Mannheim, 02. Dezember 2014. (red/ms) Dass Mannheim jetzt eine UNESCO City of Music ist, ist sicher ein Grund zum Feiern – vor allem natürlich für alle Musiker, die mit ihrer Bewerbung erfolgreich waren. Gestern Abend fand im Jugendkulturzentrum Forum eine “Diskussion” mit vielen der beteiligten Bewerbern statt. Doch statt zu einem unbeschwerten Fest zu werden, ist die Veranstaltung “abgesoffen”. Und das lag hauptsächlich an einem peinlichen Auftritt von Rainer Kern, dem Festivalleiter von Enjoy Jazz, der eigentlich moderieren sollte.
Von Minh Schredle
Neben acht anderen Städten ist Mannheim jetzt eine City of Music, wie die Jury der UNESCO am Montag bekannt gegeben hat. Das sollte am Abend im Jugendkulturzentrum gefeiert werden und dazu haben sich etwa 70 Besucher eingefunden. Einen Stadtrat oder gar Bürgermeister habe ich darunter nicht gesehen.
Die Veranstaltung wurde als Diskussion angekündigt, daran teil nahmen Rainer Kern, der Festivalleiter von Enjoy Jazz als Moderator, Joachim von Hunnius vom Brückenaward e.V., Prof. Udo Dahmen von der Popakademie, Prof. Rudolf Meister von der Musikhochschule Mannheim und Prof. Klaus-Peter Kehr.
Musikerstadt – jetzt offiziell
Herr Kern eröffnete die Veranstaltung mit den Worten:
Wir wussten es schon immer – jetzt ist es endlich offiziell: Mannheim ist eine Musikerstadt.
Die Frage, die ihm heute am häufigsten gestellt worden ist, sei:
UNESCO City of Music – was bedeutet das denn überhaupt?
Es erweckte anfänglich den Eindruck, als ob man diese Frage im Verlaufe des Abends abschließend klären wollte. Wirklich klüger wurde man aus der Veranstaltung aber leider nicht.
Alle Personen auf der Bühne waren an der Bewerbung beteiligt. Mit den eingeladenen Personen hätte es durchaus zu einer spannenden Veranstaltung werden können: Herr Kehr ist beispielsweise eher von klassischer Musik angetan, während Joachim von Hunius Punk-Rock mag. Doch das Potenzial wurde nicht einmal im Ansatz ausgeschöpft. Es gab einfach keine Auseinandersetzung oder interessante Debatte.
Alle Teilnehmer betonten lediglich, wie sehr sie sich freuen. Konkrete Inhalte, was man in den kommenden Jahren zu erwarten habe, wurden nicht genannt. Aber es gab ein paar Ansätze: Herr Meister sagte beispielsweise, er wünsche sich für 2015 ein Fest in Mannheim, an dem alle neun UNESCO Cities of Music teilnehmen könnten.
Man wolle die neuen Vernetzungen nutzen, um die internationale Attraktivität weiterhin zu erhöhen, sagte Herr Dahmen. Musik müsse ständig auf neue Einflüsse reagieren, um am Puls der Zeit zu bleiben. Da sei das “weltweit größte Kulturnetzwerk” eine hervorragende Gelegenheit.
Keine Diskussion
Die Veranstaltung wurde zwar als Diskussion angekündigt, faktisch war sie das aber nicht – denn alle waren sich einig: Es ist toll, dass Mannheim jetzt UNESCO City of Music ist.
So war es vielmehr eine Kundgebung von Selbstgefälligkeiten, die in Anbetracht des Erreichten zwar irgendwie nachvollziehbar sind. Aber in dieser Konzentration war das überflüssig und etwas nervig. Ein bisschen mehr Inhalt hätte der Veranstaltung sicher gut getan.
Laut Herrn Kern gelte Herrn Hunnius, “dem Mann der Stunde”, besonderer Dank, der mit seinem “sozusagen historischen” Worten “Ey man, wir machen das jetzt. Ob es klappt oder nicht, werden wir erst sehen, wenn wir es versucht haben” für die Initialzündung für die Bewerbung gesorgt habe. Herr Kern bat ihn um eine “Brandrede wie damals”.
Herr Hunius nahm das selbstironisch und mit einer Menge Humor. Er “könne das nicht auf sich sitzen lassen”, stand auf und sagte:
Ich glaube nicht, dass es ausschließlich an mir liegt. Ein paar andere waren vielleicht auch mitbeteiligt.
Herr Kern versuchte es auch mit einer Menge Humor. Das ging nicht immer auf. Während er zu Beginn des Abends noch souverän wirkte, wurden seine Äußerungen im Lauf des Arbeits immer fragwürdiger. Etwa sagte er Dinge, wie: “Es ist einfach sauwitzig, dass Herr Hunius am Transatlantischen Institut in Ludwigshafen arbeitet. Das klingt wie eine Militäreinrichtung”.
Beim Publikum kam das unterschiedlich gut an: Am Anfang lachten noch viele, ein paar verließen allerdings schnell den Raum. Herr Kern sagte dem Publikum irgendwann, dass es immer an den falschen Stellen lachen würde, worauf es anschließend kaum noch Gelächter gab. Dem folgten ein paar seltsame Äußerungen von Herrn Kern, wie:
Mannheim hat das beste Opernhaus der Stadt!
Oder:
Vergangenes Wochenende fand der TimeWarp zum ersten Mal in New York statt – what the fuck, wie der Engländer sagt.
Als er aus dem Publikum darauf hingewiesen wurde, dass er wohl Amerikaner meinte, entgegnete er, dass dies “ja mehr oder weniger das Gleiche” sei und er “eben Englischsprachige” gemeint hätte.
Peinlicher Abgang
Herr Kern wirkte deutlich angetrunken: Er wiederholte sich andauernd, machte seltsame “Witze”, verhaspelte sich oft, hatte Schwierigkeiten, einige Worte auszusprechen und fing später sogar an, etwas zu lallen. Und es wurde im Verlauf des Abends immer schlimmer: Die Moderation litt darunter deutlich, auch weil viele Fragen, die Herr Kern stellte, irgendwann kaum noch vernünftig zu beantworten waren.
Schließlich stellte er eine Frage an Herrn Dahmen. Noch während dieser redete, stand Herr Kern auf, ohne etwas zu sagen, wankte von der Bühne und kam auch im weiteren Verlauf des Abends nicht mehr auf diese zurück.
Für ihn sprang Fabian Burstein, der Leiter des Jugendkulturzentrums, als Moderator ein. Herr Kern leide unter “akutem Unwohlbefinden”, sagte er.
In Anbetracht der Spontanität, mit der Herr Burstein eingesprungen ist, muss er für seine Leistung gelobt werden: Unter seiner Leitung wurde die Veranstaltung etwas strukturierter.
Enttäuschender Abend
In der Einladung zur Veranstaltung hieß es:
Das Team der Bewerbung freut sich insbesondere auf jeden Musiker, der sein Instrument mitbringt, um im Anschluss an die Diskussion eine Jam Session zu organisieren.
Eine Jam Session gab es nicht – sie wurde wortlos unter den Tisch fallen gelassen. Stattdessen gab es aber Freibier. Zum Abschluss der Diskussion sagte Fabian Burstein:
Lasst uns ein Bier kappen und anstoßen.
Vielleicht sollte sich Mannheim nun auch zur UNESCO Hauptstadt der Biertrinker bewerben. Von der City of Music war bis auf eine Gitarre, die alleine und unbenutzt auf der Bühne herumstand, nichts zu sehen oder zu hören.