, denn die Küche funktionierte ja nicht. Der Koch hat dann den Grill angeworfen und improvisiert. Aber vermutlich vergessen die Gäste diese Hochzeit nicht.” Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Während Sie das erzählt, schnappt sich ein Feuerwehrmann Sohn und Tochter und lässt sie mal Feuerwehrjacke und Helm anziehen und beantwortet alle Fragen der Kinder zur Feuerwehr. Gleich mal Nachwuchsarbeit Arbeit gemacht.
Allen, die sich erkundigen, geben die drei Auskunft und verbleiben: “Wenn etwas ist, wir sind so lange da, bis der Strom wieder fließt. Sagen Sie das bitte weiter, damit andere das für Notfälle auch wissen.” Ohne Strom bleibt nur die Mund-zu-Mund-Information.
Auch an der Ecke Niederfeldstraße, Neckarauer Straße steht ein Feuerwehr-Wagen. Eine türkische Familie erkundigt sich. Auch sie beklagen, dass die Lebensmittel kaputt gehen: “Wir haben hier viel zu tun. Einige Leute wollen wissen, wer ihnen den Schaden ersetzt. Insgesamt sind die Leute genervt, aber ruhig.”
Bislang ruhige Lage
Roland Rimmelspacher, Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr, meint auf Anfrage, dass es bis Mitternacht ruhig gewesen sei: “Wir haben zwei Unterstützungsleistungen in Pflegeheimen, wo wir Licht installiert haben. Am Nachmittag mussten ein paar Personen aus Fahrstühlen herausgeholt werden, aber ansonsten ist es bislang ruhig.”
Hinter der Neckarauer Straße ist es stockfinster. Und eben tatsächlich ruhig. Keine Fernseher plärren. Es gibt keine Musik bei offenem Fenster. Auf vielen Balkonen stehen Frauen in Bikinis oder Männer in Shorts mit freiem Oberkörper und suchen etwas Erleichterung. Die ohne Balkon schwitzen in den warmen Wohnungen.
Die MVV soll sich beeilen
Wie anders eine Stadt doch wirkt, wenn es der Komfort der nächtlichen Straßenbeleuchtung fehlt. Ein Mann Anfang 40 sitzt auf dem Balkon und schaut Fernsehen – auf dem Notebook und mit Kopfhörern. “Ich bin Informatiker, habe davon drei Stück, jedes hält fünf Stunden und ich habe noch Ersatzakkus. Die nächsten 24 Stunden bin ich online. Muss ich auch sein, übers Wochenende gibt es ein wichtiges Projekt. Und klar habe ich Euren Bericht schon gelesen. Macht denen von der MVV mal Dampf”, wünscht er sich: “Sonst kostet mich das am Ende noch Geld.”
Ein ganz anderer Schaden
Ein älterer Mann im Ortskern von Neckarau ist gar nicht gut gelaunt: “Ja sind wir hier den im Nahen Osten?”, schimpft er: “Das könnte man meinen, wenn man sich anschaut, was hier so rumläuft. Das kommt davon. Früher hätte es das nicht gegeben”, raunzt er und zieht schimpfend weiter.
Ich bin 48 Jahre alt und weiß, dass ich in meiner Jugend immer mal wieder Stromausfälle erlebt habe und im Laufe der Zeit immer weniger. Wann es früher besser war, überlasse ich der “Erinnerung” dieses Motzkopfs. Auf die Idee zu kommen, “Ausländer” für den Stromausfall verantwortlich zu machen, ist erstaunlich, aber bei grundsätzlicher Fremdenfeindlichkeit auch wieder nicht. Dann sind halt immer “die” schuld – an was auch immer.
So gar nicht online ist seltsam
Die Baustelle, die die Studenten beobachtet haben, ist mittlerweile “geklärt”, die Arbeiten sind beendet. Zu der Hitze kommt für die jungen Leute eine ganz besonders dramatische Erfahrung dazu:
Unsere Smartphone-Akkus sind platt – irgendwie ein ganz seltsames Gefühl, so gar nicht online zu sein.
Info-Punkte – auch zur Annahme von “Notfällen” gibt es hier:
1. Marktplatz Neckarau
2. Diakoniekrankenhaus Speyerer Straße 91
3. Freiheitsplatz, Steubenstraße/Ecke Niederfeldstraße
4. Niederfeldstraße/Ecke Neckarauer Straße
Zusätzlich besteht am Rheingoldplatz, im Polizeirevier Neckarau, die Möglichkeit, einen Notfall zu melden.
Bürgerinnen und Bürger können sich weiterhin unter der Telefonnummer 0621/ 293-6370 informieren – sofern die Telefone funktionieren.