Heidelberg, 02. Februar 2015. (red/pm) Der Bezirksbeirat Kirchheim sieht den eigenen Stadtteil bei den Planungen, die Bahnstadt an das Straßenbahnnetz Heidelberg anzuschließen, zu stark benachteiligt. In einem offenen Brief wenden sie sich an den Heidelberger Gemeinderat sowie Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner und kündigen an, eine breite Bürgerbeteiligung zu veranlassen.
Fraktionsübergreifender Offener Brief von verschiedenen Kirchheimer Bezirksräten:
Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderätinnen und -räte, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
im Rahmen des Mobilitätsnetzes Heidelberg werden derzeit die baurechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, den neuen Stadtteil Bahnstadt an das Straßenbahnnetz der Stadt Heidelberg anzuschließen.
Die für die Förderanträge des Mobilitätsnetzes zugrundeliegenden Linienführungen sehen vor, dass die für Kirchheim gebaute Straßenbahnlinie 26 künftig zur Erschließung der Bahnstadt dienen und zu diesem Zweck einen erheblichen Umweg bei der Fahrt in die Innenstadt nehmen soll.
“Fahrtdauer verlängert sich um 30 Prozent”
Damit würde sich die Fahrtdauer um mindestens vier Minuten erhöhen, also, bezogen auf die Fahrt Kirchheim Rathaus – Bismarckplatz um knapp 30% (von heute 14 auf geplante 18 Minuten). Bezogen auf die ursprünglich angesetzte Fahrzeit von 12 Minuten in dieser Relation (Basis der damaligen Nutzen-Kosten-Untersuchung), bedeutet das Vorhaben der Stadt eine Verlängerung von 50%.
Uns geht es dabei nicht darum, das vorhandene Verkehrsbedürfnis in Richtung Hauptbahnhof und vor allem Neuenheimer Feld zu ignorieren. Sondern es geht darum, dass sich bislang die Stadt und die von ihr beauftragte RNV einer Debatte, um eine für Kirchheim sowohl sinnvolle als auch akzeptable Lösungen zu finden, zu verweigern scheinen.
Klarzustellen ist dabei auch, dass der jüngste Beschluss des Gemeinderates zur Planfeststellung nicht ein Beschluss über die Linienführung, sondern allein eine Stellungnahme zur baulichen Anlage der Straßenbahn ist. Die gerne kolportierte Meinung, damit sei an der Linienführung nichts mehr zu ändern, ist allenfalls interessengeleitet, auf jeden Fall aber unzutreffend.
“Alles ist offen. Zumindest theoretisch”
Dies ergibt sich schon allein durch die zwischenzeitlich eingeläutete Debatte über die künftige Führung der Buslinie 33. Ist laut Aussage der Projektträgerin, der Rhein-Neckar-Verkehrsgesellschaft (RNV), in der NKU noch die aktuelle Strecke (allerdings ohne Anbindung Bahnstadt) hinterlegt, so wird ebenfalls von der RNV eine direkte Linienführung entsprechend der heutigen Straßenbahnstrecke ins Spiel gebracht.
Parallel dazu lassen sich Stimmen vernehmen, welcher der Linie 33 eine weitere Funktion zuweisen, nämlich die der Erschließung der heutigen Patton Baracks. Damit ist klar: Nichts steht fest, alles ist offen. Zumindest theoretisch.
Gleichzeitig werden offenkundig die Vorbereitungen für die Neuvergabe der Linien 720/721 vorangetrieben. Dem EU-Amtsblatt entnehmen wir, dass im Bereich Kirchheim eine veränderte Linienführung vorgesehen ist. Nach der Herausnahme der Linie aus der Pleikartsförsterstraße kann dies nur bedeuten, dass die Linie 720 künftig gar nicht mehr die Mitte Kirchheims anbinden soll.
“Letzte Direktverbindung würde entfallen”
Damit würde nach der für unseren Stadtteil verschlechterten Linienführung der L 26 die letzte Direktverbindung in die Innenstadt entfallen und als Ausweichmöglichkeit zur verschlechterten Straßenbahnverbindung in die Stadtmitte nicht zur Verfügung stehen.
Leider hat es die Stadtverwaltung versäumt, in einen Dialog mit den Kircheimer Bürgern zu treten. Im Gegenteil, nach der mit großer Mehrheit beschlossenen Resolution im Bezirksbeirat – im Übrigen erfolgte die Befassung nicht durch eine eigenständige Informationsvorlage seitens der Stadtverwaltung, sondern auf Initiative aus der Mitte des Bezirksbeirates – wird der zuständige Bürgermeister noch mit den Worten zitiert, man könne nicht immer alle Bezirksbeiräte beteiligen.
Deshalb werden die Bezirksbeiräte – gemeinsam mit dem Stadtteilverein – die Bürgerbeteiligung selbst in die Hand nehmen und die ÖPNV-Anbindung von Kirchheim umfassend diskutieren. Wir streben das erste Quartal des Jahrs 2015 für den Auftakt dieser Bürgerbeteiligung an.
“Wir fordern eine ergebnisoffene Diskussion”
Umfassend bedeutet dies, dass wir sämtliche Bus, Straßenbahn- und Eisenbahnverbindungen mit Erschließungsfunktion für Kirchheim in ihrer Angebotsqualität bewerten und die bislang vorgesehen Maßnahmen auf den Prüfstand stellen. Wir werden abschließend eigene Vorschläge und Forderungen unterbreiten.
Vor diesem Hintergrund fordern wir die Stadt Heidelberg auf, sich dem Bürgerdialog zu stellen, die ÖPNV-Anbindung von Heidelberg-Kirchheim ergebnisoffen zu diskutieren, bis zum Abschluss einer qualifizierten Bürgerbeteiligung keine Entscheidungen zu treffen und Vereinbarungen abzuschließen, welche diese ergebnisoffene Diskussion beeinträchtigen.
Dies gilt auch für die Planungen der beauftragten RNV sowie die bevorstehende Vergabe des Buslinienbündels 720/721. Die unterzeichnenden Bezirksbeiräte sowie der Stadtteilverein Heidelberg-Kirchheim bieten der Stadt an, sich in diesen Dialog einzubringen.”
Unterzeichnet von Hannelore Beust; Fritz Engbarth-Schuff; Sabine Gübel; Roland Hoffmann; Tatjana Miriam Hasse; Marliese Heldner; Marion Koch; Imke Veit-Schirmer; Heinz Gottfiried und für den Stadtteilverein Jörn Fuchs